§ 11 BetrVG regelt ja nur den Fall, daß in einem Betrieb nicht genügend "wählbare" AN beschäftigt sind. Dabei wird in § 8 BetrVG definiert, wer als "wählbar" zu gelten hat: nämlich alle Kollegen, die das passive Wahlrecht haben (unabhängig davon, ob sie davon Gebrauch machen oder nicht, also unabhängig davon ob sie kandidieren oder nicht). Legt man das Wort "wählbar" derat strikt aus, ist der Fall, daß nicht genügend Kollegen kandidieren während genügend wählbare Kollegen beschäftigt sind, im § 11 BetrVG gar nicht angesprochen. Diesen Fall kann man nur hineinlesen, wenn man vor dem § 8 BetrVG die Augen verschließt und das Wort "wählbar" in einem umgangssprachlich weiteren Sinn interpretiert. Die meisten Kommentatoren tun das. Aber der Gemeinschaftskommentar zum BetrVG folgt leider der engeren Interpretation, ebenso W.A.F., auf deren Seiten steht:
"Wenn innerhalb dieser Nachfrist nicht mindestens eine gültige Vorschlagsliste mit einer
ausreichenden Zahl von Bewerber/-innen eingeht, kann der Wahlgang nicht stattfinden."
(https://www.betriebsratswahl.de/system/betriebsratswahl/downloads/vordrucke/125a_aushang_nachfrist_zur_einreichung_von_wahlvorschlaegen.pdf)
Demnach wäre eine ausreichende Anzahl von Bewerber/innen eine Vorraussetzung, daß die Wahl überhaupt stattfinden kann. Das liest sich für mich wie eine Steilvorlage für Chefs, die einen BR ausschalten wollen, dessen Mitgliederstärke reduziert wurde. Mich interessieren nun die Chancen für so ein Wahlanfechtungsverfahren und vor allem natürlich, wie man am besten bei der Wahl vorgeht, um durch so ein Anfechtungsverfahren möglichst sicher durchzukommen. Wann genau muß die Herabsetzung der Größe des BR angekündigt werden? Ich vermute ja auch, daß es am sichersten ist, bei zu wenig Kandidaten erst eine Nachfrist zu setzen und gleichzeitig die Möglichkeit einer Herabsetzung der BR-Stärke zu erklären und erst direkt nach Ablauf dieser Nachfrist erforderlichenfalls die BR-Stärke zu reduzieren. 100%ig sicher bin ich mir da aber nicht, ich habe keine Quelle gefunden, wo es so als Standardvorgehen vorgeschlagen wird. Nicht bei WAF und nicht im immerhin über 100 Seiten dicken Wahlleitfaden von verdi. Was wird nun, wenn der AG die Wahl anfechtet und der Arbeitsrichter der vom mainstream abweichenden Ansicht des Gemeinschaftskommentars von Wiese etc folgt?