LAG Hamm Beschluss vom 21.08.2001 - 13 TaBV 78/01
Leitsatz
Die Einigungsstelle ist nicht offensichtlich unzuständig für die Behandlung einer Beschwerde einer Abteilungsleiterin, die sich über die personelle Unterbesetzung ihrer Abteilung und die damit verbundene Arbeitsüberlastung beschwert.
Tenor
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der am 29.05.2001 verkündete Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold - 2 BV 14/01 - teilweise abgeändert.
Zum Vorsitzenden der Einigungsstelle zur Behandlung der Beschwerde der Arbeitnehmerin J1xxx-R1xxxxxxx wird der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Peter Schmidt bestellt.
Die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle wird für jede Seite auf zwei festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Normenkette
ArbGG § 98; BetrVG §§ 84-85
Verfahrensgang
ArbG Detmold (Entscheidung vom 29.05.2001; Aktenzeichen 2 BV 14/01)
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Errichtung einer Einigungsstelle.
Der am Verfahren beteiligte Arbeitgeber betreibt Warenhäuser. Antragsteller ist der in der Filiale in D1xxxxx bestehende Betriebsrat. Vorsitzende des Betriebsrats ist Frau J1xxx-R1xxxxxxx. Sie ist zugleich Leiterin der Abteilung „Damen-Oberbekleidung” (DOB).
Unter dem 28.11.2000 wandte sich Frau J1xxx-R1xxxxxxx mit der folgenden schriftlichen Beschwerde an den Betriebsrat:
„Frau U2xxxx J1xxx-R1xxxxxxx, Abteilungsleiterin DOB und BR-Vorsitzende
Beschwerde nach § 85 BetrVG an den Betriebsrat
mit der Bitte mein Anliegen in der nächsten Sitzung zu behandeln und Abhilfe zu schaffen.
Die momentane und zukünftige Personalplanung (2001) benachteiligt mich als BR-Mitglied in unzumutbarer Art und Weise.
- Die von mir geleistete BR-Arbeit (in Stunden auf Umbuchungsbelegen monatlich dokumentiert) findet auf Kosten der Beschäftigten des Abteilungsbereiches 030/DOB statt, da es für mich keinen Ersatz gibt.
- Meine beiden Stellvertreter (1.Kräfte)
Frau S6xxxxxxxxxx
1,0 VB
Frau K3xxx
0,7 VB
sind durch die knappe Personalbemessung so stark in die Verkaufstätigkeiten eingebunden, daß es ihnen nicht möglich ist mich in meinen betriebsratsbedingten Abwesenheitszeiten in vollem Umfang zu vertreten.
- Die laut Aussage von Frau F2xxxxxx GL, stattfindende Umbuchung von pauschal 50 Stunden, aus der Abteilungsgruppe 030/DOB auf das Konto des Betriebsrates ist für mich nicht nachvollziehbar. Sie wäre willkürlich festgelegt und würde sich keineswegs an den vom mir tatsächlich geleisteten Stunden orientieren.(siehe monatliche Umbuchungsbelege) Die von Frau F2xxxxxx mit Schreiben vom 03.11.00 zugesagte Einsicht in die Buchungslisten wurden mir bisher nicht gewährt. Falls eine solche Umbuchung tatsächlich stattfinden würde, würde diese bei den getätigten Umsätzen, zu einer weiteren Erhöhung überproportional hohen Pro Kopf-Leistung und einer Unterschreitung der geplanten Personalkosten und VB Zahlen führen. Das bedeutet faktisch, daß die Mitarbeiter der DOBzweimal dafür bestraft werden das die Abteilungsleiterin Betriebsratsmitglied, in diesem Fall Vorsitzende ist.
- An der Arbeitssituation würdet diese interne Verschiebung von Kosten im übrigen nichts ändern, da ja trotz der Vorhersehbarkeit der Betriebsratstätigkeit ein entsprechender Ersatz nicht gestellt wird. Als Abteilungsleiter werden an mich aber die gleichen Anforderungen gestellt wie an alle anderen Abteilungsleiter.
- So wird eine Mitarbeiterin die im November Erziehungsurlaub angetreten hat für das Jahr 2001 einfach nicht qualifiziert ersetzt, obwohl sie mit dem E1xxxx-S7xx einen Bereich betreut hat der fast 1,0 Millionen DM Umsatz für das Jahr 2001 erbringen soll.
- In 2 Gesprächen, die in der 42. und 32. Kalenderwoche stattgefunden haben, wurde mir von OL/PL Herrn R3xx auf die Frage warum die geplante Personalbesetzung 2001 für die Abteilung 030/DOB noch niedriger ist als die im laufenden Jahr 2000 schon unterschrittene, zur Antwort gegeben „es müsse gespart werden”.
Die überproportional hohe Steigerung der PKL wurde mit der Aussage begründet, „man möchte andere Abteilungsgruppen nicht benachteiligen, die in diesem Jahr eine so hohe PKL hatten (übrigens wegen akuten Personalmangel) und man hätte zur Berechnung die Durchschnitte PKL des Hauses zugrunde gelegt”.
- In einem dritten Gespräch in Anwesenheit von GL Frau F2xxxxxx konnte keine Übereinkunft über die Ersetzung der fehlenden Arbeitskraft erzielt werden, vielmehr wurde mir im Verlauf des Gespräches unter anderem ein kleinerer Abteilungsbereich angeboten.
- Die DOB mit knapp 950 qm ist übrigens der einzige Bereich in dem es nur zwei 1.Kräfte gibt. Alle Anderen in Große und Arbeitsumfang (20 verschiedene Bereiche) vergleichbaren OZF's, verfügen über mindestens drei 1.Kräfte und in zwei Fällen sogar zusätzlich über einen Substituten.
