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Shoppen trotz Krankschreibung?

Die Zeiten sind vorbei, in denen Ärzte vorschnell und ausnahmslos den Patienten geraten haben, zur strengsten Bettruhe. Juristisch waren sie dazu im Falle einer Krankschreibung ohnedies nie wirklich verpflichtet. Darf ich also als krankgeschriebener Arbeitnehmer mein Bett verlassen? Das Haus verlassen? Möglicherweise Alltagseinkäufe vornehmen? Trotz Krankheit? „Eindeutig Ja“, sagt das Bundesarbeitsgericht in seiner neueren Rechtsprechung. Der Arbeitnehmer muss nur alles unterlassen, was seine Genesung verhindern würde oder verzögern würde. Aber Sie wissen es: Wenn selbst schwerstkranke nach gefährlichen Eingriffen schnellstmöglich, manchmal innerhalb weniger Tage, wieder mobilisiert und entlassen werden, dann werden auch Sie sich aus dem Haus bewegen dürfen. Auch wenn einige Arbeitgeber, das weiß ich wohl, noch der romantischen Vorstellung des krankgeschriebenen Arbeitnehmers nachhängen, der im Bett zu bleiben hat, wenn er schon nicht arbeitet. Wie aktiv aber dürfen Sie sein? Hier muss ich natürlich ein bisschen zur Vorsicht raten. Aber sagen wir mal so: Einkäufe sind möglich, Alltagseinkäufe. Dürfen Sie auch auf eine Shoppingtour gehen? Einen neuen Anzug kaufen, Kleinigkeit essen gehen, leichten Weißwein dazu? Das wäre sicher ein Grenzfall, verboten ist es aber wohl nicht und allein hierauf wird man eine verhaltensbedingte Kündigung nicht stützen dürfen. Oder nehmen Sie einen anderen Fall. Der Migräniker, der sich wohl fühlt im Kino, weil es da so schön ruhig ist, kühl ist, weil man da Cola trinken kann, eine freundliche Begleitung hat. Ich kann es ihm nicht verdenken. Hierdurch wurde der Heilungserfolg wohl nicht verhindert, übrigens auch nicht durch leichten Sport. Es muss ja nicht gleich Kickboxen sein. Was ist dem krankgeschriebenen Arbeitnehmer also zu raten? Er sollte erreichbar sein, aus meiner Sicht, auch wenn er das rechtlich nicht muss, für den Arbeitgeber, der möglicherweise nachfragen hat. Er sollte gelassen reagieren, auch auf Kontrollen. Sogar die Kontrolle des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) ist kein Todesurteil. Und der Arbeitnehmer sollte sich verabschieden, ebenso wie der Arbeitgeber, von Rechtsmythen rund um die Krankschreibung. Denn auch umgekehrt wird ein Schuh daraus. Es gibt da draußen keine sogenannte Gesundschreibung. Das kann man hier und da lesen, so etwas gibt es aber nicht. Wenn Sie sich wieder fit fühlen, dann dürfen Sie sehr wohl arbeiten kommen, auch wenn Sie eigentlich noch krankgeschrieben sind. Viele Arbeitgeber behaupten etwas anderes, aber die haben Unrecht. Ein Hinweis noch für Betriebsräte: Kommt es zu einer verhaltensbedingten Kündigung, weil ein krankgeschriebener Arbeitnehmer gar nicht krank gewesen sei, aus Sicht des Arbeitgebers, so sollten Sie dieser Kündigung widersprechen. Und ich sage Ihnen wie: Sie sollten behaupten, dass der Arbeitgeber die falsche Kündigungsart gewählt habe. Die verhaltensbedingte Kündigung, die er aussprechen will, sei nämlich eigentlich eine verschleierte krankheitsbedingte Kündigung. Den Arbeitnehmer wird das freuen, den Arbeitgeber wird das angemessen ärgern und das Arbeitsgericht wird das mit einiger Sicherheit überzeugen.

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