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Als Akademiker im Betriebsrat - ist das ein Problem?

Muss man denn aus allem ein Problem machen? Natürlich dürfen Sie sich als Akademiker, wie jeder Nicht-Akademiker, in den Betriebsrat wählen lassen. Ehrlich gesagt, ich sehe es sogar gerne, wenn Betriebsräte, zum Beispiel im Krankenhaus, gemischt sind, wenn es dort Ärzte gibt und Krankenschwestern, Männer und Frauen, alte und junge Menschen. Wo ist das Problem? Nun, es gibt schon ein Problem. Jedenfalls, wenn ich einem jungen Assistenzarzt glauben darf, mit dem ich in der vorvergangenen Woche über dieses Thema gesprochen habe. Er hat mir sein Herz ausgeschüttet. Und ich war erstaunt, schockiert, was dabei herauskam. Der Arzt, so berichtete er mir, werde immer gehänselt. An der Nase gezogen. Von den Nicht-Akademikern. Und warum? Man nannte ihn immer scherzhaft den "Herrn Doktor". Und sagte ihm, dass er von der Praxis keine Ahnung habe. Dabei gibt es doch niemanden, der mehr Praktiker ist, als der Arzt selbst. Auch sei ihm vorgehalten worden, dass er sich erstmals im Leben sozial engagiere. Auch das aber stimmte nicht. Schon als Student hat er, wir Anwälte würden sagen "pro bono", also umsonst, gearbeitet, um anderen erkrankten Menschen zu helfen. Dieser Akademiker ist also nicht gut behandelt worden in seinem Betriebsrat. Als ich ihm helfen wollte und die Nicht-Akademiker so richtig ins Gebet genommen habe, da haben die mir berichtet, wie sie angefeindet werden von dem Akademiker. Sie holten aus zur Gegenwehr, und die Gegenwehr, die war beachtlich, sie war brutal und überzeugend. Was berichteten die Nicht-Akademiker über den Arzt? Sie wünschten sich von ihm, höfliche Bitte: Etwas mehr Gemeinsinn. Was sie damit meinten? Es gibt in fast allen akademischen Disziplinen eine altehrwürdige Tradition der sogenannten Außenseitermeinung. Wir Juristen sprechen von einer "Mindermeinung" oder der Meinung einer Minderheit. Wer eigene Meinungen vertritt, gerne auch Außenseitermeinungen, der provoziert dadurch Gegenmeinungen. Das kann eine akademische Debatte befruchten. Im Betriebsrat aber ist diese Herangehensweise manchmal kontraproduktiv. Denn Diskussion und Abstimmung ist notwendig und gut und schön, aber es sind auch Fristen einzuhalten, irgendwann muss entschieden werden. Höfliche Bitte #2 der Nicht-Akademiker an den Akademiker: Weniger Analyse, bitte! Es ist ja gut und schön jedem arbeitsrechtlichen und betriebsverfassungsrechtlichen Problem so richtig auf den Grund zu gehen. Dagegen ist nichts zu sagen. Auch ein Vergleich des deutschen Arbeitsrechts mit dem venezolanischen Arbeitsrecht, dem japanischen Arbeitsrecht und die Beleuchtung der Aspekte der Spieltheorie, all das ist interessant. Aber eben auch nervig für die Nicht-Akademiker und für die Akademiker, die noch einen klaren Kopf bewahren wollen. Höfliche Bitte #3: "Könntest du, lieber Akademiker, bitte den Betriebsrats nicht als dein persönliches Abklingbecken betrachten?" Was damit gemeint war? So mancher Akademiker fühlt sich zu Recht oder zu Unrecht zu Höherem berufen. Wenn das nicht klappt, wenn es Ärger gibt, dann rettet sich manch einer in den Betriebsrat. Das ist legitim, das will niemand kritisieren. Aber einmal im Betriebsrat angekommen, haben dann auch nicht die persönlichen Interessen, sondern die kollektiven Interessen Vorrang. Das war eine ganz schöne Breitseite gegen die Akademiker, sage ich, der ich ja auch Akademiker bin. Die Rechtsanwälte haben es ja insoweit am schlimmsten. Sie bezeichnet man als "die Kavallerie der Justiz", schneidig aber dumm. Echte Praktiker. Ehrlich gesagt, ich mag sie alle beide, die Akademiker und die Nicht-Akademiker. Sie beide gehören in den Betriebsrat. Seien Sie lieb zueinander, sonst bekommen Sie es mit einem Anwalt zu tun!

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