Mitbestimmung des Betriebsrats bei Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen

BAG 1 AZR 461/90 vom 22. Sep. 1992

Leitsatz

1. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen erstreckt sich nur auf kollektive Tatbestände. Wird die Tariflohnerhöhung gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer mit Rücksicht darauf angerechnet, daß dieser trotz Umsetzung auf einen tariflich niedriger bewerteten Arbeitsplatz unverändert die bisherige Vergütung erhält, handelt es sich dabei in der Regel nicht um einen der Mitbestimmung unterliegenden kollektiven Tatbestand.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte eine Tariflohnerhöhung rechtswirksam auf eine übertarifliche Zulage des Klägers angerechnet hat.

Der Kläger ist seit 12. Juli 1976 bei der Beklagten als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie mit ca. 380 Arbeitnehmern. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge der Feinkost-, Nährmittel- und Teigwarenindustrie in Hessen/Rheinland-Pfalz Anwendung. Der Kläger wurde zunächst als Staplerfahrer eingesetzt. 1979 erlitt er bei einem Arbeitsunfall eine Handverletzung. Da sich in der Folgezeit ein Einsatz als Staplerfahrer auf Dauer nicht mehr als möglich herausstellte, wurde der Kläger 1983 mit seinem Einverständnis auf eine Stelle als Pförtner umgesetzt. Er blieb dabei unverändert eingruppiert in Lohngruppe 2 des einschlägigen LohnTV, während die Pförtnertätigkeit der Lohngruppe 4 entspricht.

Der Stundenlohn des Klägers belief sich zuletzt auf 14,80 DM brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Im Stundenlohn war eine nicht gesondert ausgewiesene freiwillige übertarifliche Zulage enthalten, die seitens der Beklagten jederzeit widerruflich und auf das Ergebnis zukünftiger Tarifabschlüsse voll anrechenbar war.

Die Beklagte gewährt etwa 80 % der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer eine übertarifliche Vergütung. Nur die in den technischen Hilfsdiensten und damit vorwiegend mit einfachen Arbeiten eingesetzten Arbeitnehmer erhalten im allgemeinen den Tariflohn.

Zum 1. März 1988 stieg der tarifliche Stundenlohn des Klägers von 12,43 DM auf 12,86 DM brutto an. Die Beklagte rechnete die Tariflohnerhöhung voll auf die dem Kläger gewährte übertarifliche Zulage an. Aus verschiedenen Gründen nahm die Beklagte auch bei weiteren 13 Arbeitnehmern ihres Betriebes eine Anrechnung vor. Bei den übrigen Arbeitnehmern wurde die Tariflohnerhöhung dagegen effektiv weitergegeben. Der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat wurde bei der Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertariflichen Zulagen nicht beteiligt.

Der Kläger hält die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage für unwirksam. Er hat geltend gemacht, die Beklagte habe ihm bei seiner 1983 erfolgten Versetzung auf die seither ausgeübte Pförtnerposition ausdrücklich zugesichert, daß er hierdurch keine Lohneinbußen erleiden werde. Für die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage gäbe es daher keinen sachlichen Grund. Im übrigen habe die Beklagte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht beachtet. Sie habe ihm daher den Betrag zu bezahlen, um den sich die übertarifliche Zulage nach der Anrechnung der Tariflohnerhöhung verringert habe. Dieser Differenzbetrag belaufe sich für die Monate März bis Juli 1988 auf monatlich 74,39 DM, insgesamt also auf 371,95 DM.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 371,95 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, bei der Anrechnung habe es sich um eine sachlich begründete einzelfallbezogene Maßnahme gehandelt. Bei der 1983 vollzogenen Umsetzung sei dem Kläger nur zugesichert worden, daß er hierdurch zunächst keine Lohneinbußen erleiden werde. Nachdem sich jedoch in der Folgezeit abgezeichnet habe, daß er auch künftig nur noch als Pförtner tätig sein könne, habe sie im Hinblick auf die niedrigere tarifliche Eingruppierung der Pförtnertätigkeit eine gewisse Lohnangleichung vollzogen. So habe sie erstmals im Jahre 1986 nicht die volle Tariflohnerhöhung weitergegeben, sondern diese teilweise zur Anrechnung gebracht.

