Erstellt am 16.08.2022 um 10:21 Uhr von Relfe
ihr könnt das gar nicht klären lassen, da der BR keine Tarifpartei ist.
Ihr dürft genau genommen gar keine Lohnerhöhung verhandeln, das ist Sache der Tarifparteien, in eurem Fall AG und AN
Ihr habt auch gar keine "Druckmittel" gegenüber dem AG, ihr dürft nicht zur Arbeitsniederlegung aufrufen und seid zur Wahrung des Betriebsfriedens verpflichtet gem BetrVG
Entweder ihr organsiert euch in einer Gewerkschaft oder die AN verhandeln selbst (jeder für sich) oder der AG macht das so wie er will
das Arbeitsgericht ist nicht zuständig, weil ihr als BR nicht klagen könnt wegen fehlender Zuständigkeit. Abgesehen davon gibt es kein Recht auf Lohnerhöhung, somit kann das Arbeitsgericht da doch gar kein Urteil zu euren Gunsten fällen, eine solche Klage würde auch kein AN als Individualklage gewinnen.
Etwas anders wäre es, wenn es um "Lohngleichheit" bzw. "Gleichbehandlung" gehen würde, das ist hier aber nicht der Fall, du sprichst von "allgemeiner Lohnerhöhung"
Erstellt am 16.08.2022 um 10:22 Uhr von GabrielBischoff
Eigentlich macht ihr genau das nicht - § 77 Abs. 3 BetrVG.
Eine entsprechende BV wird euch zerpflückt werden - das geht nur wenn es einen Tarifvertrag mit entsprechender Öffnungsklausel gibt.
Da habt ihr leider einen schweren Stand.
Erstellt am 16.08.2022 um 10:31 Uhr von Nikita74
Ich bedanke mich für eure Antworten. Wir wollen ja auch hoffen, dass wir uns einig werden. Allen einen angenehmen Tag.
Erstellt am 16.08.2022 um 12:27 Uhr von rsddbr
Das sehe ich etwas anders. Wenn es keinen Tarifvertrag gibt, so ist der Betriebsrat zuständig. Allerdings kann der BR nicht die Höhe des Budget verhandeln, sondern ist "nur" bei der Verteilung des Budget auf die Mitarbeiter im Boot. Ausgenommen wäre eine Gleichverteilung (also z.B. alle MA erhalten x% mehr Gehalt). Wir bewegen uns hier nämlich nicht im §77 Abs. 3 BetrVG, sondern im §87 Abs.1 Punkt 10 BetrVG. Dort ist in §1 Satz 1 festgeschrieben, dass das MBR gilt, wenn keine tarifliche Regelung besteht. Ein Vorbehalt, wenn es überlicherweise durch Tarif geregelt wird, ist dort nicht zu finden.
Der Fitting behandelt dieses Thema sehr umfangreich. Ich empfehle mal einen Blick in §87 Rn.453.
Erstellt am 16.08.2022 um 12:46 Uhr von seehas
@rsddbr: Dem steht entgegen § 77 (3) BetrVG: "Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt."
Das lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig
Erstellt am 16.08.2022 um 13:13 Uhr von rsddbr
Auch §87 ist deutlich. In einer Schulung speziell zu diesem Thema als auch die Ausführungen unseres Anwalts sind da eindeutig.
Ansonsten würde doch §77 und §87 im Konflikt zueinander stehen. Ich empfehle bei diesem komplexen Thema gerne nocheinmal den Fitting zu Rate zu ziehen oder eine entsprechende Schulung zu besuchen.
Erstellt am 16.08.2022 um 15:08 Uhr von AraXeeN
@rsddbr:
Du hast leider nicht recht und ich würde vlt. den Anwalt wechseln. Du hast den Fitting selbst erwähnt. Schau dir bitte hier die Rn. 419 den § 87 an.
Der sog Geldfaktor ist nicht Gegenstand des MBR und damit auch nicht das arbeitsvertraglich vereinbarte Entgelt der ArbN. (BAG 30.10.2012 - 1 ABR 61/11, NZA 2013, 522)
Das MBR erstreckt sich nicht auf die Lohnhöhe und damit auch nicht auf Lohnerhöhungen.
Erstellt am 16.08.2022 um 15:10 Uhr von Relfe
" Allerdings kann der BR nicht die Höhe des Budget verhandeln,"
richtig, aber hier wird eine Lohnerhöhung verhandelt, nicht die Verteilung eines Budges.
"Lohnerhöhung verhandeln" bedeutet, dass die "Endsumme" also das Budget noch gar nicht feststeht, sondern verhandelt wird.
So hat es die TE beschrieben.
Erstellt am 16.08.2022 um 17:30 Uhr von rsddbr
Gut, fangen wir bei der Frage an, ob überhaupt MBR vorhanden ist. Das wurde oben verneint. Fitting, §87, Rn.439 erklärt eindeutig die Funktion des §87 Abs. 1 Satz 1. Und richtig @Relfe, die Verhandlung zur Höhe des Budgets ist nicht vom MBR nach §87 gedeckt. Habe ich bereits in meiner ersten Antwort um 12:27 geschrieben.
Es ist jedoch so, dass es - entgegen einiger Äußerungen - eben doch ein umfangreiches Mitbestimmungsrecht bei tarifungebundenen Betrieben gibt. Und dazu zählt auch die Änderung der Entlohnungsgrundsätze, welche gegeben ist, wenn ein zur Verfügung stehendes Budget ungleich verteilt wird. Ausdrücklich erwähnt wird das MBR, wenn einzelne MA bei Gehaltserhöhungen ausgenommen werden oder bei einer ungleichmäßigen Gehaltsanhebung. (Rn.453)
@AraXeeN
"Das MBR erstreckt sich nicht auf die Lohnhöhe und damit auch nicht auf Lohnerhöhungen."
Diese Schlussfolgerung ist leider falsch, bzw. nicht zutreffend. Hier geht es um den kollektiven Tatbestand einer allgemeinen Gehaltsanhebung. (dazu siehe oben zu Rn.453) Das in Rn.419 erwähnte Urteil bezieht sich darauf, dass aufgrund eines Einigungsstellenspruchs in einer BV feste Lohnhöhen standen. Dies ist nicht zulässig.
Erstellt am 16.08.2022 um 19:49 Uhr von ganther
rsddbr
es gibt aber doch nichts zu verteilen, da der AG hier doch noch keinen Topf in Aussicht gestellt hat.... daher geht deine Argumentation in die Leere
Erstellt am 17.08.2022 um 07:25 Uhr von Nikita74
Vielen Dank für eure Antworten. Das hat mir sehr geholfen.
Erstellt am 17.08.2022 um 07:58 Uhr von AraXeeN
@rsddbr
Wie du richtig sagst, besteht ein MBR bei den Verteilungsgrundsätzen. Aber dafür muss es etwas zu verteilen geben! Wenn der ArbG sagt, ich habe soviel € oder % pro Arbeitnehmer zur Verfügung, dann kann der BR über die Verteilung verhandeln.
Der BR kann aber nicht bestimmen, dass der ArbG etwas verteilen muss! Hierfür gibt es kein MBR. Damit verhandelt ihr keine Lohnerhöhung, sondern nur deren Verteilung, dies sind 2 völlig unterschiedliche Sachverhalte. Wenn der ArbG sagt, dieses Jahr gibt es nichts, dann gibt es halt nichts!
Und es ging in der Fragestellung nicht um die Verteilung der Lohnerhöhung, sondern um die Durchsetzung der Lohnerhöhung und dies ist halt nicht möglich.