Beschädigung einer Brille bei der Arbeit - Entschädigung durch Berufsgenossenschaft
Immer wieder passiert es, dass in Krankenhäusern, insbesondere in der Psychiatrie,in Altenheimen, Kindergärten,Kindertageseinrichtungen,Einrichtungen der
Behindertenhilfe etc. die Brillen des Personals von den Patienten/Betreuten beschädigt werden.In der Vergangenheit sah sich der Einrichtungsträger oftmals mit
entsprechenden Schadenersatzforderungen seiner Mitarbeiter konfrontiert. Im Rahmen der Betriebs-Haftpflichtversicherung galt es dann regelmäßig die Frage zu klären, ob der Arbeitgeber für die so genannten Brillenschäden tatsächlich haftet.
Diese Diskussion dürfte jetzt ein Ende haben.
Grundsätzlich Schadenersatz durch Berufsgenossenschaft
In seiner Entscheidung vom 20.02.2001 (AZ: B 2 U 9/00 R) stellt das Bundesso-zialgericht nämlich fest, dass die Berufsgenossenschaft grundsätzlich verpflichtet ist, auch derartige Brillenschäden zu ersetzen.
In dem zu entscheidenden Fall vertrat die beklagte BG die Auffassung, sie sei lediglich verpflichtet, die Festbeträge entsprechend den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu erstatten. Das Gericht stellte jedoch klar, das der Ersatzanspruch des Geschädigten nicht auf die Festbeträge der gesetzlichen Kranken-Versicherung beschränkt ist.
Zwar gelten diese Festbeträge auch in der gesetzlichen Unfall-Versicherung. Jedoch erstrecken sie sich ausschließlich auf die Heilbehandlung nach dem Versicherungsfall,
wenn also beispielsweise beim Arbeitsunfall die Augen geschädigt werden und deshalb eine Brille verschrieben werden muss. Soweit aber ein Hilfsmittel (gemäß § 8 Abs. 3 SGB VII) zu ersetzen ist, greift eine Sonderregelung (§ 27 Abs. 2 SGB VII), wonach das beschädigte oder verloren gegangene Stück wiederhergestellt oder erneuert werden muss. Nach Meinung des Gerichts beziehen sich die Festbetrags-regelungen nicht auf die Sondernorm. Das bedeutet, dass die Brillenschäden von der BG grundsätzlich voll zu ersetzen sind.
Allerdings macht das BSG zwei Einschränkungen.
Prinzip der Naturalrestitution
Zum einen ist nach dem Prinzip der Naturalrestitution (das auch dem Schadenersatzrecht und mithin den Haftpflichtversicherungen zugrunde liegt) nur den tatsächlich eingetretene Schaden zu ersetzen. Das heißt, die BG ist verpflichtet, den Zustand wieder herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der geschädigte Mitarbeiter hat also „nur" Anspruch auf die Wiederherstellung oder Erneuerung der Brille, die beschädigt oder zerstört worden ist,
so dass es regelmäßig darauf ankommt, welche Art und Güte die beschädigte oder zerstörte Brille hatte.
Kein Ersatz für Luxusausführungen
Darüber hinaus ist der Ersatzanspruch, so das Gericht, dadurch begrenzt, dass Ersatz für Luxusausführungen nicht verlangt werden kann. Entscheidend für diese Begrenzung ist der Umstand, dass es sich bei der Sonderregelung des § 27 Abs. 2 SGB VII im Grundsatz um einen auf vollständige Naturalrestitution gerichteten Schadener-satzanspruch handelt, der sich aber nur auf Hilfsmittel bezieht. Andere Sachen
sind von vornherein nicht Gegenstand dieser Sondervorschrift. Hilfsmittel sind Sachen, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen. Das würde bedeuten, dass nur die Brille/Sehhilfe als Hilfsmittel anzusehen ist, die zum Ausgleich der im Einzelfall
bestehenden Sehstörung medizinisch erforderlich ist, so dass auch eine medizinisch nicht notwendige Gestaltung der Gläser den Begriff des Hilfsmittels insoweit nicht erfüllen würde. Die Auflösung dieses Spannungsverhältnisses zwischen der Reichweite des
Schadenersatzanspruches und der begrifflichen Eingrenzung als Hilfsmittel führt dazu, als Hilfsmittel im Sinne des § 27 Abs. 2 SGB VII auch diejenigen Sachen anzusehen, die zum Ausgleich einer Behinderung zwar medizinisch nicht unbedingt notwendig sind, ihm aber doch noch sinnvollerweise dienen. Als Beispiel hierfür wäre etwa die Ausstattung mit Gleitsichtgläsern (bei einem Kurz- und Weitsichtigen) oder mit entspiegelten oder getönten Gläsern anzusehen. Auch Kontaktlinsen wären davon erfasst.
Dem gegenüber scheiden Sachen aus, die darüber hinausgehend luxuriös gestaltet sind und im Wesentlichen nicht mehr dem Ausgleich der Behinderung, sondern der Zierde und dem Schmuck des Trägers dienen. In dem von dem Bundesso-zialgericht zu entscheidenden Fall ging es um 168,- DM für das Brillengestell und 2 x 549,-- DM für die Gläser. Bei diesen Größenordnungen sah das Bundessozialgericht keine Anhaltspunkte, dass es sich um einen Luxusartikel handeln könnte.
Als Ergebnis bleibt also festzuhalten, dass die Berufsgenossenschaft nicht nur bei Personenschäden, sondern auch bei Brillenschäden eines Mitarbeiters eingeschaltet werden kann.
Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es für eine Regulierung/Ersatzleistung durch die Berufsgenossenschaft - anders als bei der Betriebs-Haftpflichtversicherung - nicht an.
Werner Müller