@Betriebsratten,
Ich möchte noch folgende Hinweise und Fragen aufgreifen:
a)Der EuGH hatte nicht den Fall zu entscheiden, dass ein Arbeitnehmer wegen lang andauernder Arbeitsunfähigkeit den Urlaub nicht genommen hat, das Arbeitsverhältnis aber nicht beendet, sondern fortgesetzt wird. Auch dieser Fall dürfte nicht zu einem Verlust des Urlaubsanspruches führen. Allerdings gilt der Grundsatz, dass der Urlaub finanziell abgegolten werden muss, nur im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Soweit diese Voraussetzung (noch) nicht gegeben ist, würde die entsprechende Anwendung des Urteils des EuGH zu einem Aufschub des Urlaubsanspruches führen, der zunächst zeitlich nicht begrenzt ist. Das LAG Düsseldorf hat in dieser Weise entscheiden. Ob das BAG dem folgt und ggf. der EuGH in einem weiteren Verfahren diese Konsequenz auch zieht, bleibt abzuwarten. Ggf. muss hierzu erneut ein Rechtsstreit geführt werden.
b)Soweit ein Tarifvertrag oder der Arbeitsvertrag selbst bestimmt, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb zeitlich begrenzter Ausschlussfristen geltend gemacht werden müssen, sind diese vorsorglich zu beachten. Aus dem EU-Recht folgt jedenfalls keine Einschränkung. Das bedeutet:
aa) Der Anspruch auf finanzielle Abgeltung des Urlaubs wird mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Ab diesem Zeitpunkt läuft die Ausschlussfrist.
bb) Wird das Arbeitsverhältnis nicht beendet, muss der Urlaub nach § 7 Abs. 3 BUrlG auf das nächste Kalenderjahr übertragen werden. Die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zum Jahresende ist ein hinreichender Grund dafür. Hier ist allerdings Vorsicht geboten. Wird der Arbeitnehmer so rechtzeitig vor Jahresende wieder gesund, dass er noch den Urlaub, ggf. auch teilweise, hätte nehmen können, und liegen keine betrieblichen Gründe für die Übertragung vor, erlischt der Urlaubsanspruch. Hierzu darf ich beispielhaft auf das Urteil des BAG vom 24.11.1992 - 9 AZR 549/91 - AP Nr. 23 zu § 1 BUrlG hinweisen:
„Die andauernde Erkrankung der Klägerin erfüllt zwar den Übertragungstatbestand "persönliche Gründe" nach § 7 Abs. 3 Satz 2 zweite Alternative BUrlG. Der Urlaubsanspruch wird aber nur übertragen, wenn der Arbeitnehmer wegen der Erkrankung seinen Urlaub bis zum Ablauf des Urlaubsjahres nicht nehmen kann. Das trifft nicht zu, wenn der Arbeitnehmer vor Ablauf des Urlaubsjahres wieder arbeitsfähig wird und den Urlaub - wenn auch nur teilweise - verwirklichen könnte. Dann kann er vom Arbeitgeber Urlaub verlangen. Dieser kann erfüllen. Wenn der Arbeitgeber nur noch teilweise erfüllen kann, gilt dasselbe für den erfüllbaren Teil. Der Urlaub geht nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG nur insoweit auf den Übertragungszeitraum über, als er wegen der Erkrankung nicht mehr vollständig erfüllt werden kann. Ansonsten erlischt der erfüllbare Teil mit Ablauf des Kalenderjahres. Da die Klägerin in der Zeit vom 15. bis 31. Dezember 1988 noch an 12 Tagen Urlaub hätte nehmen können, ist ihr Anspruch in dieser Höhe mit Ende des 31. Dezember 1988 erloschen. Auf das erste Quartal 1989 sind daher lediglich 11 Urlaubstage übergegangen.“
Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, erfolgt die Übertragung des Urlaubs in das nächste Jahr von Gesetzes wegen, wie beispielhaft das Urteil des BAG vom 09.08.1994 – 9 AZR 384/92 – AP Nr. 19 zu § 7 BUrlG zeigt:
„Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG findet eine Übertragung des Resturlaubs auf das nächste Kalenderjahr statt, wenn in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Für die Übertragung bedarf es dazu keiner Handlung des Arbeitnehmers. Rechtfertigen in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Übertragung des Urlaubs, vollzieht sich die Übertragung von selbst, so dass kraft Gesetzes der Urlaub des Vorjahres dem Urlaub des nachfolgenden Jahres hinzugerechnet wird.“
Soweit die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, ist ein besonderer Antrag des Arbeitnehmers nicht erforderlich.
cc) Liegen die Voraussetzungen für eine Übertragung des Urlaubs nicht vor, geht dieser unter, soweit nicht anderweitige Vereinbarungen getroffen werden. Dann entsteht auch kein Anspruch auf Abgeltung im Falle der späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
c)Soweit tarifliche Regelungen zu Übertragungszeiträumen bestehen (z.B. Übertragungsmöglichkeit bis zum 30.09. des Folgejahres), gilt nichts Abweichendes.