Es ist nicht ganz so einfach wie vom Kollege/in Kölner beschrieben .
1. Muss ich Christ sein, um für Caritas oder Diakonie zu arbeiten?
Zunächst gilt: Das staatliche Arbeitsrecht findet grundsätzlich auch in kirchlich getragenen Einrichtungen wie der Caritas, dem Diakonischen Werk oder dem Kolpingwerk Anwendung. Es wird aber in vielen Punkten modifiziert. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Diskriminierungen wegen der Religionszugehörigkeit oder sexuellen Orientierung verbietet, gilt für kirchliche Arbeitgeber nicht. Sie dürfen im Vorstellungsgespräch fragen, ob man regelmäßig betet, sie dürfen nichtreligiöse Bewerber ablehnen und einen Höchstanteil der Nichtchristen in der Belegschaft festlegen.
2. Darf ein kirchlicher Arbeitgeber mein Privatleben kontrollieren?
Auch der kirchliche Arbeitgeber darf die Grundrechte seiner Mitarbeiter nicht verletzen. Der Intimbereich bleibt tabu – darunter fällt das persönliche Gespräch zu Gott oder die Beichte. Aber im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts dürfen kirchliche Arbeitgeber eine christliche Lebensführung auch im außerdienstlichen Bereich verlangen. Diese Pflicht trifft grundsätzlich alle Mitarbeiter von der Geschäftsführerin bis zum Putzmann. Dabei gelten jedoch Abstufungen: Eine geschiedene Gärtnerin ist eher zu tolerieren als ein Jugendarbeiter, der die Existenz Gottes leugnet. Auch der Wertewandel spielt bei der Beurteilung von Eingriffen eine Rolle: So ist es zumindest in der evangelischen Kirche weitgehend akzeptiert, dass das erste Kind vor der Ehe zur Welt kommt – zumindest wenn das Paar verlobt ist. Dagegen haben es Schwule und Lesben in der katholischen Kirche noch schwer. Zwar hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg einem schwulen katholischen Heilerziehungspfleger schon 1993 den Anspruch auf einen Ausbildungsplatz zuerkannt. Der Betroffene lebte seine Homosexualität im Berufsalltag aber nicht aus (Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg, Az. 11 Sa 39/93).
3. Darf ich entlassen werden wegen unchristlichen Lebenswandels?
Das Kündigungsschutzgesetz gilt zwar auch in kirchlichen Einrichtungen. Die Gerichte prüfen aber Kündigungsfälle nur eingeschränkt, nämlich darauf, ob sie keine Ermessensfehler aufweisen und mit den von der Kirche aufgestellten Arbeitsbedingungen übereinstimmen. So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Jahr 2004 die Kündigung eines katholischen Kirchenmusikers gebilligt, dessen zweite Ehe nach seiner Einstellung bekannt wurde. Eine Ehe einzugehen, die nach Glaubensverständnis und Rechtsordnung der Kirche ungültig ist, sei „ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß“ (Az. 2 AZR 447/03). Bei Mormonen ist eine Kündigung übrigens schon wegen Ehebruchs zulässig (BAG Az. 2 AZR 268/96). Der Austritt aus der Kirche ist ebenso ein Kündigungsgrund wie ein privater Leserbrief von Ärzten eines kirchlichen Krankenhauses zum Thema Abtreibung (LAG Mainz, Az. 11 Sa 428/96; Bundesverfassungsgericht Az. 2 BvR 1703/83).
Umgekehrt können religiöse Angestellte eines weltlichen Unternehmens nicht ohne Rücksicht auf ihre Religionsfreiheit entlassen werden: So erklärte das LAG Hamm die Kündigung eines strenggläubigen Baptisten für unwirksam, der sich geweigert hatte, sonntags zu arbeiten. Der Arbeitgeber hätte prüfen müssen, ob er den Mann nicht in einem anderen Schichtplan einsetzen könne (Az. 15 Sa 271/07).
4.Wer vertritt meine Interessen?
Weder das Personalvertretungsgesetz noch das Betriebsverfassungsgesetz gelten in der Kirche oder in kirchlichen Organisationen (§ 118 II BetrVG, § 112 BPersVG). Die Kirchen haben eigene Mitarbeitervertretungen geschaffen: In der katholischen Kirche gilt die „Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung“, in der evangelischen Kirche das „Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der evangelischen Kirche in Deutschland“. Den Mitarbeitervertretern stehen Informations- und Beteiligungsrechte zu, ihre Position ist aber schwächer als in weltlichen Betrieben. In Einzelfällen sind Dienstvereinbarungen möglich, das Pendant zur Betriebsvereinbarung. Pastorale Tätigkeiten, etwa von Geistlichen, dürfen die Kirchen sehr frei gestalten.
5. Sind kirchliche Einrichtungen streikfreie Zonen?
Im Frühjahr 2007 rief die Gewerkschaft Verdi zu Warnstreiks bei der Diakonie auf – das erste Mal seit dem Jahr 1919. Der Streik war ein juristischer Affront, denn nach Ansicht der meisten Arbeitsrechtler dürfen Mitarbeiter kirchlicher Organisationen nicht an Arbeitskämpfen teilnehmen. Artikel 140 Grundgesetz verleihe den Kirchen einen Sonderstatus, sie könnten auch ihr Arbeitsrecht selbst bestimmen. Dagegen pochen die Gewerkschaften auf die Koalitionsfreiheit aus Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz, die auch für Mitarbeiter in Klöstern, Krankenhäusern oder Altenheimen unter kirchlicher Trägerschaft gelte. Der Streit wurde noch nicht gerichtlich entschieden.
6.Gelten weltliche Tarifverträge für kirchliche Einrichtungen?
Nein – von wenigen Ausnahmen abgesehen. Bis heute sind die Gewerkschaften nicht Tarifpartner der Kirchen. Stattdessen bestimmen paritätisch besetzte Ausschüsse aus Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer Arbeitszeit und Gehalt der Mitarbeiter. Als Grund für den Sonderweg gilt die Unzulässigkeit von Arbeitskämpfen in kirchlichen Einrichtungen. Großen Zulauf haben Verdi & Co. in dieser Branche ohnehin nicht: Der Organisationsgrad der Beschäftigten ist unterdurchschnittlich.
7.Welche Gerichte sind zuständig?
Für Konflikte im Bereich des Mitarbeitervertretungsrechts – zum Beispiel das Wahlrecht oder die Wählbarkeit in die Mitarbeitervertretung – sind kirchliche Gerichte zuständig. Dagegen werden Kündigungen von den staatlichen Arbeitsgerichten geprüft. So hat das LAG Düsseldorf entschieden, dass eine Kündigung ohne die vorgeschriebene Beteiligung der Mitarbeitervertretung unwirksam ist (Az. 16 Sa 1416/90).
8.Können sich Arbeitgeber zu Kirchen erklären und Mitarbeiterrechte einschränken?
Nein, Religionsgemeinschaften im Sinne des Arbeitsrechts sind nur die großen öffentlich-rechtlich organisierten Kirchen sowie privatrechtlich organisierte nichtchristliche Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Nicht dazu zählen polytheistische Glaubensrichtungen wie der Schamanismus oder die Rosenkreuzer, Sonnentempler und Satanisten. Auch das „Scientology“-Unternehmen ist keine Religionsgemeinschaft (BAG Az. 5 AZB 21/94).