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Fehler in der Betriebsratsarbeit - 5 neue Todsünden und wie man sie vermeidet

Todsünde #1: Aus Köln schreibt mir ein Betriebsratsvorsitzender, dass sein Vorgänger von neun ordentlichen Betriebsratsmitgliedern nur fünf zur Betriebsratssitzung geladen habe. Begründung: Damit sei der Betriebsrat doch bereit beschlussfähig. Im Gesetz stünde ja, dass mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilzunehmen habe, dann sei das Gremium beschlussfähig. Liebe Freunde aus Köln, Sie haben völlig Recht. Das wäre ein schwerer Betriebsratsfehler, eine Todsünde. Warum? Im § 29 Betriebsverfassungsgesetz steht, dass natürlich der Betriebsratsvorsitzende sämtliche ordentliche Betriebsratsmitglieder zu laden hat, im Verhinderungsfall die Ersatzmitglieder. Nie darf er sich damit begnügen, nur die Hälfte der Betriebsratsmitglieder überhaupt erst zu laden. Todsünde #2: Aus Freiburg, wie ich sehe, schöne Stadt. Das Monatsgespräch, schreibt mir die Betriebsratsvorsitzende, werde in ihrem Betrieb nur mit dem Betriebsratsvorsitzenden, das ist ein häufiges Problem, und mit deren Stellvertreter geführt. Nicht aber mit dem gesamten Gremium. Sie haben völlig Recht. In § 74 Abs. 1 BetrVG ist vom Betriebsrat die Rede. Und Betriebsrat, Sie wissen das, meint das gesamte Gremium. Und ich sehe gerade, dort in Freiburg stimmt auch die SBV mit ab im Betriebsrat. Auch das wäre eine Todsünde. Sie müssen die SBV zwar einladen, da haben Sie Recht. Aber sie hat, anders als die JAV im Betriebsrat kein Stimmrecht. Todsünde #3: Ein Vorschlag aus Stuttgart-Möhringen. Der Betriebsrat, der verweigere dort, lese ich, die Kommunikation mit den Arbeitnehmeranwälten im Falle von Kündigung. Ich verstehe das so, dass im Anhörungsverfahren dort ein Anwalt anruft, nachfragt, "sagt mal habt ihr der Kündigung widersprochen, ordentlich? " und der Betriebsrat redet dort nicht mit den Anwälten. Warum auch immer. Also nach Stuttgart gesagt, ihr habt Recht, bitte redet mit den Anwälten, das dürft ihr auch, ihr dürft nur keine Geheimnisse verraten. Aber es ist kein Geheimnis, dass der Betriebsrat einer Kündigung widersprochen hat. Ich sage Ihnen mal, warum ich das so dringend brauche, die Information, als Arbeitnehmeranwalt. Der Betriebsrat wird ja angehört, vollständig hoffentlich, und manchmal erzählt der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess etwas ganz anderes. Der bezieht sich auf einmal auf völlig neue Kündigungsgründe. Das ist nicht verboten. Das darf er. Aber zu diesen weiteren Gründen muss der Arbeitgeber, was er oftmals nicht weiß, wiederum den Betriebsrat anhören. Hat er das nicht gemacht, ist die Kündigung allein aus diesem Grund hinfällig. Also bitte reden Sie mit Anwälten. Todsünde #4 aus Pelzerhaken: Es könnte doch eine Todsünde sein, wenn unser Arbeitgeber immer sagt: "Komm, ich schließe mit dir keine Betriebsvereinbarung ab, sondern wir machen eine bloße Regelungsabrede." Sie haben völlig Recht. Eine Regelungsabrede ist zwar ebenfalls eine wirksame Abrede, aber nur zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Was heißt das? Der einzelne Arbeitnehmer kann sich darauf nicht berufen. Deswegen hasse ich Regelungsabreden und ich liebe Betriebsvereinbarungen. Und noch ein Wort: Der kluge Arbeitgeber sagt manchmal bei speziellen Themen, gesundheitsbezogenen Themen oftmals: "Komm, lass uns eine Integrationsvereinbarung abschließen." Das wäre auch sehr problematisch. Denn die gilt, anders als die Betriebsvereinbarung, nur für die schwerbehinderten Arbeitnehmer. Todsünde #5: Der Betriebsratsvorsitzende lädt ein Ersatzmitglied, weil das ordentliche Betriebsratsmitglied sagt: „Ich habe einen zu vollen Schreibtisch.“ Das heißt, "ich bin beschäftigt, ich kann nicht, ich habe jetzt eine Auftragsspitze". Sie haben völlig Recht. Vorschlag aus Berlin-Zehlendorf. Ein zu voller Schreibtisch ist kein Verhinderungsgrund, ich bitte Sie. Die Amtstätigkeit geht der normalen Arbeit vor. Das heißt, in diesem Falle dürfte der Betriebsratsvorsitzende um keinen Preis ein Ersatzmitglied laden. Tut er es doch, dann nimmt jemand an der Betriebsratssitzung teil, der dazu gar nicht berechtigt ist. Und auch der Betriebsratsvorsitzende würde damit eine Amtspflichtverletzung begehen.

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