696 Aufrufe | vor 7 Jahren

Dürfen Betriebsräte bei der Einführung von Anwesenheitsprämien mitbestimmen?

Die Frage - Einführung von Anwesenheitsprämien? - kann zusammenfassend so beantwortet werden: Sie dürfen nicht nur, Sie sollen und Sie müssen es sogar. Warum ist das so? Bei der Frage, ob der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat, müssen wir uns immer vergegenwärtigen, ob wir in einem Mitbestimmungsrecht und wenn ja, in welchem sind. Hier bewegen wir uns im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Lohngestaltung. Dieses ist ein Bereich der zwingenden Mitbestimmung, denn es heißt im Einführungssatz: „Der Betriebsrat hat mitzubestimmen.“ Diese zwingende Mitbestimmung bedeutet auch, dass es dem Arbeitgeber verwehrt ist, ohne die Beteiligung des Betriebsrats hier Regelungen zu treffen. Allerdings, hier gibt es natürlich Einschränkungen bei der Frage, ob und in inwieweit tatsächlich ein Mitbestimmungsrecht besteht. Zunächst einmal schauen wir uns den § 77 Abs. 3 BetrVG an, in dem es heißt: "Der Betriebsrat kann eine Betriebsvereinbarung nur dann abschließen, wenn eine Regelung in einem Tarifvertrag nicht besteht oder üblicherweise nicht besteht." Dieses "üblicherweise" ist für derartige Fragen natürlich immer zu bejahen, denn die Parteien, die Tarifvertragsparteien regeln solche Fragen in aller Regel selbst. Aber, im Einleitungssatz zu § 87 Abs. 1 BetrVG heißt es: "Ein Mitbestimmungsrecht besteht, wenn eine tarifvertragliche Regelung nicht existiert." Auf die Frage, ob es üblicherweise so ist, kommt es mithin gar nicht an. Und im Verhältnis beider Vorschriften, § 87 einerseits, § 77 andererseits, geht die Vorschrift des § 87 vor, das heißt wir schauen nur nach: Gibt es eine tarifvertragliche Regelung? Sind wir nicht tarifgebunden, ist es von Vornherein ausgeschlossen, sind wir in einem Bereich, wo der Tarifvertrag gekündigt ist, die Kündigungsfrist abgelaufen ist, sind wir ebenfalls im Bereich unserer Mitbestimmung. Damit wären wir also im Bereich des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Wir können nun nicht mitbestimmen über die Frage, wie viel Geld der Arbeitgeber zur Verfügung stellt, um eine Anwesenheitsprämie zu finanzieren. Das ist seine freiwillige, eigene Entscheidung, die wir hinnehmen müssen. Aber: Wenn der Arbeitgeber sich entschieden hat, eine Anwesenheitsprämie zu gewähren, dann haben wir die Möglichkeit und die Verpflichtung über die Frage, wer, wann diese Anwesenheitsprämie bekommt, wie sie ausgestaltet wird, wie bei Fehltagen und wenn ja, welchen Fehltagen, die Anwesenheitsprämie reduziert wird, ein gewichtiges Wort mitzureden. Und es geht nicht nur darum, dass wir dem Ansinnen des Arbeitgebers zustimmen oder es verneinen, sondern es geht darum, dass, wie § 87 Abs. 2 BetrVG sagt, wir eine Einigung mit dem Arbeitgeber darüber finden. Das heißt, die gesamte Frage steht offen zur Diskussion. Kommt es nicht zu einer Einigung, haben wir sogar die Möglichkeit, dass nach § 87 Abs. 2 BetrVG die fehlende Einigung der Parteien durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt wird. Wir dürfen also festhalten, dass der Betriebsrat bei der Vereinbarung von Anwesenheitsprämien Mitbestimmungsrechte hat, die der Arbeitgeber nicht missachten darf, ohne dass die von ihm geführte Regelung rechtsunwirksam wird. Ich hoffe daher, hier ein weiteres Stück für die Betriebsratstätigkeit vermittelt zu haben. Dieses Mitbestimmungsrecht sollen wir auch einfordern, damit unsere Mitarbeit und unsere Mitwirkung im betriebsverfassungsrechtlichen Rahmen erfolgreich bleibt.

Fortbildung
Für Betriebsräte

Bei der W.A.F. erhalten Sie aktuelles und fachlich fundiertes Wissen. Einfach und praxisnah aufbereitet.


Jetzt Seminar finden
Some alt text