Erstellt am 22.04.2017 um 08:06 Uhr von gironimo
Was ihr vorhabt ist im Grunde genommen so etwas wie eine Betriebs- oder Abteilungsversammlung - und so würde ich das auch machen. (Dazu gibt es Literatur und Seminare.
Sprechstunden sind Zeiten, in denen Mitarbeiter mit allen Themen kommen können, die ihnen wichtig sind.
Erstellt am 22.04.2017 um 11:07 Uhr von Ernsthaft
@Eiso
Was den Inhalt der Themen angeht, so hat euer AG schon recht damit, dass allgemeine Themen dort nicht hingehören.
Wobei man hier aber auch einmal hinterfragen sollte, woher er das Wissen über die dort behandelten Themen überhaupt bezieht.
Vorrangig soll eine Sprechstunde ja dazu dienen, dass ein BR den MA für Auskünfte und Beratungen über individuelle Angelegenheiten zur Verfügung steht.
Gegenstand der Sprechstunden können alle Angelegenheiten sein, die mit der Stellung der MA im Betrieb zusammenhängen und in den Aufgabenbereich des BR fallen. Zulässig ist auch eine Rechtsberatung des BR über sämtliche mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängender Fragen.
Zulässig ist im Besonderen auch: die eigene Kompetenz zu belegen und mit der Belegschaft gerade im persönlichen Bereich im Gespräch zu bleiben.
Fragen von allgemeinem Interesse fallen nicht hierunter, sodass ein BR zu solchen Themen besser betriebsübliche Wege nutzen sollte.
Da das überwiegend Themen wären, die in eine Betriebsversammlung gehören, dessen Kosten ja ein AG zu tragen hat, wäre es eine zusätzliche nicht begründbare Kostenbelastung für den AG, wenn diesen Themen ein weiteres, für einen AG kostenträchtiges Feld eröffnet würde.
Da sich Allgemeines und eine persönliche Betroffenheit hier aber auch überschneiden können, dürfte es einem AG recht schwerfallen, hier dann ein Fehlverhalten der MA oder gar des BR belegen zu können.
Die Beteiligung eines AG an Sprechstunden sind auch auf die Zahl, Zeitpunkt, länge und Ort beschränkt. Inhaltlich beschränkt sich seine Einflussmöglichkeit lediglich auf sein Recht zur Vermeidung von zusätzlichen nicht erforderlichen Kosten (§ 40 BetrVG).
Erstellt am 22.04.2017 um 12:52 Uhr von Eiso
@gironimo:
Danke für dein Feedback. Ich habe hierzu aber eine wichtige Frage. Worauf beruht deine Auffassung, dass diese Art der Sprechstunde eine Betriebs- oder Abteilungsversammlung darstellt?
In einer Betriebs- oder Abteilungsversammlung informiert der BR die Belegschaft. Wir haben eher vor Fragen zum Thema z.B. Arbeitszeiten zu beantworten und entsprechend auch zu beraten. Ich habe keine Gesetzesgrundlage gefunden, das dem BR nur ein 1 to 1 Gespräch bei Sprechstunden zusteht. Klar dürfen wir nicht die Hälfte der Belegschaft einladen und sie über die BR Arbeit im Allgemeinen informieren, dass wäre dann die Abteilungsversammlung. :-)
@Ernsthaft:
Danke für deine ausführliche Einschätzung. Besonders wichtig war mir dein letzter Satz §40 BetrVG. Das bedeutet doch für uns, lade ich 10-20 MA gleichzeitig ein um Fragen zu beantworten, spare ich dem AG doch in diesem Fall sogar Kosten ein, denn eine große Sprechstunde ist doch günstiger als 20 kleine Sprechstunden. :-)
Unser erstes Thema wäre z.B. Arbeitszeiten. Um Fragen zu unserem neuen Arbeitszeitmodell zu beantworten. Vorteil der größeren Runde wäre auch das der eine oder andere Kollege die selben Fragen hat. Wie gesagt, es soll in dieser "Sprechstunde" nicht um eine allgemeine Information zur BR Arbeit gehen, sondern wir wollen konkrete Frage zu einem Themenbereich, welches zur BR Arbeit gehört, beantworten und den Kollegen zusätzlich eine Beratung zu Gute kommen lassen.
Erstellt am 22.04.2017 um 14:13 Uhr von Ernsthaft
So wie du das hier jetzt beschreibst, sprengt das wirklich den Rahmen einer Sprechstunde, die ja auf das Individuum und nicht aufs Kollektiv abstellt, und kann daher nur in Form von mit dem AG zu vereinbarenden Arbeitsgruppen oder Betriebs und Teilversammlungen durchgeführt werden.
Das kann sowohl auf den Quartals wie auch zusätzlich notwendigen Versammlungen erfolgen.
