Anspruch auf Gehaltserhöhung

BAG 5 AZR 94/91 vom 11. Dez. 1991

Nicht amtlicher Leitsatz

Ein Anspruch auf Gehaltserhöhung kann sich auch aus betrieblicher Übung ergeben. Allein der Umstand, daß der Arbeitgeber das Gehalt in der Vergangenheit in Anlehnung an die Tarifentwicklung im Vorjahr erhöht hatte, führt jedoch nicht zu einer betrieblichen Übung, die Ansprüche auf Gehaltserhöhungen in der Zukunft begründet. Vielmehr ist im Bereich außertariflicher Gehälter regelmäßig davon auszugehen, daß Gehaltserhöhungen im Wege freier Vereinbarung erfolgen sollen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zu einer Gehaltserhöhung verpflichtet ist. Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. November 1978 als Lagermeister beschäftigt. Bei den Vertragsverhandlungen hatte die Beklagte ein Monatsgehalt von 2.300,-- DM geboten, der Kläger hatte 2.900,-- DM verlangt. Die Parteien einigten sich auf einen Betrag von 2.600,-- DM. Die Beklagte erhöhte das Gehalt des Klägers bis 1988 alljährlich zumindest um den Prozentsatz, um den die Tarifgehälter angehoben wurden, und zwar bis 1982 jeweils ab 1. August und danach jeweils ab 1. Juli. Ab 1. Juli 1988 belief sich das monatliche Gehalt des Klägers einschließlich vermögenswirksamer Leistungen und anteiligen Urlaubsgeldes auf 4.295,-- DM und ab 1. März 1990 auf 4.400,50 DM.

Das Formularschreiben vom 1. Juli 1979, mit dem die Beklagte die Gehaltserhöhung zum 1. August 1979 ankündigte, lautet auszugsweise wie folgt:

"Die Gehaltserhöhung ist für die Abdeckung der gestiegenen Lebenshaltungskosten und zusätzlich als Leistungsanerkennung gedacht."

In den Formularschreiben der Beklagten an den Kläger vom 1. Juli 1980, 1. Juli 1981, 1. Juli 1983, 1. Juli 1984 und vom 30. Juni 1985 heißt es auszugsweise jeweils ohne Bezugnahme auf Tarifverträge und Tariflohnerhöhungen:

"Wir haben Ihre Monatsbezüge mit Wirkung vom ... auf ... festgesetzt und bitten um Kenntnisnahme."

Das Schreiben vom 9. Juli 1987, mit dem die Beklagte die "monatlichen Bezüge - einschl. Urlaubsgeld und vermögenswirksame Leistungen - auf DM 4.150,--" festsetzte, nimmt wiederum auf die tarifliche Arbeitszeitverkürzung und die Tariflohnerhöhung zum 1. März 1987 um 1,7 % Bezug. In dem Schreiben vom 5. August 1988 heißt es u.a.:

"... im Zuge der tariflichen Veränderungen werden Ihre monatlichen Bezüge angehoben."

Mit Schreiben vom 15. Dezember 1988 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. Juni 1989, um mit ihm eine tarifkonforme Vertragsgestaltung vereinbaren zu können. Gleichzeitig bot sie dem Kläger an, ihn ab 1. Juli 1989 auf der Grundlage eines völlig neuen Arbeitsvertrages weiterzubeschäftigen: Die Vergütung sollte monatlich 4.191,-- DM (zuzüglich vermögenswirksame Leistungen und Urlaubsgeld) betragen und sich aus einem Gehalt nach Tarifgruppe V 4 von 3.367,-- DM und einer Ausgleichszulage von 824,-- DM zusammensetzen, die bei Änderungen des Gehaltstarifs oder der tariflichen Einstufung sollte verrechnet werden können. Im übrigen sollten die für die Groß- und Außenhandelsunternehmen geltenden Tarifverträge anwendbar sein. Dagegen wandte sich der Kläger im Verfahren 12 Ca 9362/88 vor dem Arbeitsgericht Köln. Durch rechtskräftiges Urteil vom 3. März 1989 wurde festgestellt, "daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 15. Dezember 1988 zum 30. Juni 1989 nicht aufgelöst wird und die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist". Außerdem wurde die Beklagte zur Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen verurteilt.

