Also ich verstehe das so, daß der siebte Senat dem ersten Senat des BAG nicht wiedersprochen hat. Früher müssen wohl alle Betriebsratsmitglieder anwesend gewesen sein, nach dem Beschluß des Siebten Senats reicht die Hälfte der Betriebsratsmitglieder. Der Betriebsrat muss aber immer eine ungrade (aufrunden) Mitgliederanzahl vorweisen.
http://www.hensche.de/Arbeitsrecht_Urteile_Aenderung_Tagesordnung_Betriebsratssitzung_Tagesordnung_Betriebsrat_BAG_7AS6-13.html
BUNDESARBEITSGERICHT
7 AS 6/13
1 ABR 2/13 (A)
Bundesarbeitsgericht
BESCHLUSS
In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten
1.
Antragstellerin und Rechtsbeschwerdeführerin,
2.
Antragstellerin und Rechtsbeschwerdeführerin,
3.
Beschwerdeführer,
hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung
vom 22. Januar 2014 durch den Vorsitzenden Richter am
Bundesarbeitsgericht
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Linsenmaier, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Zwanziger und
die Richterin am Bundesarbeitsgericht Schmidt sowie die
ehrenamtlichen Richterinnen Donath und Gmoser beschlossen:
Der Siebte Senat hält an seiner Rechtsauffassung, ein Beschluss des
Betriebsrats zu einem nicht in der Tagesordnung aufgeführten Punkt
könne auch bei einstimmiger Beschlussfassung wirksam nur gefasst
werden, wenn alle Betriebsratsmitglieder anwesend sind, nicht fest.
Gründe
I. Der Erste Senat möchte die Auffassung vertreten, dass die Ladung
zu einer Betriebsratssitzung ohne Mitteilung der Tagesordnung nicht
zur Unwirksamkeit eines in dieser Betriebsratssitzung gefassten
Beschlusses führt, wenn sämtliche Mitglieder des Betriebsrats
rechtzeitig geladen sind, der Betriebsrat beschlussfähig iSd. § 33 Abs.
2 BetrVG ist und die anwesenden Betriebsratsmitglieder einstimmig
beschlossen haben, über den Regelungsgegenstand des später
gefassten Beschlusses zu beraten und abzustimmen; nicht erforderlich
sei, dass in dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder anwesend sind.
Damit würde der Erste Senat von der Rechtsprechung des Siebten
Senats (28. Oktober 1992 - 7 ABR 14/92 - zu B II 2 b der Gründe; 24.
Mai 2006 - 7 AZR 201/05 - Rn. 19; 10. Oktober 2007 - 7 ABR 51/06 -
Rn. 12, BAGE 124, 188; vgl. auch schon BAG 28. April 1988 - 6 AZR
405/86 - zu II 3 c der Gründe, BAGE 58, 221) abweichen. Nach dieser
setzt die Änderung oder Ergänzung einer festgesetzten Tagesordnung
auf einer Betriebsratssitzung voraus, dass der vollzählig versammelte
Betriebsrat einstimmig sein Einverständnis erklärt, den Beratungspunkt
in die Tagesordnung aufzunehmen und darüber zu beschließen;
andernfalls könne ein Beschluss des Betriebsrats zu einem nicht in der
Tagesordnung aufgeführten Punkt nicht wirksam gefasst werden (BAG
24. Mai 2006 - 7 AZR 201/05 - Rn. 19 mwN).
Der Erste Senat hat daher gem. § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG angefragt,
ob der Siebte Senat an seiner Rechtsauffassung festhält.
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II. Der Siebte Senat hält an seiner Rechtsauffassung, ein Beschluss
des Betriebsrats zu einem nicht in der Tagesordnung aufgeführten
Punkt könne auch bei einstimmiger Beschlussfassung wirksam nur
gefasst werden, wenn alle Betriebsratsmitglieder anwesend sind, nicht
fest.
1. Das Betriebsverfassungsgesetz regelt die Voraussetzungen einer
wirksamen Beschlussfassung des Betriebsrats nicht abschließend. Es
bestimmt in § 33 Abs. 1 Satz 1 BetrVG lediglich, dass die Beschlüsse
des Betriebsrats , soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist,
mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder gefasst
werden. Ferner regelt § 33 Abs. 2 Halbs. 1 BetrVG, dass der
Betriebsrat nur beschlussfähig ist, wenn mindestens die Hälfte der
Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt.
2. Die Anfrage des Ersten Senats verlangt keine abschließende
Beantwortung der Frage, welche Voraussetzungen für die Wirksamkeit
eines Betriebsratsbeschlusses unverzichtbar sind und welche
Verfahrensverstöße zur Unwirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses
führen. Allerdings spricht vieles für die Beurteilung des Ersten Senats,
nach der nicht jeder Verstoß gegen die formellen Anforderungen einer
Betriebsratssitzung die Unwirksamkeit eines darin gefassten
Beschlusses zur Folge hat, sondern nur ein solcher, der so
schwerwiegend ist, dass der Fortbestand des Beschlusses von der
Rechtsordnung nicht hingenommen werden kann (BAG 9. Juli 2013 - 1
ABR 2/13 (A) - Rn. 38).
