@alle
Hier einmal eine Rechtsansicht, die durchaus auch andere Schlussfolgerungen zuläßt.
Mandanteninfo 01/2013: Nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung – Arbeitsverhältnis zum Entleiher?
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 09.01.2013 – 15 Sa 1635/12 (Presseerklärung) Beschluss vom 19.12.2012 - 4 TaBV 1163/12 (Presseerklärung)
Die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung führt zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher und gibt dem Betriebsrat einen Grund zur Zustimmungsverweigerung bei der Einstellung
Die Arbeitnehmerüberlassung bedarf nach § 1 Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) der Erlaubnis. Gleichzeitig bestimmt das Gesetz seit seiner Neufassung mit Wirkung zum 01.12.2011(mit einem neu eingefügten Satz 2), dass die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher vorübergehend erfolgt.
Eine Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis führt nach § 10 Abs. 1 AÜG zu einem Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer.
Im Gesetz ist allerdings nicht näher geregelt, wann ein „vorübergehender“ Einsatz anzunehmen ist und welche Rechtsfolgen bei einer nicht nur vorübergehenden Leiharbeit eintreten.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat jetzt in seinem Urteil vom 09.01.2013 im Fall eines Klinikbetreibers angenommen, dass eine auf Dauer angelegte Arbeitnehmerüberlassung von der erteilten behördlichen Erlaubnis nicht gedeckt sei und deshalb ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zustande komme.
Beklagte in diesem Fall war ein Unternehmen, das im Land Brandenburg Kliniken betreibt, in denen die Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes Anwendung finden. Klägerin war eine an einer diesen Kliniken tätige Krankenschwester, die allerdings in einem Arbeitsverhältnis zu einem Personaldienstleistungsunternehmen stand, das demselben Konzern wie der Klinikträger angehört und über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt.
Der Arbeitsvertrag nahm auf die DGB-Tarifverträge der Zeitarbeit Bezug, die deutlich unter den Tarifbedingungen des Öffentlichen Dienstes liegen. Weil das konzerneigene Verleihunternehmen nicht am Markt werbend tätig gewesen sei und seine Beauftragung nur dazu gedient habe, Lohnkosten zu senken oder Kündigungsschutzrechtliche Wertungen ins Leere laufen zu lassen, hat das LAG Berlin-Brandenburg entschieden, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen der Krankenschwester und dem Krankenhausbetreiber zustande gekommen sei.
Hervorzuheben ist, dass das Gericht einen Fall zu entscheiden hatte, bei dem der Arbeitsvertrag zwischen der Krankenschwester und dem Verleihunternehmen noch vor der Gesetzesänderung Ende 2011 zustande gekommen war, also die gesetzliche Neuregelung (Überlassung erfolgt vorübergehend), noch keine Rolle gespielt hat.
Unter anderem diese Tatsache hatte eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (vgl. Urteil vom 16.10.2012 – 7 Sa 1182/12) zu einer gegenteiligen Entscheidung veranlasst. Beide Kammern des Landesarbeitsgerichts haben aber jeweils die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Wenn aber die Einstellung eines Leiharbeitnehmers auf einem Dauerarbeitsplatz gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG verstößt, dann kann der Betriebsrat des Entleiherbetriebs bei der Einstellung seine Zustimmung verweigern (vgl. LAG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12).
Die nach dem Gesetz unzulässige Arbeitnehmerüberlassung ist ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.
Es bleibt abzuwarten wie das Bundesarbeitsgericht zukünftig in diesen Fällen entscheiden wird. In einem Urteil vom 18.07.2012 (Aktenzeichen: 7 AZR 451/11) hat sein 7. Senat für die alte Fassung des AÜG, das die Arbeitnehmerüberlassung im Konzern dann von der Erlaubnispflicht befreit hatte, wenn diese „nur vorübergehend“ erfolgte, entschieden, dass eine solche nur vorübergehende Überlassung voraussetzt, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung „normalerweise“ gegenüber seinem Vertragsarbeitgeber erbringt und lediglich anlassbezogen einer anderen Konzerngesellschaft zur Arbeitsleistung überlassen wird. Der gesetzliche „Normalfall“ der (zulässigen) Arbeitnehmerüberlassung ist aber, dass der Leiharbeitnehmer immer wieder bei verschiedenen Entleihern eingesetzt wird. Wenn aber der Verleiher regelmäßig nur an einen festen Entleihbetrieb überlässt, ein solcher wechselnder Einsatz bei verschiedenen Entleihern also von vornherein gar nicht möglich ist, oder jahrelange Überlassung an den gleichen Entleiher vorliegt, muss von einer nicht vorübergehenden Überlassung i.S.d. Gesetzes ausgegangen werden, die von der erteilten Erlaubnis nicht mehr gedeckt ist. Gute Argumente sprechen also für die Entscheidung der Berliner Richter.
Ob das Bundesarbeitsgericht dieser Auffassung folgen wird, obwohl der Gesetzgeber eine ausdrückliche Sanktion für die „nicht nur vorübergehende“ Überlassung nicht vorgesehen hat, ist aber offen. Mit einer Entscheidung des BAG ist wohl kaum vor Ende dieses Jahres zu rechnen.
Quelle: Gnann, Thauer & Kollegen Kanzlei für Arbeitsrecht