In der Gehaltsabrechnung für Mai 1989 gliederte die Beklagte die Bezüge des Klägers erstmals in ein Gehalt von 3.367,-- DM, eine Zulage von 824,-- DM, anteiliges Urlaubsgeld von 68,-- DM und eine vermögenswirksame Leistung von 52,-- DM auf. In gleicher Weise verfuhr die Beklagte in der Juni-Abrechnung 1989. Mit Schreiben vom 2. Juni 1989 beanstandete der Kläger diese Aufteilung seines Gehalts. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß an der rechtlichen Stellung des Klägers nichts verändert werde und das Gehalt lediglich aus rechnungstechnischen Gründen in ein Tarifgehalt und eine außertarifliche Zulage aufgeteilt worden sei. Mit Formularschreiben vom 3. Juli 1989 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sich seine Bezüge trotz der Erhöhung seines Tarifgehalts von 3.367,-- DM um 128,-- DM auf 3.495,-- DM nicht änderten, da sich gleichzeitig die außertarifliche Zulage von 824,-- DM um 128,-- DM auf 696,-- DM verringere. Bei den anderen Arbeitnehmern verfuhr die Beklagte ebenso. Anläßlich der Anhebung der Tariflöhne um 4,9 % zum 1. März 1990 erhöhte die Beklagte das Monatsgehalt des Klägers auf 4.400,50 DM. Den Betriebsrat beteiligte sie nicht.

Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger zunächst die Erhöhung seines Gehalts für die Zeit vom 1. Juli 1989 bis zum 30. Juni 1990 begehrt, und zwar um die Prozentsätze, um die die Tarifgehälter angehoben wurden. In der Revisionsinstanz verfolgt er sein Begehren nur noch für die Zeit vom 1. März bis zum 30. Juni 1990 weiter.

Der Kläger hat vorgetragen: Die Beklagte habe sich bei den Gehaltserhöhungen - obgleich nicht tarifgebunden - an den Tarifabschlüssen Groß- und Außenhandel orientiert und sie zeitversetzt weitergegeben. Dabei habe er die Lohnerhöhungen regelmäßig auf sein Effektivgehalt erhalten, obwohl die Beklagte bei anderen Arbeitnehmern nur die Tarifgehälter erhöht habe. Ihm gegenüber habe man das damit begründet, daß er als Leistungsträger anders vergütet werden solle. Gemäß einer bei Begründung des Arbeitsverhältnisses getroffenen Vereinbarung hätten damit seine Leistungsbereitschaft und seine Qualifikation abgegolten werden sollen. Die Erhöhung seines Effektivgehalts entsprechend den Tariflohnerhöhungen sei damit zum Inhalt seines Arbeitsvertrages geworden. Durch die jährliche Weitergabe der Tariflohnerhöhung auf die Gesamtbezüge sei darüber hinaus ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, von dem die Beklagte nicht abweichen könne. Die ab Mai 1989 vorgenommene Aufgliederung in ein Gehalt und eine Zulage widerspreche der Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln vom 3. März 1989 (12 Ca 9362/88). Bereits in diesem Verfahren habe die Beklagte vergeblich versucht, die bisherigen Bezüge vertraglich in das Tarifgruppengehalt und einer außertariflichen Zulage festzuschreiben. Selbst wenn man aber von einem Tarifgehalt und einer übertariflichen Zulage ausgehe, stehe der Anrechnung der Zulage auf die Tariflohnerhöhung die Leistungsbezogenheit der Zulage entgegen. Unabhängig davon ergebe sich die Unwirksamkeit der Maßnahme auch unter dem Gesichtspunkt des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 204,27 DM nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: Die Zulage des Klägers von 824,-- DM sei bei Tariflohnerhöhungen aufzehrbar. Es handele sich nicht um eine Leistungszulage. Ein Anspruch auf Erhöhung der Bezüge ergebe sich auch nicht aus betrieblicher Übung. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats seien nicht verletzt, weil bei allen in Betracht kommenden Mitarbeitern eine Aufzehrung der Zulage erfolgt sei. Ein Mitbestimmungsrecht komme nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber nach Gutdünken teils anrechne, teils nicht anrechne. Im übrigen sei die Aufzehrung übertariflicher Zulagen im Falle von Tariflohnerhöhungen keine gestaltende Entscheidung des Arbeitgebers, sondern lediglich die Anwendung einer vorgegebenen Tarifautomatik.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers nach Beweisaufnahme zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag für die Zeit vom 1. März bis zum 30. Juni 1990 weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf höhere Gehaltszahlungen hat.

