Eine unwirksame Betriebsvereinbarung ist nicht immer umzudeuten

BAG Erfurt Az. 1 AZR 206/20 vom 9. Nov. 2021

Der Fall: 

Ein Arbeitnehmer war seit sechs Jahren in einem Unternehmen mit mehreren Betrieben und entsprechenden Betriebsräten beschäftigt. Nun endete sein Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. November 2018. Daraufhin stritten die Parteien über die Zahlung einer Jahresprämie. Im Arbeitsvertrag stand dazu, dass variable Vergütungsbestandteile in einer Zusatzvereinbarung geregelt werden und dass weiteres in den jeweils gültigen Betriebsvereinbarungen stehen würde.

Es gab auch eine entsprechende Betriebsvereinbarung, die allerdings vorsah, dass Mitarbeiter, die bis einschließlich zum 01.01. des folgenden Geschäftsjahres aus dem Unternehmen ausscheiden, keine Prämie erhielten. Deshalb bekam der Arbeitnehmer auch keine Prämienzahlung. Trotzdem klagte er darauf und argumentierte, ihm stehe eine anteilige Jahresprämie auf Grundlage der Betriebsvereinbarung zu. Diese sei wirksam und die Stichtagsregelung sei wegen einer über das Geschäftsjahr hinausgehenden Bindungswirkung nichtig. Jedenfalls folge ein entsprechender Anspruch aus seinem Arbeitsvertrag, zumindest aber aus einer Gesamtzusage, in die die Betriebsvereinbarung im Fall ihrer Unwirksamkeit umzudeuten sei. Hilfsweise ergäbe sich ein Anspruch aus betrieblicher Übung, da die Jahresprämie seit Jahren bezahlt würde.

Die Entscheidung des Gerichts: 

Das Geld erhielt er nicht. Die Betriebsvereinbarung war unwirksam, da sie von örtlichen Betriebsräten abgeschlossen worden war, hier jedoch der Gesamtbetriebsrat zuständig gewesen wäre.

Der Arbeitnehmer hatte auch keinen vertraglichen Anspruch auf Zahlung der Jahresprämie. Insbesondere war die unwirksame Betriebsvereinbarung nicht in eine Gesamtzusage, also in eine Änderung der Arbeitsverträge, umzudeuten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es nicht ausgeschlossen, eine unwirksame Betriebsvereinbarung entsprechend § 140 BGB in eine Gesamtzusage umzudeuten. Anknüpfungspunkt kann hier die auf ihren Abschluss gerichtete Erklärung des Arbeitgebers sein. Die Umdeutung einer solchen Erklärung in eine vertragliche Zusage erfordert allerdings besondere Umstände, die die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber habe sich unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall verpflichten wollen, seinen Arbeitnehmern die vorgesehenen Leistungen zu gewähren. Hierbei ist vor allem zu berücksichtigen, dass sich der Arbeitgeber von einer Betriebsvereinbarung durch eine Kündigung nach § 77 Abs. 5 BetrVG ohne Grund jederzeit lösen kann. Eine Änderung der Arbeitsverträge kann hingegen nur im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer oder durch eine gerichtlich überprüfbare Änderungskündigung erfolgen. Daher kann ein hypothetischer Wille des Arbeitgebers, sich unabhängig von der Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung auf Dauer einzelvertraglich zu binden, nur in Ausnahmefällen angenommen werden. Ein solcher Rechtsbindungswille kann vor allem nicht aus den in der Betriebsvereinbarung selbst getroffenen Regelungen abgeleitet werden. Dieser muss sich vielmehr aus außerhalb der Betriebsvereinbarung liegenden Umständen ergeben und auf einen von der Betriebsvereinbarung losgelösten Verpflichtungswillen gegenüber allen oder einer Gruppe von Arbeitnehmern gerichtet sein. Genau dafür gab es hier aber keinerlei Anhaltspunkte.

Ein Anspruch aus betrieblicher Übung bestand ebenfalls nicht. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung entsteht nicht, wenn eine andere kollektiv- oder individualrechtliche Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Vergünstigung besteht oder sich der Arbeitgeber irrtümlich zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: 

Für die Umdeutung einer Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage bedarf es einiger Voraussetzungen. Am besten ist es, keine Fehler beim Abschluss entsprechender Betriebsvereinbarungen zu machen.