Sind Bagatelldiebstähle harmlos?

Darf ich Ware, die der Arbeitgeber nicht mehr haben will, mitnehmen als Arbeitnehmer? Ganz sicher nicht. Ich warne Sie als Arbeitnehmeranwalt. Viele, viele Arbeitnehmer haben ihren Job verloren, weil sie scheinbar nicht mehr gebrauchte Ware ihres Arbeitgebers mitgenommen haben, oftmals im besten Glauben.

Aber auch dies ist ein Diebstahl oder eine sogenannte Unterschlagung und damit eine Straftat. Darauf, dass die Ware möglicherweise vom Arbeitgeber bereits aufgegeben gewesen war oder dass ihr kein wirklicher wirtschaftlicher Wert zukommt, darauf kommt es nicht an. So jedenfalls die insoweit sehr strenge Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt.

Ganz sicher kennen Sie den Fall Emmely. In diesem Fall hatte eine Kassiererin angeblich mehrere Pfandbons unterschlagen. Im Gesamtwert von weniger als 2€. Zwar hat Frau Emme, wie die Klägerin tatsächlich hieß, ihren Prozess am Ende vor dem Bundesarbeitsgericht gewinnen können, dieser Entscheidung allerdings lag zugrunde, dass die Klägerin jahrelang beanstandungsfrei gearbeitet hat in ihrem Arbeitsverhältnis.

Ein einmaliger Ausrutscher, wenn man so will, also der Diebstahl oder die Unterschlagung soll hier nicht das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf immer zerstört haben, meinte das Gericht. Ganz anders, strenger nämlich, werden aber heute noch viele sogenannte Instanzgerichte, also Arbeitsgerichte der ersten und zweiten Instanz, entscheiden, wenn es um sogenannte Bagatelldiebstähle geht oder "Bagatellunterschlagung".

Deswegen lassen Sie besser die Finger als Arbeitnehmer von sämtlichen Waren des Arbeitgebers. Es wird Ihnen nichts helfen, dass auch andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dann und wann Ware haben mitgehen lassen. Als Betriebsrat können Sie darauf hinwirken, dass zwischen Arbeitgeber und Ihnen eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird, über den Verbleib von Ware, die der Arbeitgeber nicht mehr haben will, also aufgegeben hat. Das würde Rechtssicherheit schaffen, jedenfalls eine bessere Rechtssicherheit, als sie aktuell ohne eine solche Betriebsvereinbarung besteht.

Falls es doch passiert ist und der Arbeitgeber die Kündigung eines Arbeitnehmers beabsichtigt, sollte der Betriebsrat dieser Kündigung widersprechen. Und zwar regelmäßig mit der Begründung, dass der Kündigungsvorwurf undurchsichtig sei. Der Arbeitgeber nämlich behaupte eine Unterschlagung oder einen Diebstahl, der Arbeitnehmer bestreite aber einen solchen Vorgang. Schon ein solcher Widerspruch wird im Ergebnis dem Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess helfen.

Und vergessen Sie die allgemeinen Regeln nicht. Jeder von einer Kündigung betroffene Arbeitnehmer muss innerhalb von drei Wochen Klage erheben vor dem Arbeitsgericht. Er sollte sich unterstützen lassen vom Rechtssekretär seiner Gewerkschaft oder von einem geeigneten Rechtsanwalt. Das war das Stichwort, ich bin Rechtsanwalt.