I.1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß sich der geltend gemachte Anspruch nicht aus einer schriftlichen oder mündlichen Zusage ergibt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Eine schriftliche Zusage der Beklagten, das Gehalt des Klägers jeweils entsprechend den Tariflohnerhöhungen anzuheben, liege nicht vor. Weder das Einstellungsschreiben vom 30. Oktober 1978 noch die nachfolgenden Gehaltsmitteilungen enthielten Anhaltspunkte für eine entsprechende Verpflichtungserklärung. Die vom Kläger behauptete mündliche Zusage durch den damaligen Geschäftsführer der Beklagten, die jeweiligen Tariflohnerhöhungen weiterzugeben, sei durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt worden. Dem Kläger sei auch keine Leistungs- oder andere Zulage versprochen worden, die zum jeweiligen Tariflohn zu gewähren sei. Vielmehr sei - wie sich aus dem Einstellungsschreiben und den alljährlich erfolgten Gehaltsmitteilungen ergebe - ein Gesamtentgelt vereinbart worden, der bis zur Lohnabrechnung für Mai 1989 immer nur in einem Betrag ausgewiesen worden sei.

...

II. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch einen Anspruch aus betrieblicher Übung verneint.

1.a) Unter betrieblicher Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen, die bei den Betriebsangehörigen den Eindruck einer Gesetzmäßigkeit oder eines Brauchs erwecken. Die tatsächliche Übung ist als solche keine Rechtsquelle eigener Art; ihr kommt keine normative Wirkung zu, und sie setzt auch nicht betriebliches Gewohnheitsrecht. Sie gestaltet vielmehr durch eine an alle betroffenen Arbeitnehmer gerichtete konkludente Gesamtzusage die einzelnen Arbeitsverhältnisse. Aus ihr erwachsen vertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf die üblich gewordenen Vergünstigungen. Voraussetzung für die Begründung vertraglicher Ansprüche durch eine betriebliche Übung ist, daß die begünstigten Arbeitnehmer die tatsächliche Übung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§§ 133157 BGB) dahin verstehen durften, der Arbeitgeber habe sich in bestimmter Weise binden wollen. Dabei kommt es auf alle Umstände des Falles an.

b) Es ist anerkannt, daß sich aus betrieblicher Übung auch ein Anspruch auf Gehaltserhöhung ergeben kann. Dies gilt entsprechend für außertariflich vergütete Arbeitnehmer. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, allein der Umstand, daß der Arbeitgeber das Gehalt in der Vergangenheit in Anlehnung an die Tarifentwicklung im Vorjahr erhöht hatte, führe nicht zu einer betrieblichen Übung, die Ansprüche auf Gehaltserhöhungen in der Zukunft begründe. Im Bereich außertariflicher Gehälter sei regelmäßig davon auszugehen, daß Gehaltserhöhungen im Wege freier Vereinbarung erfolgen sollen. Der Arbeitgeber müsse bei der Frage, ob und in welcher Höhe er Gehaltserhöhungen vornehmen will, jeweils eine Reihe von wirtschaftlichen Gegebenheiten berücksichtigen und sich - auch dem Arbeitnehmer erkennbar - die Entscheidung jeweils offenhalten.

