Gerade erst gefunden. Daher noch ein Kommentar meinerseits, auch wenn der Thread schon älter ist.
Ich für meinen Teil sehe hier teilweise vorschnelle Antworten ohne die gesamte Situation zu kennen. Das kann aufs Glatteis führen oder gefährliche Situationen heraufbeschwören.
Zitat Lexware: "Nicht dem Mitbestimmungsrecht unterliegen dagegen Ehrlichkeitskontrollen oder der Einsatz von Privatdetektiven sowie alle Maßnahmen, die sich nur konkret gegen einen Arbeitnehmer richten." Quelle: https://www.lexware.de/artikel/mitarbeiterkontrollen-was-erlaubt-ist-und-was-nicht/
Auch andere Quellen nennen unisono die Führung eines Tagesberichtes als zumutbar für einen Zeitraum von 1 bis 3 Monaten. z.B. https://www.juraforum.de/ratgeber/arbeitsrecht/kontrolle-am-arbeitsplatz-was-darf-der-arbeitgeber-alles
Auch wenn AN das nicht gerne hören, mir ist keine einzige seriöse Quelle bekannt, welche die Führung von Tagesbericht / Arbeitsprotokoll / Arbeitsnachweis / Tätigkeitsnachweis o.ä. als unzulässig erachtet, auch wenn nur einzelne AN betroffen sind.
D.h. verdächtigt der AG einen AN des Arbeitszeitbetruges, der Bummelei oder ähnliches, dann ist das Aufschreiben der Tätigkeiten - zumindest über einen beschränkten Zeitraum - die Maßnahme, welche die geringste Auswirkung auf das Persönlichkeitsrecht hat, zumal diese Maßnahme auch dazu geeignet ist, den Mitarbeiter zu entlasten und keine echte Überwachung gegeben ist, wie z.B. beim Einsatz von Kameras. Es ist immer noch eine Selbstaufschreibung und keine Dokumentation durch Dritte. Der Arbeitgeber kann also gar nicht prüfen, ob der Mitarbeiter wirklich 30 Minuten für eine Arbeit gebraucht hat, oder vielleicht nur 25 Minuten und in den restlichen 5 Minuten einen Kaffee holen war oder 5 Minuten schweigend über den Vorgang (oder was auch immer) nachgedacht hat.
Trägt der Arbeitgeber zu dem auch noch vor, dass er den Verdacht hat, dass der Mitarbeiter nicht in der Lage ist, die gestellten Aufgaben innerhalb der Normalarbeitszeit zu erledigen und dient diese Maßnahme dazu die Aufgaben gleichmäßig zu verteilen, dann dürfte m.E. von Seiten des Betriebsrates überhaupt kein Mitbestimmungsrecht vorliegen. Ich gehe sogar so weit, dass eine vorherige Information des Betriebsrates nicht notwendig ist, zumindest fällt mir gerade nicht ein, woraus sich in diesem Fall die Informations-/Mitbestimmungspflicht ergeben sollte. Die Kontrolle dürfte damit auch in jedem Fall in einem angemessenen Verhältnis zum Überwachungszweck stehen. Bei dem von mir genannten Grund vom AG kommt er zudem formaljuristisch seiner Pflicht zum Schutz der Gesundheit des AN nach (ob er auch wirklich diese Ziele verfolgt, kann sich erst in der Zukunft nach den Protokollen zeigen). Hat er aber einen anderen Grund die Protokolle anzufertigen als den, den er genannt hat, dann ist fraglich in wie weit diese Protokolle verwendbar sind, da sich aus einem anderen Grund durchaus ein Mitbestimmungsrecht / vorherige Informationspflicht ergeben könnten.
Ich für meinen Teil halte vor allem den umgekehrten Fall für bedenklich, wenn nämlich alle AN aufschreiben sollen, was sie tun und wie lange sie dafür brauchen. Daraus würden sich Rückschlüsse auf die Produktivität des AN im Vergleich zu anderen ziehen lassen. Hierfür ist m.E. tatsächlich die Zustimmung des BR notwendig.