Die Pförtnertätigkeit werde nach Lohngruppe 4 derzeit mit einem Stundenlohn von 10,67 DM vergütet, während der Kläger nach der Lohngruppe 2 einen Stundenlohn von zuletzt 12,86 DM erhalte. Die jetzt durchgeführte Anrechnung der Tariflohnerhöhung sei auch erfolgt, um eine Umgruppierung des Klägers vorerst zu vermeiden. Im übrigen sei zu berücksichtigen, daß der Kläger zwischenzeitlich eine BG-Unfallrente in Höhe von monatlich 632,-- DM erhalte. Da es sich bei der Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage des Klägers um eine einzelfallbezogene Maßnahme gehandelt habe, sei der Betriebsrat nicht zu beteiligen gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Tariflohnerhöhung auf die dem Kläger gewährte übertarifliche Zulage ohne vorherige Beteiligung des Betriebsrats anzurechnen.

I. Die Beklagte war individualrechtlich zur Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage berechtigt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger eine freiwillige übertarifliche Zulage erhalten, die seitens der Beklagten jederzeit widerruflich und auf das Ergebnis zukünftiger Tarifabschlüsse voll anrechenbar war.

Geht man davon aus, daß sich die zwischen den Parteien vereinbarte Möglichkeit der Anrechnung von Tariflohnerhöhungen in der Weise auswirkt, daß der bisher übertarifliche Lohnbestandteil nach der Tariflohnerhöhung in der Höhe des Erhöhungsbetrages nicht mehr als übertariflicher Lohn, sondern als Tariflohn anzusehen ist, hat sich der übertarifliche Lohnbestandteil damit automatisch um den Betrag der Tariflohnerhöhung verringert.

Auch wenn man in der Anrechnung keinen solchen Automatismus, sondern die Ausübung eines Gestaltungsrechts des Arbeitgebers sieht, ist die im vorliegenden Fall erfolgte Kürzung der übertariflichen Zulage wirksam. Zwar kann von der Möglichkeit der Anrechnung gemäß § 315 Abs. 1 BGB nur unter Beachtung billigen Ermessens Gebrauch gemacht werden. Wird aber - wie hier - die übertarifliche Zulage ausdrücklich mit der Maßgabe zugesagt, daß auf sie tarifliche Veränderungen angerechnet werden können, so ist eine Tariflohnerhöhung regelmäßig ein Grund, der die Anrechnung billigem Ermessen entsprechend erscheinen läßt.

Es ist auch kein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung ersichtlich. Dieser Grundsatz verbietet es dem Arbeitgeber, gleichliegende Sachverhalte ohne sachlichen Grund ungleich zu behandeln. Die Beklagte hat zwar die Tariflohnerhöhung bei der überwiegenden Zahl der betroffenen Arbeitnehmer nicht auf die übertarifliche Zulage angerechnet. Sie hat jedoch die Anrechnung im Fall des Klägers begründet mit dessen übertariflicher Eingruppierung. Insoweit liegt im Verhältnis zu den anderen Arbeitnehmern ein nicht vergleichbarer Sachverhalt vor, der geeignet ist, die unterschiedliche Behandlung sachlich zu rechtfertigen. Daß die Beklagte auch in anderen Fällen nicht zutreffender tariflicher Eingruppierung die Tariflohnerhöhung voll weitergegeben hätte, hat auch der Kläger nicht behauptet.

Der Kläger kann sich auch nicht auf eine bei der 1983 erfolgten Versetzung gegebene Zusage der Beklagten berufen, er werde keine Lohneinbußen erleiden. Diese Zusage ist vor dem Hintergrund der Übertragung einer tariflich niedriger eingruppierten Tätigkeit als Zusage der Wahrung des Besitzstandes zu werten. Der Besitzstand des Klägers ist nicht berührt. Er ist weiterhin eingruppiert in die ursprüngliche Lohngruppe. Sein Effektivlohn hat sich nicht verringert. Die Zahlung einer übertariflichen Zulage stand nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von vornherein unter dem Vorbehalt der Anrechnung künftiger Tariflohnerhöhungen. Wenn die Beklagte von diesem Vorbehalt also jetzt - wie im übrigen auch schon in 1986 - Gebrauch macht, kann das nicht als Lohneinbuße in dem hier maßgeblichen Sinne angesehen werden.

Die erfolgte Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die dem Kläger gewährte übertarifliche Zulage war danach individualrechtlich zulässig.

II. Die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die dem Kläger gewährte übertarifliche Zulage ist nicht aus kollektivrechtlichen Gründen unwirksam. Es liegt keine Maßnahme der betrieblichen Lohngestaltung vor, die nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig wäre.