Die Betonung liegt hier aber bei NOTWENDIG und muss für den Betrieb zwar nicht von Existenzieller, aber zumindest erheblicher Bedeutung sein, um auch eine Kostentragungspflicht des AG auszulösen.
Bevor ich hier aber eine Versammlung mit großer Fragerunde starte, wobei das dann nicht mehr anonym sein für den ein oder anderen auch ein Hemmschuh sein konnte, eine wirklich wichtige Frage auch zu stellen bzw. zu diskutieren, würde ich dieses vorab mit einer anonymisierten Umfrage in Form eines speziell dafür erstellten Info und Fragebogens versuchen.
Eine darauf dann aufbauende Diskussionsveranstaltung in Form einer Betriebs oder Teilversammlung macht aus meiner Sicht mehr Sinn als gleich im kalten Wasser zu starten.
Erstellt am 22.04.2017 um 15:13 Uhr von Tanzbär
> Das bedeutet doch für uns, lade ich 10-20 MA gleichzeitig ein um Fragen zu beantworten
Denk mal über den Begriff Sprechstunde nach. Da wird nicht eingeladen, sondern die AN kommen, wenn sie ein Problem haben und eine Lösung desselben erhoffen.
Warum sollte einer von den 20 eingeladenen überhaupt eine Frage stellen? Und ihr spielt dann den Wissenden, der alles beantwortet?
Oh, ich kann deinen Arbeitgeber verstehen.
Erstellt am 22.04.2017 um 16:45 Uhr von gironimo
In einer Betriebsversammlung geht es nicht nur um den "Tätigkeitsbericht". Sie ist also nicht als einseitige Informationsveranstaltung gedacht. Eine Betriebsversammlung soll auch ein demokratisches Forum sein, wo die Besucher Fragen stellen und Antworten erhalten können.
Einen ersten Überblick bietet z.B. das Buch aus der kleinen Betriebsratsbibliothek: "Die Betriebsversammlung", (Fricke Grimberg Wolter, Bund Verlag).
Erstellt am 23.04.2017 um 10:19 Uhr von BRHamburg
@Eiso Sprecht erstmal mit euren Arbeitgeber über die Einführung einer regelmäßigen Sprechstunde. Dann könnt ihr eine dieser Sprechstunden zum Themenbereich Arbeitszeit nutzen. Nur werden die Kollegen dann nicht eingeladen sondern nur über diese Möglichkeit infomiert die Sprechstunde für Fragen zu nutzen. Vorteil für den Arbeitgeber ist das die BR Mitglieder nicht an ihrem Arbeitsplatz dauernd angesprochen werden. Ob die Kollegen dann einzelnd oder in Gruppen zur Sprechstunde gehen liegt nicht in eurer Entscheidung. Den Termine welcher Kollege wann zur Sprechstunde kommt wäre ja eine Einladung, die der Arbeitgeber nicht haben möchte.
Erstellt am 23.04.2017 um 10:47 Uhr von Ernsthaft
„Ob die Kollegen dann einzelnd oder in Gruppen zur Sprechstunde gehen liegt nicht in eurer Entscheidung.“
Als AG hätte ich aber bestimmt etwas dagegen, dass sich gleich ganze Gruppen zum Besuch einer Sprechstunde Abmelden. Ein Arbeitsrichter höchstwahrscheinlich auch!
Erstellt am 23.04.2017 um 13:17 Uhr von BRHamburg
@ Ernsthaft Wie gesagt es liegt nicht in der Macht des Betriebsrat ob die Kollegen sich in Gruppen zur Sprechstunde abmelden oder jeder einzelnd geht. Ja es ist möglich das der Arbeitgeber was dagegen hat das sich mehrere Arbeitnehmer gleichzeitig abmelden. Dann können die Kollegen immernoch einzelnd die Sprechstunde nutzen. Und es spricht auch nichts dagegen in einer " normalen" Sprechstunde noch Fragen zum Thema X zu beantworten.
Erstellt am 23.04.2017 um 22:47 Uhr von Eiso
Danke zuerst einmal für die vielen Antworten.
Mit "einladen" habe ich mich falsch ausgedrückt. Wir hatten daran gedacht, dass pro Sprechstunde 10 bis 20 Plätze zur Verfügung stehen würden. Die Kollegen könnten sich dann dazu anmelden und werden nicht von uns eingeladen.
Mein großes Problem ist, dass im BetrVG nicht viel über die Gestaltung der Sprechstunden steht und aus diesem Grund frage ich mich warum ein BR die Sprechstunde nicht für eine Frage Antwort Runde nutzen kann.
