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Mitbestimmung bei Kündigungen – Grundlagen

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem Thema Mitbestimmung bei Kündigung. Die Kündigung und die Anhörung vor einer Kündigung sind Zerreißproben für fast jeden Betriebsrat. In dieser Folge lernen Sie - Kann der Betriebsrat Kündigungen „verhindern“? (ab 01:30 Min.) - Welchen Rat muss der Betriebsrat dem Gekündigten unbedingt erteilen (Kündigungsschutzklage, Fristen, Begründung der Klage)? (ab 03:05 Min) - Der Weiterbeschäftigungsanspruch als Ziel des Widerspruchs (ab 12:00 Min) - Welche Fristen muss der Betriebsrat im Anhörungsverfahren beachten? (ab 15:45 Min) - Soll ich jeder Kündigung widersprechen? - Recht, Strategie und Ethik des Widerspruchs (ab 22:00 Min) - Das juristische Sorgenkind im Anhörungsverfahren: Die Schwerbehindertenkündigung (ab 28:50 Min) Wie soll der Betriebsrat klugerweise einer beabsichtigten Kündigung eines Kollegen widersprechen? 1\. sollte dem Betroffenen klargemacht werden, dass der Betriebsrat eine Kündigung nicht verhindern kann, egal was er unternimmt. 2. Soll dem Betroffenen mitgeteilt werden, dass es möglich ist innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht zu erheben. Wenn diese Frist verstreicht ist die vormals vielleicht unwirksame Kündigung wirksam geworden. Nicht jeder Arbeitnehmer weiß das. 3. Eine weitere Information die dem Arbeitnehmer mitgegeben werden soll, ist, dass die Kündigungsschutzklage eingereicht aber nicht sofort begründet werden muss. Der Betriebsrat hat 3 Möglichkeiten auf eine beabsichtigte Kündigung zu reagieren: Vor jeder Kündigung ist der Betriebsrat nach § 102 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz anzuhören, damit er sich eine Meinung machen und reagieren kann. Wie kann er reagieren? 1\. Er kann nichts tun. Er lässt die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zum Einreichen des Widerspruchs verstreichen. Diese Frist beträgt 7 Kalendertage bei einer ordentlichen und 3 Kalendertage bei einer außerordentlichen Kündigung. Schweigen bedeutet faktisch eine Zustimmung. 2\. Der Betriebsrat kann der Kündigung zustimmen. Dafür braucht er einen Beschluss. Dieser wird während der Betriebsratssitzung gefasst und es gelten die Regeln eben dieser. Die Zustimmung zur Kündigung kann für den betroffenen Arbeitnehmer oft ein schwerer Schlag sein. 3\. Der Betriebsrat kann der Kündigung widersprechen. Diese Option wird empfohlen, da der Betriebsrat die Kündigung ohnehin nicht verhindern kann. Also kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf Basis eines triftigen Grundes ohnehin loswerden. Aber wenn der Betriebsrat widerspricht, könnte der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein Ass im Ärmel haben. Wie hilft ein Widerspruch des Betriebsrates dem Arbeitnehmer? Den Richter interessiert der Widerspruch des Betriebsrates im Rahmen einer Kündigungsschutzklage wahrscheinlich wenig. Wenn der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung begründet, fristgemäß und schriftlich widerspricht, dann kann der Arbeitnehmer, der Kündigungsschutzklage erhoben hat, vom Arbeitsgericht einen Weiterbeschäftigungsanspruch verlangen. Er kann einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend machen. Was heißt denn das? Der Arbeitgeber muss den gekündigten Arbeitnehmer so lange weiter beschäftigen bis es zu einem Urteil kommt. Dies kann oft Monate bis Jahre dauern. Aus diesem Grund macht es einen riesigen Unterschied, ob der Betriebsrat einer Kündigung widerspricht oder nicht. Ob der Arbeitnehmer sich am Ende vor Gericht durchsetzt ist nebensächlich. Wie kann der Betriebsrat einer Kündigung widersprechen? 1\. Der Widerspruch muss schriftlich sein. Der Beschluss muss in einer Betriebsratssitzung gefasst werden und der Widerspruch muss vom Betriebsratsvorsitzenden unterschrieben sein. 2\. Fristgerecht: Die Frist beginnt sobald sich der Arbeitgeber bezüglich einer Anhörung zur Kündigung beim Betriebsratsvorsitzenden meldet. Dieser 1. Tag ist der Ereignistag und wird nicht mitgezählt. Der Widerspruch einer ordentlichen Kündigung muss dann spätestens am 7. Kalendertag erfolgen und dem Arbeitgeber mitgeteilt werden. Die Zeit vergeht schnell, da innerhalb dieser Periode auch die Sitzung stattfinden muss. Wenn weder der Vorsitzende noch der Stellvertreter greifbar sind, kann sich der Arbeitgeber an jedes beliebige Betriebsratsmitglied wenden. 