Auskunftsanspruch über erteilte Abmahnungen
Dem Betriebsrat kann bei entsprechendem Bezug zu Mitbestimmungsrechten ein Anspruch auf Auskunft über erteilte Abmahnungen zustehen, auch wenn er bei deren Erteilung selbst kein Mitbestimmungsrecht hat. Datenschutzrechtliche Bestimmungen stehen dem Auskunftsanspruch nicht entgegen.

LAG Hamm, Beschluss vom 17.02.2012
Aktenzeichen: 10 TaBV 63/11

Der Betriebsrat verlangte von der Arbeitgeberin die Vorlage von in der Vergangenheit erteilten Abmahnungen, die die Arbeitgeberin erteilt hatte. Diese Abmahnungen betrafen Verstöße von Arbeitnehmern gegen das Ableisten von Mehrarbeit, gegen Radiohören im Betrieb, das Aufsuchen bestimmter Toiletten, gegen ein Rauchverbot sowie gegen Meldepflichten bei Arbeitsunfähigkeit.

Der Auskunftsanspruch des Betriebsrats ist begründet.

Dieser Anspruch folgt aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Hiernach hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten.

Zu Recht hat die Vorinstanz eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Aufgaben des Betriebsrats im Hinblick auf die von der Arbeitgeberin erteilten Abmahnungen angenommen. In den vom Betriebsrat exemplarisch vorgelegten Abmahnungen geht es unter anderem um Verstöße gegen eine ausdrückliche Anordnung zur Ableistung von Mehrarbeit, gegen das Verbot, am Arbeitsplatz Radio zu hören, gegen eine Anweisung, ausschließlich eine bestimmte Toilette zu besuchen, gegen ein Rauchverbot, gegen bestimmte Meldepflichten im Falle von Arbeitsunfähigkeit gegen das Nichttragen vorgeschriebener Schutzkleidung etc.. Bereits das Arbeitsgericht hat in hingewiesen, dass bei all diesen Abmahnungen kollektivrechtliche Regelungen betroffen sind, die nach den §§ 87 Abs. 1 Nr. 1, 2, 7 BetrVG mitbestimmungspflichtig sind.

Zutreffend weist die Arbeitgeberin zwar darauf hin, dass dem Betriebsrat bei der Erteilung von Abmahnungen kein Mitbestimmungsrecht zusteht. Darum geht es aber im vorliegenden Fall nicht. Der Betriebsrat hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er kein Mitbestimmungsrecht bei der Erteilung von Abmahnungen geltend machen will. Ihm geht es vielmehr darum, Abmahnungen, die auf ein etwaiges mitbestimmungswidriges Verhalten der Arbeitgeberin gestützt werden, entgegenzusteuern.

Denkbar ist auch, dass der Betriebsrat überprüfen will, ob er angesichts eines gerügten Fehlverhalten eines Arbeitnehmers mitbestimmungsrechtlich tätig werden und sein Initiativrecht ausüben will. Es besteht insoweit eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Aufgaben des Betriebsrats.

Das Arbeitsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Betriebsrat begehrten Auskünfte zu seiner ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung erforderlich sind. Es kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der Betriebsrat auf eine andere Art und Weise jederzeit von mitbestimmungswidrigen Anordnungen der Arbeitgeberin Kenntnis erlangt. Ohne die begehrte Information wäre der Betriebsrat nicht in der Lage, auf Beachtung seiner Mitbestimmungsrechte gegenüber der Arbeitgeberin hinzuwirken.

Ob sich aus den dem Betriebsrat zur Verfügung gestellten Abmahnungen tatsächlich entsprechende Mitbestimmungsrechte und Initiativrechte ergeben, kann der Betriebsrat erst nach Vorlage der entsprechenden Abmahnungen in eigener Verantwortung prüfen.

Auch datenschutzrechtliche Bestimmungen stehen dem Auskunftsverlangen des Betriebsrats nicht entgegen. Die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 BetrVG wird durch die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes nicht beschränkt. Die Unterrichtung des Betriebsrats als Betriebsverfassungsorgan ist keine Datenübermittlung im Sinne des § 3 Abs. 4 Nr. 3, Abs. 8 S. 2 BDSG an Dritte.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat die Beschwerdekammer die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen (§§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG).