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Darf der Betriebsrat den Arbeitgeber anzeigen?

Mein Arbeitgeber ist ein Straftäter. Darf ich ihn anzeigen? „Grundsätzlich ja“, sagt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. „Ja“, sagt auch das Bundesarbeitsgericht in höchst richterlicher Rechtsprechung. Allerdings muss ich als Arbeitnehmer und auch als Betriebsrat zuvor nachweisbar das Gespräch mit dem Arbeitgeber gesucht haben. Vor einer Anzeige, nicht etwa hinterher. Dieses Gespräch nennt man den sogenannten innerbetrieblichen Klärungsversuch. Mich verbindet etwas mit dem Arbeitgeber, wenn ich Arbeitnehmer bin. Das ist natürlich mein Arbeitsvertrag. Als sogenannte Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag erwächst mir eine sogenannte Treuepflicht. Es ist untreu, sagen die Gerichte, wenn ich den Arbeitgeber anzeige ohne ihn vorher gewarnt zu haben. Und natürlich darf ich auch nicht voreilig eine Anzeige erstatten und ich darf Vorgänge nicht dramatisieren. Ansonsten aber ist es Teil meiner Meinungsfreiheit, dass ich, notfalls nach einem erfolglosen innerbetrieblichen Klärungsversuch, auch Anzeige erstatte. Sei es bei der Polizei, sei es bei der Staatsanwaltschaft oder sei es bei einer sonstigen Aufsichtsbehörde. Menschen, die das tun, verdienen unseren Respekt. Es sind sogenannte Hinweisgeber oder auch Whistleblower. Der Betriebsrat kann viel dafür tun, dass sich Arbeitnehmer nicht verrennen und voreilig selbst eine Anzeige schreiben. Zum Beispiel gibt es, Ihnen ist das bekannt, das sogenannte Beschwerdeverfahren beim Arbeitgeber selbst aber eben auch beim Betriebsrat. Wie sollte der Betriebsrat mit einer Beschwerde umgehen? Das ist geregelt in den, oftmals in der Praxis vernachlässigten, §84 und §85 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Danach muss der Betriebsrat einer Beschwerde nachgehen, indem er eine Sitzung einberuft und über die Berechtigung der Beschwerde abstimmt. Hält er, der Betriebsrat, die Beschwerde für berechtigt, so hat er auf Abhilfe zu drängen gegenüber dem Arbeitgeber. Bewegt sich der Arbeitgeber nicht, so ist bei einem sogenannten kollektiven Bezug sogar die sogenannte Einigungsstelle einzuberufen. Der Betriebsrat kann also viel dafür tun, dass es nicht zu einer Anzeige kommt. Ist diese aber unausweichlich, auch aus Sicht des Betriebsrats, so sollte der Betriebsrat sich der Hilfe eines Rechtsanwalts bedienen.

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