Um diese Benachteiligung schnellmöglichst zu beenden, wende ich mich nunmehr an den Betriebsrat.
U. J1xxx - R1xxxxxxx”
Der Betriebsrat, der die Beschwerde für berechtigt hält, leitete die Beschwerde mit Schreiben vom 22.12.2000 an den Arbeitgeber weiter (Bl. 6 f. d.A.). Arbeitgeber und Betriebsrat haben in der Folgezeit keine Einigung über die Berechtigung der Beschwerde erzielt.
Der Betriebsrat hat beantragt,
1.
unter dem Vorsitz von Herrn Peter Schmidt, Richter am Landesarbeitsgericht Hamm, eine Einigungsstelle einzurichten zur Behandlung der Beschwerde der Arbeitnehmerin, Frau J1xxx-R1xxxxxxx,
2.
die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle für jede Seite auf drei Personen festzulegen.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig. Gegenstand der Beschwerde seien Rechtsfragen. Außerdem gebe die Beschwerde die tatsächlichen Gründe für die Beschwerde nicht in dem erforderlichen Mindestmaß konkret an.
Durch einen am 29.05.2001 verkündeten Beschluss hat das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betriebsrat mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde. Der Betriebsrat trägt vor, in der Beschwerde gehe es nicht um die Freistellung der Betriebsratsvorsitzenden für Betriebsratstätigkeit. Diese Freistellung gewähre der Arbeitgeber. Die Beschwerdeführerin beanstande, dass der Arbeitgeber die Unterbesetzung in der Abteilung nicht ändere.
Der Betriebsrat beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses nach den Schlussanträgen des Betriebsrates in erster Instanz zu erkennen.
Der Arbeitgeber beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Arbeitgeber trägt vor, Gegenstand der Beschwerde sei ein Rechtsanspruch. Daher sei die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig. Jedenfalls sei die Einigungsstelle insoweit offensichtlich unzuständig, als mit der Beschwerde die angebliche Überbelastung der anderen Mitarbeiter der Abteilung geltend gemacht werde. Insoweit handele es sich um eine Popularbeschwerde. Außerdem habe die Beschwerdeführerin keine konkreten, die Beschwerdeführerin betreffenden Beeinträchtigungen vorgetragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II
Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist überwiegend begründet.
Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG können Anträge auf Errichtung einer Einigungsstelle wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Die Einigungsstelle ist hier nicht offensichtlich unzuständig. Gemäß § 85 Abs. 2 BetrVG kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, wenn zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung einer Beschwerde eines Arbeitnehmers bestehen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Dies gilt nicht, soweit Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch ist.
Hier bestehen Meinungsverschiedenheiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Berechtigung der Beschwerde der Arbeitnehmerin J1xxx-R1xxxxxxx.
Das Landesarbeitsgericht teilt die Auffassung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 21.12.1993 - 8 (5) TaBV 92/93 - NZA 1994, 64 f.) und des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (Beschluss vom 13.03.2000 - 15 TaBV 4/99 - Ab 2000, 760 f.), wonach für die Beschwerde eines Arbeitnehmers über seine Arbeitsüberlastung die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig ist.
Allerdings liegt eine Beschwerde im Sinne der §§ 84, 85 BetrVG nur vor, wenn der Beschwerdeführer eine ihn selbst treffende Beeinträchtigung mitteilt (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 21.12.1998 - 4 TaBV 42/98 - NZA 1990, 703 f.). Hier bezieht sich die Beschwerde der Arbeitnehmerin auf die von der Arbeitnehmerin vorgetragene personelle Unterbesetzung der Abteilung und die damit verbundenen Arbeitsüberlastung. Zwar weist die Beschwerdeführerin mehrfach nicht auf ihre eigene Überbelastung hin, sondern auf die Überlastung der anderen Mitarbeiter der Abteilung. Gleichwohl handelt es sich auch insoweit nicht um eine Popularbeschwerde. Denn hier beschwert sich die Abteilungsleiterin über die ihrer Auffassung nach zu knappe Personalbemessung in ihrer Abteilung und die damit verbundene Arbeitsbelastung. Die für eine Abteilung zuständige Abteilungsleiterin ist aber selbst betroffen, wenn der Arbeitgeber der Abteilung zu wenig Personal zuweist und damit der Abteilungsleiterin die Erfüllung ihrer Aufgaben erschwert. Ob eine solche Arbeitsüberlastung tatsächlich vorliegt, ist hier nicht zu beurteilen; das ist Sache der Einigungsstelle.
Die Beschwerdeführerin hat auch hinreichend deutlich gemacht, woraus sich nach ihrer Auffassung die Beeinträchtigung ihrer Belange ergibt. Aus der Beschwerde konnte der Arbeitgeber ohne weiteres erkennen, worum es ging: Die Abteilungsleiterin beanstandet die nach ihrer Auffassung zu geringe personelle Ausstattung ihrer Abteilung und die damit verbundene Arbeitsüberlastung.
Nach alledem ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig.
Gegen die Person des vom Betriebsrat vorgeschlagenen Einigungsstellenvorsitzenden bestehen auch seitens des Arbeitgebers keine Bedenken.
Unbegründet ist die Beschwerde des Betriebsrats aber, soweit er die Bestellung von mehr zwei Besitzern je Seite begehrt. Die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle war auf zwei je Seite festzusetzen. Denn damit hat jede Seite die Möglichkeit, einen Betriebsangehörigen und einen Außenstehenden zu bestellen und so betriebliche Kenntnisse und externe Fachkenntnisse für die Einigungsstelle nutzbar zu machen. Mehr als zwei Beisitzer je Seite sind hier nicht erforderlich.
Unterschriften
gez. Schlegel