2. In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht folgendes ausgeführt: Die Beklagte habe das Effektivgehalt des Klägers zwar bis 1989 regelmäßig angehoben. Hieraus habe aber der Kläger noch nicht auf einen Verpflichtungswillen der Beklagten schließen können, daß auch in Zukunft ebenso verfahren werde. Die dargestellten Grundsätze würden ebenso dann gelten, wenn ein Arbeitgeber - wie auch im vorliegenden Fall - jährlich in Anlehnung an tarifliche Erhöhungen die bereits erheblich über dem Tarifgehalt liegenden Effektivgehälter seiner Arbeitnehmer anhebe. Auch insoweit habe der Kläger nicht darauf vertrauen dürfen, daß diese Praxis ohne Rücksicht auf die konjunkturelle Situation, die Gehaltspolitik des Unternehmens und sonstige, auf sein Arbeitsverhältnis bezogene Gesichtspunkte beibehalten werde. Konkrete Anhaltspunkte, die im vorliegenden Falle eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, lägen nicht vor.

3. Gegen die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur betrieblichen Übung wendet sich die Revision mit der Begründung, aus den vorbehaltlosen und unter Bezugnahme auf die Tariflohnänderungen vereinbarten Erhöhungen sei beim Kläger ein schutzwürdiges Vertrauen darauf entstanden, daß seine Vergütung im Zusammenhang mit den Erhöhungen im Tarifbereich zumindest um den dort vereinbarten Prozentsatz angehoben werden würde.

Damit kann die Revision nicht durchdringen. Das Landesarbeitsgericht hat - in Übereinstimmung mit dem Akteninhalt - festgestellt, daß die Schreiben vom 1. Juli 1980, 1. Juli 1981, 1. Juli 1983, 1. Juli 1984 und vom 30. Juni 1985, mit denen die Beklagte die Gehaltserhöhungen ankündigte, die jährlichen Tariflohnerhöhungen nicht erwähnten. Erst in den Schreiben vom 9. Juli 1987 und vom 5. August 1988 wurden die Tariflohnerhöhungen in Be zug genommen. Soweit die Revision geltend machen will, in sämtlichen Schreiben sei die Gehaltserhöhung unter Bezugnahme auf die Tariflohnerhöhungen angekündigt worden, handelt es sich demnach um neuen - und noch dazu erkennbar unrichtigen - Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden kann.

Der Kläger kann sich auch nicht auf das Senatsurteil vom 10. August 1988 stützen. In diesem Fall lagen besondere Umstände vor, die auf eine Erhöhungsverpflichtung des Arbeitgebers hindeuteten, nämlich der Vertragswortlaut und eine entsprechende Empfehlung der Kultusministerkonferenz.

III. Schließlich hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt, daß die Klage auch nicht deshalb begründet ist, weil die Beklagte Mitbestimmungsrechte des bei ihr gebildeten Betriebsrates nicht beachtet hätte.

1. Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts hat seinen Beschlüssen vom 3. Dezember 1991 zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen folgende Leitsätze vorangestellt (Pressemitteilung vom 3. Dezember 1991 - Nr. 26/91):

"1.a) Die Änderung der Verteilungsgrundsätze infolge Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf über-/außertarifliche Zulagen unterliegt grundsätzlich der Mitbestimmung des Betriebsrats, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber sich die Anrechnung bzw. den Widerruf vorbehalten hat.

b) Dieses Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entfällt, soweit tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entgegenstehen. Ein tatsächliches Hindernis liegt vor bei der Reduzierung des Zulagenvolumens auf Null. Ein rechtliches Hindernis liegt vor bei einer vollständigen und gleichmäßigen Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf über-/außertarifliche Zulagen.

2. Bis zu einer Einigung mit dem Betriebsrat kann der Arbeitgeber das Zulagenvolumen und - unter Beibehaltung der bisherigen Verteilungsgrundsätze - auch entsprechend die einzelnen Zulagen kürzen. Beachtet der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht nicht, sind Anrechnung bzw. Widerruf gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern rechtsunwirksam."

Im letztgenannten Fall hat also der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die ungekürzte Zulage weiterzuzahlen.

