BAG Erfurt Az. 1 AZR 233/21 vom 8. Feb. 2022
Der Fall:
Der Betriebsrat und der Arbeitgeber hatten in mehreren Betriebsvereinbarungen Details zu einem Entlohnungssystem neu geregelt. Zum Streit kam es, als ein Arbeitnehmer, der nunmehr weniger verdiente, gerichtlich die Rechtmäßigkeit der Betriebsvereinbarungen anzweifelte. Er meinte, sie seien ohne ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss zustande gekommen und damit rechtlich unverbindlich.
Die Entscheidung des Gerichts:
Der Arbeitnehmer bekam Recht, da sich in der Verhandlung herausstellte, dass der Betriebsrat hierzu keinen Beschluss gefasst hatte. Eine vom Betriebsratsvorsitzenden ohne Beschluss des Gremiums abgegebene Erklärung zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung kann dem Betriebsrat auch nicht nach den Grundsätzen einer Anscheinsvollmacht zugerechnet werden. Denn eine Anscheinsvollmacht setzt voraus, dass der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. Der Vorsitzende des Betriebsrats gibt aber lediglich Erklärungen für den Betriebsrat ab und trifft nicht an dessen Stelle auf eigenem Willensentschluss beruhende Entscheidungen. Diese gesetzlich vorgesehene Verknüpfung der Willensbildung im Gremium mit der – lediglich diesen Willen äußernden – Erklärung steht einer unmittelbaren Anwendung der Grundsätze über die Anscheinsvollmacht entgegen.
Das bedeutet die Entscheidung für Sie:
Vor der Unterzeichnung einer Betriebsvereinbarung muss der Betriebsrat über den Gegenstand unbedingt einen Beschluss fassen. Der Betriebsrat hat zudem bei Abschluss einer Betriebsvereinbarung die Nebenpflicht, dem Arbeitgeber auf dessen Verlangen eine entsprechende Abschrift desjenigen Teils der Sitzungsniederschrift auszuhändigen, aus dem sich die Beschlussfassung des Gremiums ergibt.