Einzige Ausnahme für eine detaillierte Aufzeichnung wäre m.E. falls der überwachte AN selbst BR-Mitglied ist wie hier. In diesem speziellen Fall dürfte den Aufzeichnungen genüge getan sein, wenn in dem Protokoll "z.B. Betriebsratsarbeit 2h" aufgeführt ist, da die Tätigkeit als BR-Mitglied einem besonderen Schutz und der Vertraulichkeit unterliegt. Insofern dürfte der AG kein Recht haben, mehr über die jeweilige Tätigkeit zu erfahren. Ob das BR-Mitglied in der Zeit mit Sitzungen beschäftigt ist, Mitarbeiter berät oder sich weiterbildet dürfte m.E. relativ unerheblich sein und hat im Bericht nichts verloren. Einziges Risiko das ich hier sehe wäre, wenn das BR-Mitglied allein Pause macht und dies als Betriebsratsarbeit im Bericht tituliert (aber so blöd ist hoffentlich niemand).
Allerdings sehe ich auch keinen Grund, warum der Kollege das Protokoll grundsätzlich verweigern dürfte. Gerade bei einem nicht freigestellten BR-Mitglied dürfte der AG ein deutliches Interesse daran haben, festzustellen, zu wie viel % der Kollege mit welcher Tätigkeit beschäftigt ist und wie dieser aktuell eingesetzt werden kann. Auch die geforderte stundengenaue Aufschreibung wäre hier m.E. im Rahmen. Es geht ja auch nicht darum, jeden Handschlag aufzuschreiben (denn das dürfte Schikane sein), sondern sich ein Bild zu machen, wie lange er für bestimmte Tätigkeiten braucht (also z.B. Anlage von Auftrag "Solaranlage für Musterhaus GmbH" in SAP 0,5 Std.). Aus meiner Sicht auch okay wäre z.B. eine Aufschreibung in der Form 9:15 bis 9:45 Uhr "Auftrag Solaranlage für Musterhaus GmbH". Nicht in Ordnung wäre aber z.B. die Forderung "9:11-9:12 Email Max Muster beantwortet, 9:12-9:13 "Fenster geöffnet wegen der Hitze". In letztgenanntem Beispiel dürfte tatsächlich Schikane zu sehen sein, wobei einzelne Quellen sogar die minutiöse Aufschreibung als gerechtfertigt ansehen. Ich für meinen Teil gehe davon aus, dass diese Quellen das Format 9:15-9:45 Uhr meinen und nicht 9:11-9:12. Insofern ist auch fraglich, was mit minutiös tatsächlich gemeint ist.
Fraglich dürfte maximal sein, ob der AG eine andere Möglichkeit hat, sich über die Tätigkeit des AN zu informieren. Da jedoch offene Möglichkeiten den verdeckten vorzuziehen sind, dürfte trotzdem das Protokoll die Maßnahme sein, welche den AN am wenigsten belastet / in seinen Rechten beeinträchtigt. Und auch wenn der AN schon seit 20 oder mehr Jahren im Betrieb ist und selbst wenn er seit dem die gleiche Tätigkeit verrichtet, dürfte sich die Arbeitsbelastung schon durch den Strukturwandel und die aktuellen technischen Möglichkeiten verändert haben. Aus der Betriebszugehörigkeit und der Dauer des Einsatzes auf dem Arbeitsplatz lässt sich m.E. kein Recht auf Verweigerung des Protokolls herleiten.
In dem vorliegen Fall sehe ich das Direktionsrecht des AG nicht überschritten und wäre hier sehr vorsichtig damit, die geforderte Protokollierung nicht zu machen, da dies eine durchaus gerechtfertigte Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung nach sich ziehen könnte, auch wenn sich daraus dann schlussendlich keine Kündigungsmöglichkeit des Kollegen ergeben dürfte, da das BR-Gremium sicher nicht zustimmen wird und das Arbeitsgericht vermutlich die Zustimmung nicht ersetzen wird. Der AG wird sich m.E. dieses Risikos und der damit verbundenen Kosten durchaus bewusst sein.
Achtung: die vorgenannte Einschätzung bezieht sich ausschließlich auf Personen die selbst BR-Mitglied sind. Für normale AN sehe ich hier durchaus das Risiko einer verhaltensbedingten Kündigung im Wiederholungsfall. Sollten Sie eine solche Abmahnung als normaler AN bekommen haben, bitte nicht unterschreiben. Holen Sie sich bei Bedarf anwaltlichen Rat. Ohne anwaltlichen Rat (Anwalt, NICHT BR!) würde ich auch auf die Abgabe einer Stellungnahme zur Abmahnung abraten, da sie sich hier schnell selbst belasten können, zudem gibt es keine Frist in der die Stellungnahme abgegeben sein muss, auch wenn eine zeitnahe Abgabe anzuraten ist.