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Psychische Gefährdungsbeurteilungen – Was ist darunter zu verstehen?

Die Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen nehmen rasant zu. Ganz anders als die Fehlzeiten wegen physischer Erkrankungen, die stagnieren seit Jahren. Es hängt wohl damit zusammen, dass die Arbeitsbelastung zugenommen hat, aber auch dass die Anforderungen an den Arbeitsplätzen komplexer geworden sind. Und natürlich, die Belegschaft altert und, das ist eine gute Nachricht, viele trauen sich zu einem Psychologen, zu einem Facharzt zu gehen, die das zuvor nicht gemacht hätten. Eines ist sicher: Es kann dem Arbeitgeber nicht egal sein, ob es psychische Belastungsfaktoren an den Arbeitsplätzen gibt oder nicht und ob man präventiv darauf eingehen kann. Das Gesetz wird konkreter. In §§ 3 & 4 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) heißt es, dass der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, etwaige Risiken und Gefährdungen von Gesundheit und Leben entgegenzuwirken. Er muss auch sogenannte Gefährdungsbeurteilungen vornehmen. Das ist in § 5 ArbSchG geregelt und diese Gefährdungsbeurteilungen beziehen sich auch auf psychische Gefährdungen. Es ist die Rolle des Betriebsrats darauf zu achten, dass der Arbeitgeber diese recht aufwändigen Gefährdungsbeurteilungen vornimmt und auch wiederholt, denn sie müssen immer aktuell sein. Ein klar geregeltes rechtliches Verfahren gibt es dafür nicht. Wohl aber gibt es Mindestanforderungen an Gefährdungsbeurteilungen, die eingehalten werden müssen. Zum Beispiel ist es ratsam, dass der Arbeitgeber strukturiert Mitarbeiter befragt, um Risiken und Gefährdungen zu entdecken. Denn die Gefährdungsbeurteilung, ein häufiges Missverständnis, ist keine Jagd auf erkrankte Arbeitnehmer. Es soll der Arbeitsplatz untersucht werden, nicht der einzelne Beschäftigte. Was kann der Betriebsrat nun tun, wenn der Arbeitgeber, wie in der Praxis häufig, seiner Rechtspflicht nicht oder nicht ausreichend nachkommt? Der Betriebsrat muss die psychische Gefährdungsbeurteilung notfalls erzwingen. Dass er das darf steht in § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Aus dieser Norm ergibt sich nach richtiger Auffassung auch ein Initiativrecht bezogen auf die psychischen Gefährdungsbeurteilungen nach § 5 ArbSchG. Dass der Betriebsrat der Wachhund ist im Unternehmen, bezogen auf den Arbeitsschutz, steht ohnehin fest. Das können Sie dem § 80 Abs. 1 BetrVG entnehmen. Sie sehen also, der Betriebsrat hat Rechte, ebenso wie der Beschäftigte selbst. Übrigens: Kommt es zur krankheitsbedingten Kündigung eines Beschäftigten, so hat der Betriebsrat erst Recht dafür Sorge zu tragen, dass es einen gut begründeten Widerspruch gibt. Gegen eine krankheitsbedingte Kündigung, sei sie physisch oder psychisch bedingt, sollte der Betriebsrat immer die sogenannte Negativprognose ins Feld führen. Diese wird vom Arbeitgeber oft nur behauptet, selten aber belegt. Eben dies sollte im Widerspruch des Betriebsrats aufscheinen.

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