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Dem Chef richtig die Meinung sagen - Wie weit darf der Betriebsrat gehen?

Über die Rechtsfigur der verbalen Notwehr lässt sich Eines sagen: Sie existiert nicht. Das aber bedeutet nichts anderes, als dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aber auch Betriebsräte und Arbeitgeber, einander nicht beleidigen dürfen. Sie dürfen auch nicht zurück beleidigen, wie hier und da behauptet wird. Im Kollegenkreis unter Rechtsanwälten habe ich eine Umfrage gestartet, die immer noch im Gange ist. Ich habe die Kollegen gefragt: "Was habt ihr für Erfahrungen sammeln müssen in euren Mandatsverhältnissen rund um das Thema Beleidigung, also verbale Notwehr, wenn Sie so wollen?" Ich war überrascht von den Ergebnissen. Erste vorläufige Ergebnisse liegen nämlich bereits vor und ich muss Sie warnen: Von "dumme Sau" bis "blödes Schwein", alles war mit dabei und das waren noch die zärtlicheren Bezeichnungen. Liebe Kollegen, es geht los. Mein faktengesättigter anwaltlicher Rat an Sie lautet: Beleidigen Sie den Arbeitgeber nicht. Ihr Arbeitgeber ist kein Korinthenkacker, jedenfalls sollten Sie ihm das nicht unter Zeugen mitgeteilt haben. Er ist auch, ganz wichtig, kein Reservehitler und es hilft Ihnen nichts, wenn Sie das im persönlichen, also geheimen, Gespräch unter Kollegen nur behauptet haben. Die Methoden, die Ihr Arbeitgeber anwendet gegenüber dem Betriebsrat, die mögen krass sein, aber es sind keine Gestapo-Methoden. Weder, auch das ist wichtig, dürfen Sie dem Arbeitgeber sagen, dass es gleich knallt, noch dass er durchgeknallt sei. Und nein, ein Stasi-Spitzel ist er auch nicht und es hilft auch nichts, dass Sie sagen, dass andere gemeint hätten, dass er ein Stasi-Spitzel sei. Ihr Arbeitgeber ist nicht hässlich wie ein Octopus. Und er riecht nicht wie ein Wiedehopf und seine Anweisungen, liebe Kollegen, sind auch nicht bekloppt. Über seine Frau dürfen Sie ohnedies nicht sprechen und wenn Sie ein angestellter Rechtsanwalt sein sollten, so etwas gibt es ja in der Praxis, und Ihr Arbeitgeber Sie fragt, "Sag mal, hast du die Akte schon fertiggestellt?", dann antworten Sie ihm vielleicht, "Nein, die Akte ist noch nicht fertig". Wenn er nachfragt, "Kannst du denn abschätzen, wann die Akte fertig bearbeitet ist?", dann könnten Sie sagen, "Nein, das kann ich nicht abschätzen", aber sagen Sie ihm nicht, „Die Fresse kann ich dir schon mal polieren!“. Liebe Kollegen, als Arbeitnehmer dürfen Sie nicht beleidigen, als Betriebsrat auch nicht. Und hier kommen noch zwei juristische Informationen zum Schluss: Wenn der Arbeitgeber Ihnen eine Beleidigung vorhält, Ihnen als Arbeitnehmer, dann ist es eine gute Idee, diesen Kündigungsvorwurf zu bestreiten. Das dürfen Sie ja. Sie müssen sich nicht selbst belasten. Und wenn Sie als Betriebsrat im Anhörungsverfahren von einer Beleidigung erfahren, dann ist es eine gute Idee Stellung zu nehmen, zum allgemeinen Klima in Ihrem Betrieb. Vielleicht herrscht dort ein rauer Ton vor. Dann sollte das im Widerspruch auch aufscheinen. Und noch etwas Wichtiges für die Betriebsräte: Der Arbeitgeber muss Sie informieren, nicht nur über belastende, sondern auch über entlastende Umstände. Typischerweise entlastend wäre eine Entschuldigung im Nachgang. Möglicherweise hat sich der betroffene Arbeitnehmer ja beim Arbeitgeber entschuldigt, auch wenn der sich möglicherweise daran nicht erinnern will.

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