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Bekommt ein Betriebsratsmitglied bei einer Kündigung eine Abfindung?

In meinem Beruf, als Rechtsanwältin, da ist es einfach das Tagesgeschäft Arbeitnehmer, die die Kündigung erhalten haben, zu vertreten. Und meistens wird direkt in Erstberatung gefragt: Ja, Frau Singer, wie viel Abfindung bekomme ich denn? Und wenn schon jeder Nicht-Betriebsrat nach der Abfindung fragt, da muss man doch sagen, dann haben doch wohl die unkündbaren Arbeitnehmer erst Recht einen Anspruch, oder? Naja, ganz so einfach ist es nicht. Denn tatsächlich existiert nirgendwo ein gesetzlicher Anspruch auf eine Abfindung. Viele glauben, dieser sei geregelt in § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Der regelt nämlich, dass der Arbeitgeber im Zusammenhang mit einer betriebsbedingten Kündigung die Zahlung einer Abfindung anbieten kann, für den Fall, dass der Arbeitnehmer nicht gegen die Kündigung klagt. § 1a KSchG hat aber nie nennenswerte Bedeutung erlangt. Denn, das können Sie sich vorstellen, wenn der Arbeitgeber schon eine Abfindung dafür bietet, dass ich nicht klage, wie viel zahlt er denn dann erst, wenn ich klage? Die Abfindung ist das Ergebnis des Prozessrisikos, das ein Arbeitgeber bei jeder Kündigung trägt. Mit anderen Worten: Erst, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht erhebt und das Gericht zu der Erkenntnis gelangt, dass die Kündigung nicht offensichtlich wirksam ist, dann überlegt sich der Arbeitgeber, ob er denn nicht seinem Mitarbeiter eine Zahlung anbietet, damit dieser dann auf seinen Arbeitsplatz verzichtet. Daher kommt im Übrigen auch die Begrifflichkeit der Entlassungsentschädigung, die häufig als Synonym für die Abfindung verwendet wird. Auch die Höhe einer Abfindung im Übrigen unterliegt keiner gesetzlichen Regelung. Als Erfahrungswert haben sich aber 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr eingebürgert, das heißt wir sprechen von einer sogenannten Regelabfindung, die jedoch je nach Einzelfall auch niedriger sein kann, aber auch deutlich höher ausfallen kann. Dass die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds eine Abfindung nach sich zieht, ist sehr wahrscheinlich, denn der Betriebsrat ist ja während der Amtszeit und auch danach nur unter sehr, sehr strengen Voraussetzungen überhaupt kündbar. Und da wird es dem Arbeitgeber regelmäßig leicht fallen, eine auch über 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr hinausgehende Entlassungsentschädigung zu zahlen, wenn der Betriebsrat dann im Gegenzug auf seinen Arbeitsplatz verzichtet. Aber, es bleibt dabei, einen automatischen Anspruch auf eine Abfindung gibt es nicht. Weder bei Betriebsräten, noch bei Nicht-Betriebsräten. Sondern der erste Weg dahin ist regelmäßig die Erhebung der Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung. Für Sie als Betriebsrat bedeutet das im Übrigen auch: Unterschreiben Sie keine Aufhebungsverträge. Die Aufhebungsverträge der Betriebsräte haben typischerweise eine Sperrfrist zur Folge, weil ja auf Grund des Sonderkündigungsschutzes der Betriebsrat letztendlich nur sehr schwer für den Arbeitgeber loszuwerden ist. Und wenn man sich doch mal über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterhält, dann auf jeden Fall im Gerichtssaal eines deutschen Arbeitsgerichts.

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