Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen - Auslegung einer Betriebsvereinbarung

BAG 1 ABR 52/93 vom 20. Apr. 1994

Nicht amtlicher Leitsatz

Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Dezember 1991 unterliegt die Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen gemäß § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG nur dann und insoweit der Mitbestimmung, als sich die Verteilungsgrundsätze ändern und darüber hinaus für eine anderweitige Anrechnung bzw Kürzung ein Regelungsspielraum verbleibt. Mitbestimmungsfrei ist hingegen die vollständige und gleichmäßige Anrechnung auf alle Zulagen.

Gründe

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf eine übertarifliche Zulage.

Der Arbeitgeber ist ein Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie. Er betreibt zwei Werke in Düsseldorf-Heerdt (Werk I) und in Neuss (Werk II), in denen insgesamt ca. 180 Mitarbeiter beschäftigt werden. Weiterer Beteiligter ist der in den Werken I und II gewählte Betriebsrat.

Der Arbeitgeber wendet auf die Arbeitsverhältnisse seiner Mitarbeiter die einschlägigen Tarifverträge der Metallindustrie Nordrhein-Westfalens an. Im Werk I befindet sich die Blechverarbeitung mit den Abteilungen Schweißerei, Maschinenpark, Montage und Versand, im Werk II die sog. Verzinkerei. Zum Zeitpunkt der hier streitigen Anrechnung der Tariflohnerhöhung waren im Werk I 61 gewerbliche und 14 angestellte Mitarbeiter beschäftigt. Der Arbeitgeber gewährte allen Mitarbeitern eine übertarifliche Zulage, die sog. "R -Zulage". Diese wurde in unterschiedlicher Höhe sowohl an gewerbliche Arbeiter wie an Angestellte gezahlt als freiwillige, jederzeit widerrufliche Zulage. In vorgelegten Lohnmitteilungen vom Juni 1991 bzw. Juni 1992 heißt es dazu:

Bei übertariflichen Verdienstbestandteilen handelt es sich um freiwillige, jederzeit nach billigem Ermessen widerrufliche Leistungen, auf die auch bei wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch für die Zukunft besteht. Diese Leistungen sind ganz oder teilweise auf tarifliche Veränderungen, Umgruppierungen und tariflich vorgesehene Entgelterhöhungen anrechenbar.

Anfang 1991 beabsichtigte der Arbeitgeber im Werk I die Einführung einer Wechselschicht (Früh- und Spätschicht). Unter dem 12. Februar 1991 schlossen die Beteiligten eine Betriebsvereinbarung über die Einführung der Wechselschicht in den Abteilungen Maschinenpark und Schweißerei ab 18. Februar 1991. Die Betriebsvereinbarung enthält als Anlage 2 eine "Lohnvereinbarung für Schicht". In dieser Anlage ist für die im einzelnen namentlich benannten gewerblichen Mitarbeiter der Abteilungen Schweißerei, Maschinenpark, Montage, Staplerfahrer und Versand jeweils unter konkreter Bezifferung aufgeführt unter "Ist" der Lohn, der bei Abschluß der Betriebsvereinbarung zu zahlen war, und unter "Ab Schicht" der Lohn, der ab 18. Februar 1991 gezahlt werden sollte, aufgegliedert nach "TL" (= Tariflohn), "LZ" und "RW" (= R -Zulage). Eine weitere Rubrik "Ab TE 6 %" ist wiederum untergliedert in zahlenmäßige Beträge für "TL, LZ und RW" und nennt den erhöhten Endlohn. Außerdem enthält die Anlage 2 noch eine Berechnung "Ab TE 8 %" ohne namentliche Benennung der Mitarbeiter. In einer Anmerkung zur Anlage 2 heißt es:

Bei den Mitarbeitern H. M , H. H , H. J , H. Ha , H. Hi ergibt sich keine Lohnänderung und es erfolgt keine Anrechnung der diesjährigen Tariferhöhung. Ab Tariferhöhung 6 % bzw. 8 % ist eine theoretische Rechnung und dient nur der Festlegung der R -Zulage nach der diesjährigen Tariferhöhung.

Im Betrieb existiert außerdem eine handschriftliche Niederschrift ohne Datum, in der für ca. 30 namentlich aufgeführte Angestellte unterschiedliche Zulagen benannt werden. Diese Aufzeichnung endet mit dem Vermerk "Entspricht der Vereinbarung" und ist von Geschäftsleitung und Betriebsrat unterschrieben.