3. Der Siebte Senat teilt auch die Auffassung des Ersten Senats,
wonach die Beachtung des § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG und die dort
ausdrücklich angeordnete Ladung der Betriebsratsmitglieder
einschließlich etwaiger Ersatzmitglieder unter Mitteilung der
Tagesordnung als wesentlich für die Wirksamkeit eines in der Sitzung
gefassten Betriebsratsbeschlusses anzusehen ist (BAG 9. Juli 2013 - 1
ABR 2/13 (A) - Rn. 40 ff.). Dies entspricht der ständigen
Rechtsprechung des Siebten Senats (BAG 28. Oktober 1992 - 7 ABR
14/92 - zu B II 2 a der Gründe; 24. Mai 2006 - 7 AZR 201/05 - Rn. 17;
10. Oktober 2007 - 7 ABR 51/06 - Rn. 12, BAGE 124, 188).
4. Im Übrigen schließt sich der Siebte Senat unter Aufgabe seiner
bisherigen Rechtsauffassung der Ansicht des Ersten Senats an,
wonach es für die
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Heilung eines Verfahrensmangels iSd. § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nach
dem Zweck dieser Ladungsvorschrift ausreicht, dass alle
Betriebsratsmitglieder einschließlich erforderlicher Ersatzmitglieder
rechtzeitig zur Sitzung geladen worden sind und die beschlussfähig (§
33 Abs. 2 BetrVG) Erschienenen in dieser Sitzung eine Ergänzung oder
Erstellung der Tagesordnung einstimmig beschließen (BAG 9. Juli 2013
- 1 ABR 2/13 (A) - Rn. 49). Auch an der Begründung für seine
bisherige Auffassung, wonach eine Heilung nur bei Anwesenheit aller
Betriebsratsmitglieder möglich sei, hält der Siebte Senat nach erneuter
Prüfung nicht fest.
a) Das vom Senat bislang angeführte Argument, ein verhindertes
Betriebsratsmitglied müsse anhand der zuvor erfolgten Mitteilung der
Tagesordnung Gelegenheit haben, seine Betriebsratskollegen außerhalb
der Sitzung über seine Auffassung zu unterrichten und sie hiervon zu
überzeugen (vgl. BAG 24. Mai 2006 - 7 AZR 201/05 - Rn. 20), trägt,
wie der Erste Senat zutreffend ausführt, nicht (BAG 9. Juli 2013 - 1
ABR 2/13 (A) - Rn. 46). Im Falle der zeitweiligen Verhinderung eines
Betriebsratsmitglieds rückt das Ersatzmitglied gem. § 25 Abs. 1 Satz 1
und Satz 2 BetrVG mit allen Rechten und Pflichten in dessen Stellung
ein. Schützenswerte Einflussmöglichkeiten auf die Willensbildung des
Gremiums stehen dem zeitweilig verhinderten Betriebsratsmitglied nicht
zu.
b) Der Siebte Senat schließt sich dem Ersten Senat auch in der
Beurteilung an, die Mitteilung der Tagesordnung diene nicht dazu, dem
einzelnen Betriebsratsmitglied die Auflösung einer etwaigen
Terminskollision zu ermöglichen (BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 2/13 (A) -
Rn. 47). Zwar hat ein Betriebsratsmitglied im Falle einer
Pflichtenkollision eigenverantwortlich zu beurteilen, welche Pflicht von
ihm vorrangig wahrzunehmen ist. Es darf diese Beurteilung aber nicht
davon abhängig machen, ob es die Betriebsratssitzung unter
Berücksichtigung der Tagesordnung für wichtig oder unwichtig hält.
Jedenfalls verdient ein Betriebsratsmitglied , das eine bestimmte
Tagesordnung für unwichtig erachtet, keinen Schutz davor, dass die
anwesenden Betriebsratsmitglieder einen weiteren
Tagesordnungspunkt einstimmig auf die Tagesordnung setzen. Im
Übrigen würde das Argument, ein Betriebsratsmitglied müsse unter
Würdigung der Tagesordnung entscheiden können, ob es sich für
verhindert erklärt, konsequenterweise
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dazu führen, dass eine Ergänzung der Tagesordnung nur bei
vollständiger Anwesenheit aller originär gewählten
Betriebsratsmitglieder möglich und bei Heranziehung von
Ersatzmitgliedern, also bei Fehlen auch nur eines originär gewählten
Betriebsratsmitglieds ausgeschlossen wäre. Damit wäre insbesondere
in größeren Betriebsräten , bei denen häufig ein oder mehrere
Betriebsratsmitglieder zeitweilig verhindert sind, eine Ergänzung der
Tagesordnung weitgehend unmöglich. Hierdurch würde aber die
praktische Betriebsratsarbeit erheblich erschwert. Dies gilt
insbesondere für Angelegenheiten der Mitbestimmung bei personellen
Einzelmaßnahmen , in denen dem Betriebsrat nach seiner Unterrichtung
nur ein Zeitraum von einer Woche zur Verfügung steht, nach dessen
ungenutztem Ablauf die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt
(vgl. § 99 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2, § 102 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2
BetrVG).
5. Schließlich weist der Erste Senat auch zutreffend darauf hin, dass
das weiterhin geltende Erfordernis der Einstimmigkeit der
Beschlussfassung das einzelne Betriebsratsmitglied davor schützt,
über betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheiten befinden zu
müssen, mit denen es sich aus seiner Sicht noch nicht angemessen
befasst und über die es sich noch keine abschließende Meinung
gebildet hat (BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 2/13 (A) - Rn. 50).
6. Von einer weiteren Begründung sieht der Siebte Senat im Hinblick
auf die zutreffenden Ausführungen des Ersten Senats ab.