3\. Inhaltlicher Widerspruch – aber wie? Zuerst muss differenziert werden um welche Art der Kündigung es sich handelt? Das muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat mitteilen. Handelt es sich um eine verhaltens-, betriebs- oder personenbedingte Kündigung? Bei der betriebsbedingten Kündigung finden Sie einen abschließenden Katalog von Widerspruchsgründen im § 102 Absatz 3 Betriebsverfassungsgesetz. Dort sind insgesamt 5 Widerspruchsgründe aufgelistet, die exakt benannt werden müssen. Die exakte Benennung ist essentiell, es ist keine Pauschalisierung zulässig. Jedoch ist nicht jede Kündigung eine betriebsbedingte Kündigung. Wie kann der Betriebsrat anderen Kündigungen widersprechen? In der Rechtsprechung wird darüber stark diskutiert. Der Katalog an Widerspruchsgründen aus § 102 Absatz 3 ist allerdings abschließend. Ein Fall aus der Praxis: Spricht irgendetwas dagegen bei einer verhaltensbedingten Kündigung etwa, die Version, also die Behauptung des Arbeitgebers darzustellen im Widerspruch? Zugleich aber auch die vielleicht konkurrierende Darstellung des Arbeitnehmers aufzunehmen und hinterher festzustellen, dass der Kündigungsgrund der Kündigungsvorwurf nicht plausibel sei? Dagegen spricht nichts. Der Fall der krankheitsbedingten Kündigung: Eine krankheitsbedingte Kündigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer eine negative Gesundheitsprognose hat, dass es zu Betriebsablaufstörungen kommt wegen der häufigen Fehlzeiten und dass eine Interessenabwägung stattgefunden hat zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denen des Arbeitnehmers. Spricht denn irgendetwas dagegen im Widerspruch diesen 3 Voraussetzungen der krankheitsbedingten Kündigung entgegenzutreten? Überhaupt nichts. Darf der Betriebsrat mit dem Arbeitnehmer sprechen im Anhörungsverfahren? Der Betriebsrat sollte sogar mit dem Arbeitnehmer sprechen, laut § 102 Absatz 2 Nr. 4. Der Fall der Kündigung eines Low Performers: Die Kündigung aufgrund einer Minderleistung ist nicht einfach zu begründen. Im Anhörungsverfahren kann der Betriebsrat dieser Begründung natürlich widersprechen. Spricht irgendetwas dagegen in den Widerspruch hinein zu nehmen, dass es dem Arbeitgeber schon nicht gelungen sei aus Betriebsratssicht eine Schlechtleistung des betroffenen Arbeitnehmers nachzuweisen? Nein. Wie ist es bei der Kündigung während der Wartezeit oder bei der Kündigung im Kleinbetrieb? Es gibt garkeinen allgemeinen Kündigungsschutz innerhalt dieser Zeit oder innerhalb des Kleinbetriebes. Trotzdem muss natürlich der Betriebsrat vor der Kündigung angehört werden. Er kann auch widersprechen. Das sollte er gerade in einer solchen problematischen Konstellation auch tun. Spricht irgendetwas dagegen mit aufzunehmen in den Widerspruch, dass der wahre Kündigungsgrund aus Betriebsratssicht nicht ein Nichtgewähren während der Wartezeit gewesen ist, sondern zum Beispiel eine verbotene Maßregelung nach § 612 a BGB, weil sagen wir, der Arbeitnehmer noch in der Wartezeit ein Recht herausverlangt oder geltend gemacht hat, zum Beispiel sein Beschwerderecht und er daraufhin entlassen werden soll. Sie wissen, eine solche Kündigung wäre unwirksam, auch in der Wartezeit, auch im Kleinbetrieb. Auch das kann in den Widerspruch geschrieben werden. Die Chance einer Kündigung zu widersprechen sollte nicht vergeben werden. Dem Arbeitnehmer kann dadurch sehr konkret geholfen werden, wenn der Widerspruch fristgerecht eingereicht, schriftlich verfasst und ordentlich begründet ist. Wie sieht das bei einer Schwerbehinderten Kündigung aus? Zusätzlich zum Betriebsrat muss in einem solchen Fall auch die Schwerbehindertenvertretung angehört werden. Seit dem 1.1.2017 gibt es im Gesetz im SGB 9, dem 9. Gesetz Sozialgesetzbuch, eine wichtige Änderung. § 95 Absatz 2 Satz 2 SGB 9 besagt, dass eine Kündigung, die ausgesprochen wird, ohne zuvor die SBV angehört zu haben, allein aus diesem Grunde unwirksam ist. Also genau wie bei der Betriebsratsanhörung nach § 102. Wie widerspricht der Betriebsrat also am besten einer Kündigung eines schwerbehinderten Menschen? Auch in diesem Fall muss die Kündigungsart bedacht werden. Diese muss der Arbeitgeber mitteilen. Der Betriebsrat und SBV gehen wieder wie bereits besprochen vor. Somit kann bei der verhaltensbedingten Kündigung die Darlegung eines plausiblen Kündigungssachverhaltes bestritten werden. Bei der betriebsbedingten Kündigung ist wieder einer der Gründe aus Katalog des § 102 Absatz 3 anzuführen. Bei der krankheitsbedingten Kündigung ist es eine gute Idee, die negative Gesundheitsprognose schon im Widerspruch des Betriebsrats oder der SBV zu bestreiten. Bei der Schwerbehindertenkündigung könnte der Betriebsrat den Betroffenen noch auf die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage hinweisen. Neben dieser Kündigungsschutzklage (3 Wochen Zeit), kann gleichzeitig auch noch eine Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden. Warum? Bevor der Arbeitgeber die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen auf den Weg bringen kann, braucht er die Zustimmung des Integrationsamtes zu dieser Kündigung. Die erhält der Arbeitgeber zwar in der Praxis häufig, oft ist diese Zustimmung aber rechtswidrig, weil das Integrationsamt gar nicht ordentlich geprüft hat, ob tatsächlich die Weiterbeschäftigung des Schwerbehinderten unzumutbar ist. Somit sollten schwerbehinderte Menschen im Falle einer Kündigung zwei Klagen erheben – eine Kündigungsschutzklage und eine Anfechtungsklage.

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