@Ernsthaft: Du schreibst dass die Sprechstunden einen individuellen Charakter haben müssen. Das würde die Idee der großen offenen Sprechstunden natürlich verhindern. Ich habe allerdings nichts dazu im BetrVG gefunden. Kannst du mir sagen woher du diese Erkenntnis hast?
Erstellt am 24.04.2017 um 10:43 Uhr von Ernsthaft
Das ergibt sich aus der Auslegung des Begriffs selbst und der des Gesetzestextes des § 39 Abs. 3 BetrVG und weiterer Paragrafen im BetrVG. Sowie der grundsätzlichen Norm des Arbeitsrechts in Bezug auf den Begriff des Arbeitnehmers, welches sich in der Regel auch auf den Einzelnen bezieht und mehrere auch als solche oder Gruppe führt.
Was aber nicht ausschließt, dass auch mehrere MA mit dem gleichen Anliegen die Sprechstunde gemeinsam aufsuchen können.
In ein paar Ausnahmefällen kann eine Sprechstunde auch kollektiv (Gruppe) in Anspruch genommen werden, wenn alle Beteiligten individuell davon betroffen sind.
Das trifft aber nur dann zu, wenn hier dringender Handlungsbedarf besteht und dieses nicht bis zur nächsten Versammlung warten kann. Reine Informationstreffen gehören aber nicht dazu.
ArbG Gießen, 14.07.1982 – 3 Ca 131/82, zum gemeinsamen Aufsuchen des Betriebsrats wegen Eingruppierungsstreitigkeiten.
LAG Hamburg, 28.06.1982 – 5 Sa 23/82, zum gemeinsamen Aufsuchen des Betriebsrats wegen eines gemeinsamen Beschwerdegrundes.
Da mit Sprechstunden auch immer Freistellungen und somit ein Kostenfaktor verbunden ist, greift hier neben den Grundsätzen des § 40 BetrVG auch der einer vertrauensvollen Zusammenarbeit. Was hier dazu führt, dass div. Themen nur dort zu behandeln sind, wo ihnen der Gesetzgeber Felder dazu eröffnet hat. Und das sind bei größeren Gruppen, wo auch eine mit ca. 10 -20 Personen einzuordnen ist, nun einmal die vom Gesetz vorgegebenen Versammlungen.
Da ja jeder und nicht nur die hier vorgesehenen MA einen Anspruch auf Information und Darlegung ihrer Sicht haben, würde eine Durchführung im Rahmen einer Sprechstunde den Charakter einer Versammlung und einer damit dann verbundenen Ausgrenzung anderer MA haben.
Erstellt am 24.04.2017 um 11:32 Uhr von Ernsthaft
@ BRHamburg
„@ Ernsthaft Wie gesagt es liegt nicht in der Macht des Betriebsrat ob die Kollegen sich in Gruppen zur Sprechstunde abmelden oder jeder einzelnd geht.“
Das sehe ich aber entschieden anders!
Hierzu sollte dann aber auch bekannt sein, was Macht ist, und in welchen Formen sie ausgeübt werden kann.
So ergibt sich für mich schon das Ausüben einer Macht durch die Möglichkeit des Hinweises an die AN hinsichtlich ihres Verhaltens am Arbeitsplatz, auch betriebliche Ordnung genannt.
Natürlich kann er nicht direkt Einwirken, wenn sich zum Zeitpunkt X mehrere MA dazu entscheiden eine Sprechstunde aufzusuchen und sich getrennt bei ihrem jeweiligen Vorgesetzten abmelden und dann vorm Sprechstundenzimmer als Gruppe aufschlagen. Aber spätestens hier liegt es wieder in seiner Entscheidungsmacht, ob er sie, sofern der Raum das überhaupt hergibt, als Gruppe auftreten lässt, oder ihnen dieses verweigert.
Da wir uns hier auch in einem Grenzbereich zw. Versammlungsfreiheit und dem Verdacht eines wilden Streiks befinden, würde ich meine Macht dahin gehend Ausüben, ihnen den Zutritt zu verweigern und sie auf ihre arbeitsvertraglichen Pflichten hinweisen.
Wenn sie sich gleich geschlossen als Gruppe bei ihrem Vorgesetzten abmelden, bedarf es keiner hier auszuübenden Macht eines BR, da diese dann beim AG (Vorgesetzten) liegt, dieses zu untersagen.
Da AN im Betrieb kein Grundsätzliches, sondern nur im Ausnahmefall ein Selbstversammlungsrecht haben, könnte eine solche Gruppenbildung von einem AG auch als wilder Streik empfunden und so behandelt werden.
Erstellt am 25.04.2017 um 07:57 Uhr von Eiso
@Ernsthaft: Vielen lieben Dank. Genau die Information habe ich gesucht. Jetzt muss ich einfach schauen, welche Versammlung für uns in diesem Fall die richtige ist.