2. Voraussetzung für den Eintritt dieser Rechtsfolge ist aber, daß individualrechtlich überhaupt ein Anspruch auf Zahlung einer Zulage besteht. Davon läßt sich nur dann sprechen, wenn der Arbeitnehmer zunächst einmal Anspruch auf die tarifliche Vergütung hat. Auf das Arbeitsverhältnis muß also ein Lohn- oder Gehaltstarifvertrag anwendbar sein, sei es aufgrund Tarifbindung beider Parteien, sei es aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung, sei es aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung. Entscheidend ist also, ob die Vergütung in Tariflohn und übertarifliche Zulage aufteilbar ist. Das kann auch dann der Fall sein, wenn die Vergütungsabrede eine Aufspaltung der Gesamtbezüge in einen einer einschlägigen tariflichen Eingruppierung entsprechenden Teil und einen übertariflichen Anteil aufweist. Fehlt es daran und/oder an dem Einfluß tariflicher Vergütungsregelungen aufgrund Tarifbindung, Allgemeinverbindlichkeit oder vertraglicher Bezugnahme auf tarifliche Regelungen, so kann die Vertragsabsprache nicht in Beziehung zu tariflichen Löhnen oder Gehältern gesetzt werden. Es wird dann nur eine einheitliche Vergütung gebildet. Bleibt diese unverändert, so kann von einem Widerruf oder einer Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf eine übertarifliche Zulage nicht die Rede sein, so daß kein etwaiger Verstoß gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vorliegen kann.

3. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers waren die einschlägigen Gehaltstarifverträge für den Groß- und Außenhandel in Nordrhein-Westfalen nicht anwendbar. Nach seinem eigenen Vortrag in der Berufungsinstanz ist die Beklagte nicht tarifgebunden. Die genannten Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel in Nordrhein-Westfalen waren - soweit für die vorliegende Betrachtung erheblich ist - auch nicht allgemeinverbindlich.

Schließlich ist die Geltung dieser Tarifverträge auch nicht einzelvertraglich vereinbart worden, und es ist auch nicht in anderer Weise ein Bezug zu den Tarifgehältern hergestellt worden. Zwar wollte die Beklagte mit ihrer Änderungskündigung vom 15. Dezember 1988 unter anderem die Vereinbarung der Geltung des einschlägigen Gehaltstarifvertrages erreichen. Der Kläger ging gegen die beabsichtigte Änderung gerichtlich vor und obsiegte vor dem Arbeitsgericht Köln mit Urteil vom 3. März 1989 (12 Ca 9362/88). Damit ist es bei der Geltung einer nicht aufgegliederten Vergütung geblieben, wie sie bei Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgehandelt worden war. Der Kläger wandte sich auch gegen die Aufschlüsselung seines Gehalts in der Mai-Abrechnung 1989. Daß der Kläger dies tat, weil er - fälschlich - von einem Anspruch auf jährliche prozentuale Gehaltserhöhungen entsprechend den tariflichen Gehaltsanhebungen, mindestens aber von einer nicht aufzehrbaren festen Zulage in Höhe von 824,-- DM ausging, ist rechtlich unerheblich. Eine Vereinbarung, wonach die Beklagte dem Kläger "das Tarifgehalt" und eine - unter Umständen aufzehrbare - Zulage von 824,-- DM schuldet, ist also zu keinem Zeitpunkt zustandegekommen. Vielmehr schuldete die Beklagte (nur) das Gehalt in Höhe von 4.295,-- DM.

Die Beklagte hat also beim Kläger entgegen ihrer dem Schreiben vom 3. Juli 1989 zugrunde liegenden Rechtsauffassung keine Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Vergütungsbestandteile vorgenommen, sondern nur sein Gehalt unverändert gelassen. Die Beklagte hat das Gehalt des Klägers zum 1. März 1990 erhöht, jedoch nicht um den Betrag, um den die Tarifgehälter angehoben wurden. Eine Anrechnung dieser Tariflohnerhöhung auf eine übertarifliche Zulage fand auch 1990 nicht statt, da bis zu diesem Zeitpunkt keine Zulage geschuldet war.