1. Wie der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts im Beschluß vom 3. Dezember 1991 entschieden hat, unterliegt nicht nur die Aufstellung von Verteilungsgrundsätzen für übertarifliche Zulagen, sondern auch die Änderung dieser Verteilungsgrundsätze grundsätzlich gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber sich die Anrechnung bzw. den Widerruf vorbehalten hat oder sich die Anrechnung automatisch vollzieht. Das Mitbestimmungsrecht entfällt allerdings, wenn ihm tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entgegenstehen, d.h. für den Betriebsrat kein Regelungsspielraum mehr verbleibt.

a) Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG soll den Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmens orientierten oder willkürlichen Lohngestaltung schützen. Es soll die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges und die Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sichern.

Die Entscheidung des Arbeitgebers, eine Tariflohnerhöhung zum Teil auf die übertariflichen Zulagen in unterschiedlicher Höhe anzurechnen und einige Zulagen auch zu erhöhen, um so eine gewisse Harmonisierung des gesamten Lohngefüges zu erreichen, verändert den Verteilungsgrundsatz und betrifft deshalb unmittelbar die betriebliche Lohngestaltung in diesem Sinne. Sie ist daher mitbestimmungspflichtig. Ob ein Mitbestimmungsrecht bei der Neuverteilung des durch die Anrechnung bzw. den Widerruf gekürzten Zulagenvolumens besteht, hängt dabei nicht davon ab, ob die Anrechnung von Tariflohnerhöhungen bzw. der Widerruf konstitutive Entscheidungen des Arbeitgebers sind oder ob es sich hierbei nur um die Feststellung einer Automatik handelt. Entscheidend ist allein, ob die Anrechnung bzw. der Widerruf zu einer Änderung der Verteilungsgrundsätze für die übertariflichen Zulagen führt; eine solche Änderung ist grundsätzlich mitbestimmungspflichtig.

b) Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG besteht allerdings nur dann, wenn es um die Festlegung allgemeiner (kollektiver, genereller) Regelungen geht. Das ergibt sich nach der Rechtsprechung des Senats in Übereinstimmung mit dem Beschluß des Großen Senats bereits aus dem Wortlaut des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, der ein Mitbestimmungsrecht bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung gibt und als Beispiele die Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen sowie die Einführung, Anwendung und Änderung von Entlohnungsmethoden aufführt. Die individuelle Lohngestaltung, Regelungen mit Rücksicht auf bestimmte Umstände des einzelnen Arbeitnehmers, bei denen ein innerer Zusammenhang zu ähnlichen Regelungen für andere Arbeitnehmer nicht besteht, unterliegen demzufolge nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Ob ein kollektiver Tatbestand vorliegt, bestimmt sich nicht allein quantitativ. Beim Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG richtet sich die Abgrenzung von Einzelfallgestaltung zu kollektivem Tatbestand vielmehr danach, ob es um die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen geht. Hierbei kann die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer ein Indiz dafür sein, ob ein kollektiver Tatbestand vorliegt oder nicht. Denn es würde dem Zweck des Mitbestimmungsrechts widersprechen, wenn der Arbeitgeber es dadurch ausschließen könnte, daß er mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern jeweils individuelle Vereinbarungen über eine bestimmte Vergütung trifft und sich hierbei nicht selbst binden und keine allgemeinen Regelungen aufstellen will. Mit der Vorgabe, nur individuell entscheiden zu wollen, könnte jedes Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen werden.

c) Auch wenn der Arbeitgeber keine ausdrücklichen Regelungen aufstellt, sondern von Fall zu Fall die Höhe der einer Vielzahl von Arbeitnehmern gewährten übertariflichen Zulage überprüft, kann ein kollektiver Bezug gegeben sein. Dies wird besonders deutlich, wenn die Anrechnung mit Leistungsgesichtspunkten begründet wird.

Die Bemessung übertariflicher Zulagen nach der Qualität der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer setzt stets eine irgendwie definierte Mindestleistung voraus, die allein mit dem Tariflohn vergütet werden soll. Nur so läßt sich feststellen, daß eine Arbeitsleistung einen übertariflich zu vergütenden Wert hat. Die Mindestleistung, für die nur der Tariflohn bezahlt werden bzw. bei der angerechnet werden soll, ist dabei unabhängig vom Einzelfall, sondern abstrakt-generell bestimmt. Selbst wenn also tatsächlich die Bewertung der Arbeitsleistung anläßlich der Prüfung, ob eine Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen angerechnet werden soll, nicht nach klar vorgegebenen abstrakten Kriterien erfolgt, sondern auf der Grundlage eines "Bündels von Kriterien", ist regelmäßig ein kollektiver Tatbestand anzunehmen, weil die Leistung eines jeden Arbeitnehmers zu den vorgegebenen Mindestanforderungen in Beziehung gesetzt wird.

