ich zitiere dazu ein Merkblatt von Verdi (Nr.010/2013, im Netz als Download verfügbar)
Mit Urteil vom 25.04.2013 – 6 AZR 800/11 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass bei Beschäftigten im Wechselschicht- oder Schichtdienst Überstunden nach § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD auch bereits dann entstehen, wenn die im Schichtplan festge-legten täglichen Arbeitsstunden überschritten werden.
§ 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD lautet:
„(8) Abweichend von Absatz 7 sind nur die Arbeitsstunden Überstunden, die
c) im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden einschließlich der im Schichtplan vorgesehenen Arbeitsstunden, die bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Schichtplanturnus nicht aus-geglichen werden,
angeordnet worden sind.“
Diese Formulierung hat folgenden Hintergrund:
Im früheren Tarifrecht entstanden bei Angestellten sowie bei Arbeiterinnen und Arbeitern des Bundes Überstunden erst dann, wenn die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit für die Woche festgesetzten Arbeitsstunden auf Anordnung des Arbeitgebers überschritten wurden (vergl. §§ 17 Abs. 1 Unterabs. 1 BAT, 19 abs. 2 Unterabs. 1 MTArb). Dagegen ent-standen bei Arbeiterinnen und Arbeitern im Bereich der kommunalen Arbeitgeber Über-stunden bereits dann, wenn die festgesetzte tägliche Arbeitszeit überschritten wurde (vergl. § 67 Nr. 39 Abs. 1 BMT-G II). In den Verhandlungen zum TVöD verständigten wir uns mit dem Bund und der VKA zur Vereinheitlichung darauf, dass für alle Beschäftigten Überstun-den grundsätzlich erst bei Überschreitung der für die Woche festgesetzten Arbeitsstunden entstehen sollen, wenn auch bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche kein Ausgleich erfolgt (vergl. § 17 Abs. 7 TVöD). Im Gegenzug sollten bei Wechselschicht- und Schichtar-beit für alle Beschäftigten Überstunden bereits dann entstehen, wenn die für den jeweiligen Tag festgesetzten Arbeitsstunden überschritten werden. Weiter sollte die bisherige Rege-lung, dass auch solche Stunden als Überstunden gelten, die bereits dienstplanmäßig über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen (vergl. § 17 Abs. 1 Unterabs. 3 BAT), fortgeführt werden.
Entgegen dieser Einigung behaupteten die öffentlichen Arbeitgeber später, dass im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit auch diejenigen Arbeitsstunden, die auf Anordnung des Arbeitgebers über die festgelegte tägliche Arbeitszeit hinaus geleistet werden, erst dann Überstunden seien, wenn sie nicht innerhalb des Zeitraums von einem Jahr für die Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit (vergl. § 6 Abs. 2 TVöD) aus-geglichen würden.
Dieser Falschinterpretation hat das Bundesarbeitsgericht nun einen Riegel vorgeschoben und in seinem Urteil vom 25. April 2013 – 6 AZR 800/11 Folgendes festgestellt (Randnum-mer 19):
„Sinn ergibt § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD nur bei folgender Lesart:
„Abweichend von Absatz 7 sind nur die Arbeitsstunden Überstunden, die im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeits-stunden hinaus angeordnet worden sind, und/oder die im Schichtplan vorgesehenen (fest-gesetzten) Arbeitsstunden, die - bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (iSv. § 6 Abs. 1 TVöD) - im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden.““
Zur Begründung hat das Bundesarbeitsgericht insbesondere ausgeführt (Randnummer 23):
„Es ist nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien in § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD mit den synonymen Begrifflichkeiten „festgelegt“ und „vorgesehen“ zweimal denselben Sach-verhalt umschreiben wollten. Im Regelfall kann nicht angenommen werden, dass Tarifver-tragsparteien sinnentleerte Normen schaffen wollen (BAG 21. Dezember 2006 - 6 AZR 341/06 - Rn. 28, BAGE 120, 361). Offensichtlich wollten die Tarifvertragsparteien zwei un-terschiedliche Sachverhalte regeln. Deshalb dürfte sich auch der Relativsatz „die bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen wer-den“ nur auf den Einschub „der im Schichtplan vorgesehenen Arbeitsstunden“ beziehen. Das vorangestellte Wort „einschließlich“ stellt den zweiten Sachverhalt hinsichtlich der Rechtsfolge „Überstunden“ dem ersten Sachverhalt der „über die im Schichtplan festgeleg-ten täglichen Arbeitsstunden“ (hinaus) angeordneten Arbeitsstunden gleich. Das Wort „ein-schließlich“ hat hier offensichtlich den Bedeutungsgehalt von „und“ iSv. „und/oder“ (vgl. hierzu Grimm Deutsches Wörterbuch Bd. 24 Stichwort: „und“ S. 411 unter 4)).“
Damit ist unsere Auffassung im vollen Umfang bestätigt worden, dass sich der Satzteil „die bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Schichtplanturnus nicht ausgegli-chen werden,“ nur auf die zweite Alternative von § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD, die bereits im Dienstplan vorgesehene Überschreitung der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit, bezieht, nicht aber auch auf die erste Alternative, die Überschreitung der im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden.
Wegen des gleichen Tarifwortlauts in § 7 Abs. 8 TV-L und der gleichen Regelungssystema-tik ist dieses Urteil uneingeschränkt auch auf den Bereich des TV-L zu übertragen.
Soweit vom jeweiligen Arbeitgeber im Geltungsbereich des TVöD oder des TV-L bei Wech-selschicht- oder Schichtarbeit die angeordnete Überschreitung der im Schichtplan festge-legten täglichen Arbeitsstunden nicht als Überstunden behandelt werden, sollten die betrof-fenen Vollbeschäftigten aufgefordert werden, die sich für diese Zeiten ergebenden Zeitzu-schläge bzw. ggfs. die entsprechende Zeitgutschrift auf einem eingerichteten Arbeitszeit-konto, schriftlich – auch rückwirkend im Rahmen der Ausschlussfrist ab Januar 2013 – bei ihrem Arbeitgeber geltend zu machen. Hierbei müssen die individuell geleisteten Stunden konkret angegeben werden und können nur tatsächlich geleistete Zeiten (also nicht auch für Krankheits-, Urlaubs- oder sonstige Freistellungstage) berücksichtigt werden.
Eine Mustergeltendmachung zunächst für den Zeitraum von Januar bis Juni 2013, die spä-testens bis zum 31. Juli 2013 beim Arbeitgeber eingehen muss, ist in der Anlage beigefügt. Für den Zeitraum ab Juli 2013 ist die Geltendmachung entsprechend anzupassen. Sie muss dann bis spätestens 31. Januar 2014 beim Arbeitgeber eingehen.