BAG: Feststellung der Erforderlichkeit einer Betriebsratsschulung nur bei Angabe von Zeit und Ort der Veranstaltung möglich
BetrVG §§ 37 VI, 40 I; ZPO § 253 II Nr. 2
Ein Antrag auf Feststellung, dass der Arbeitgeber die Kosten für eine Betriebsratsschulung zu übernehmen hat, ist nur hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 II Nr. 2 ZPO, wenn zeitliche Lage und Ort der Veranstaltung genannt werden. Die bloße Nennung von Thema und Veranstalter genügt nicht. Eine Rhetorikschulung kann erforderlich gemäß § 37 VI 1 BetrVG sein, wenn das zur Schulung entsandte Betriebsratsmitglied nach den Verhältnissen im Betrieb und im Betriebsrat die vermittelten Kenntnisse grundsätzlich zur sach- und fachgerechten Erfüllung seiner Aufgaben benötigt. (red. Leitsatz)
BAG, Beschluss vom 12.01.2011 - 7 ABR 94/09 (LAG Hamm 13.03.2009 – 13 TaBV 144/08), BeckRS 2011, 70754
Entscheidung
Das BAG hat der Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin stattgegeben und den Antrag abgewiesen. Der Antrag ist nach Ansicht des BAG zu unbestimmt und deshalb bereits unzulässig. Zwar sprächen die Funktionen des BR-Vorsitzenden, die Leitung eines größeren Gremiums sowie von Betriebsversammlungen mit regelmäßig 400 Arbeitnehmern grundsätzlich für die Erforderlichkeit der Rhetorikschulung. Um die Erforderlichkeit abschließend beurteilen zu können, müssten aber zeitliche Lage und Ort der Veranstaltung feststehen. So müsse der Betriebsrat nach § 37 VI 3 BetrVG bei der zeitlichen Lage der Schulung die betrieblichen Notwendigkeiten berücksichtigen. § 37 VI 4 BetrVG sehe vor, dass der Betriebsrat dem Arbeitgeber Teilnahme und zeitliche Lage der Veranstaltung rechtzeitig bekannt zu geben hat. Die berechtigten Belange des Arbeitgebers könnten somit nur dann ausreichend bedacht werden, wenn Ort und Zeit der Schulung feststehen. Daran fehle es hier. Nach dem Antrag bleibe unklar, zu welcher konkreten Schulung der Betriebsrat seinen Vorsitzenden entsenden will. Eine Entscheidung würde zu einer hypothetischen Veranstaltung zu irgendeinem Zeitpunkt an irgendeinem Ort ergehen. Da der Antrag weder zeitliche Lage noch Ort der Schulungsveranstaltung nennt, werde er den Anforderungen des § 253 II Nr. 2 ZPO nicht gerecht.
Praxishinweis
Der BR kann nicht im Vorhinein im Hauptsacheverfahren gerichtlich klären lassen, ob ein bestimmter Seminartyp bei einem Veranstalter generell erforderlich ist, und dann im Nachhinein „gefahrlos“ sein Mitglied zu einer konkreten Veranstaltung diesen Typs entsenden. Durch das Erfordernis, bereits Zeit und Ort genau zu benennen, ist es dem Betriebsrat nahezu unmöglich, vor dem Schulungsbesuch eine rechtskräftige Entscheidung herbeizuführen. Das jeweilige Mitglied trägt das Risiko, am Ende selbst auf den Kosten einer nicht erforderlichen Schulung sitzenzubleiben. Es ist streitig, unter welchen Voraussetzungen das ArbG die Teilnahme durch einstweilige Verfügung gestatten kann. Dies ist jedenfalls zweifelhaft, wenn über einen längeren Zeitraum mehrere Schulungstermine zur Verfügung stehen (vgl hierzu Fitting, BetrVG, 25. Aufl. 2010, § 40 Rn. 252 mwN).
Quelle: ArbRAktuell 2011, RA Dr. Jens Günther, Gleiss Lutz, Düsseldorf