Bei der Prüfung, ob eine Tariflohnerhöhung auf die übertariflichen Zulagen einer Mehrzahl von Arbeitnehmer angerechnet werden soll, werden weiterhin in der Regel die Leistungen der einzelnen Arbeitnehmer zueinander ins Verhältnis gesetzt. So ist gerade der "Wert" eines Arbeitnehmers nicht nur von seinen persönlichen Fähigkeiten und Arbeitsmarktgesichtspunkten abhängig. Der Wert eines Arbeitnehmers für den Arbeitgeber hängt vielmehr auch ganz wesentlich davon ab, wie wichtig ein Arbeitnehmer für den Betrieb ist. Dies kann allerdings nur dadurch ermittelt werden, daß man die Leistungen dieses Arbeitnehmers in Beziehung setzt zu betrieblichen Erfordernissen und zu den Leistungen anderer Arbeitnehmer.

Rechnet der Arbeitgeber daher aufgrund einer solchen Leistungsbeurteilung bei einem Arbeitnehmer eine Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage an, steht diese Entscheidung in einem inneren Zusammenhang zu Anrechnungs- bzw. Nichtanrechnungsentscheidungen bei den anderen Arbeitnehmern. Durch die Verringerung der Zulagenhöhe des einen Arbeitnehmers bringt der Arbeitgeber zum Ausdruck, daß er dessen Arbeitsleistung geringer bewertet als die der anderen Arbeitnehmer, bei denen es zu keiner oder nur einer geringeren Anrechnung gekommen ist. Die Entscheidung des Arbeitgebers, eine Tariflohnerhöhung auf die einer Vielzahl von Arbeitnehmern gewährte übertarifliche Zulage in Einzelfällen wegen schlechter Arbeitsleistungen anzurechnen, verändert das leistungsbezogene übertarifliche Lohn- und Gehaltsgefüge und hat damit kollektiven Bezug.

Auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wird die Annahme eines kollektiven mitbestimmungspflichtigen Tatbestands nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Arbeitgeber die Arbeitsleistungen seiner Beschäftigten und damit die Höhe der übertariflichen Zulagen nicht anhand abstrakt definierter Kriterien bestimmt, sondern nach einer Liste nicht näher gewichteter Gesichtspunkte. Gerade in diesem Fall besteht nämlich die Gefahr einer willkürlichen Lohngestaltung durch den Arbeitgeber.

Bei der Leistungsbewertung mehrerer Arbeitnehmer und der davon abhängigen Höhe der jeweiligen übertariflichen Zulage ist daher in der Regel ein kollektiver Tatbestand gegeben. Nur wenn ausschließlich die Besonderheiten des konkreten Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf gerade den einzelnen Arbeitnehmer betreffende Umstände Maßnahmen erfordern und bei einander ähnlichen Maßnahmen gegenüber mehreren Arbeitnehmern kein innerer Zusammenhang besteht, kann ein kollektiver Bezug dieser Maßnahme verneint werden.

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall erweist sich die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage des Klägers als nicht mitbestimmungspflichtig.

Die Anrechnung ist allein durch Umstände bedingt, die in der Person des Klägers begründet sind und die in keinem inneren Zusammenhang zu den übrigen Anrechnungs- bzw. Nichtanrechnungsentscheidungen stehen. Die Beklagte hat die Anrechnung nicht wegen unzureichender Arbeitsleistungen des Klägers vorgenommen. Nachdem der Kläger im Jahre 1979 einen Arbeitsunfall gehabt hatte und seither nicht mehr seine ursprüngliche Tätigkeit als Staplerfahrer verrichten kann, sondern eine tariflich niedriger eingruppierte Pförtnertätigkeit ausübt, soll durch die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die zum unverändert gezahlten höheren Tariflohn gewährte übertarifliche Zulage eine gewisse Angleichung an den Tariflohn für Pförtnertätigkeit vollzogen werden. Diese Maßnahme berührt die anderen bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer nicht.

Allein in der Person des Klägers begründete Umstände bedingen die von der Beklagten vorgenommene Anrechnungsentscheidung. Weder die persönlichen Verhältnisse noch die Arbeitsleistungen der anderen Arbeitnehmer stehen in irgendeinem Zusammenhang zu den von der Beklagten hier aufgeführten Gründen für die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage des Klägers. Die mit der Anrechnung einhergehende Verringerung der übertariflichen Zulage ist damit keine Maßnahme der betrieblichen Lohngestaltung, sondern eine ausschließlich einzelfallbezogene Maßnahme. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG kommt hier auch unter Berücksichtigung der vom Großen Senat im Beschluß vom 3. Dezember 1991 aufgestellten Grundsätze nicht in Betracht.