Die im Februar 1991 aufgenommene Wechselschicht wurde im September 1991 wieder eingestellt, die Betriebsvereinbarung vom 12. Februar 1991 wurde jedoch nicht gekündigt, die R -Zulage vielmehr an die betroffenen Mitarbeiter unverändert weitergezahlt. In der Tarifrunde 1992 der Metallindustrie erhöhte sich das Tarifentgelt für die Arbeiter und Angestellten um 5,4 %. Der Arbeitgeber rechnete den Betrag, um den sich die Tarifgehälter erhöhten, ab 1. Juni 1992 voll auf alle R -Zulagen an. Bei einzelnen Mitarbeitern war allerdings eine volle Anrechnung nicht möglich, weil sonst der Tariflohn unterschritten worden wäre. Mit seinem am 21. August 1992 bei Gericht eingegangenen Antrag hat der Betriebsrat die Feststellung begehrt, die Anrechnung sei unwirksam. Er hat die Auffassung vertreten, durch die im Zusammenhang mit der Betriebsvereinbarung über die Einführung der Schichtarbeit im Werk I getroffene Lohnvereinbarung sei für die R -Zulage eine Anrechnung künftiger Tariflohnerhöhungen ausgeschlossen worden. Dies ergebe sich aus der Anmerkung zu Anlage 2. Es sei nicht nur um den Ausschluß der Anrechnung der Tariflohnerhöhung 1991 gegangen. Die Festlegung der Zulage sei im Zusammenhang mit der Einführung der Schicht zu sehen. Er, der Betriebsrat, hätte seine Zustimmung hierzu nie gegeben, wenn seitens der Geschäftsleitung deutlich gemacht worden wäre, daß die Anrechnung nur im Jahre 1991 unterbleibe, jedoch bei späteren Tariflohnerhöhungen erfolgen könne. Auch die undatierte Betriebsvereinbarung sei im Sinne einer Festlegung der Zulage für die Angestellten in Höhe der dort genannten Prozentsätze zu verstehen.

Unabhängig davon sei die Anrechnung der Tariflohnerhöhung 1992 auch deshalb unwirksam, weil sie mitbestimmungspflichtig sei. Da sie in einzelnen Fällen zum Wegfall der Zulage geführt habe, in anderen Fällen gar nicht habe voll durchgeführt werden können, sei es zu einer Änderung der Verteilungsgrundsätze gekommen.

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt festzustellen, daß die Anrechnung der Tariferhöhung 1992 auf die sog. R -Zulage der Mitbestimmung des Betriebsrats unterlag und daher rechtsunwirksam ist.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat bestritten, daß mit der Betriebsvereinbarung die R -Zulage habe zukünftig gegenüber Tariflohnerhöhungen anrechnungsfest gestaltet werden sollen. Der Betriebsrat habe zwar die Zustimmung zur Einführung der Wechselschicht von einer Festlegung der Zulage abhängig gemacht. Es sei aber dabei nur um die bevorstehende Tariflohnerhöhung 1991 gegangen. Nur diese habe nicht angerechnet werden sollen. Da die Zulagen teilweise über 4,-- DM je Stunde gelegen hätten und dies der Geschäftsleitung zu hoch gewesen sei, habe man sich auf einen maximalen Betrag von 3,50 DM je Stunde geeinigt.

Die Anrechnung der Tariflohnerhöhung 1992 sei daher zulässig. Sie sei auch nicht mitbestimmungspflichtig gewesen, da sie voll und gleichmäßig bei allen betroffenen Arbeitnehmern erfolgt sei. Soweit wegen der geringen Höhe der Zulage die Anrechnung nicht in vollem Umfang habe durchgeführt werden können, sei das nicht als Änderung der Verteilungsgrundsätze zu werten, weil der weiteren Anrechnung ein rechtliches Hindernis entgegengestanden habe.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihm auf die Beschwerde des Betriebsrats stattgegeben.

B. Auf die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist der Beschluß des Landesarbeitsgerichts aufzuheben. Die Sache ist zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

1. Betriebsvereinbarungen sind hinsichtlich ihres normativen Teils auszulegen wie andere Rechtsnormen. Danach ist grundsätzlich vom Wortlaut auszugehen. Zu berücksichtigen ist weiter der sich aus dem erkennbar werdenden Zweck der Regelung und dem systematischen Gesamtzusammenhang ergebende objektive Erklärungswert. Der subjektive Wille der Betriebspartner kann nur insoweit einbezogen werden, als er in der Betriebsvereinbarung einen erkennbaren Niederschlag gefunden hat. Hilfsweise kann bei verbleibenden Zweifeln auf Kriterien wie die Entstehungsgeschichte der Vereinbarung oder deren bisherige betriebliche Handhabung zurückgegriffen werden. Die Auslegung von Betriebsvereinbarungen kann vom Rechtsbeschwerdegericht voll überprüft werden.

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, aus dem Inhalt der Betriebsvereinbarungen ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß die dort in individueller Höhe festgelegten Zulagen nur zeitlich begrenzt gelten sollten. Die Dauer ihrer Gewährung sei weder befristet noch mit einem Vorbehalt versehen, wonach die Regelung nur bis zur nächsten Tariflohnerhöhung gelten sollte. Bei dem Anspruch auf eine übertarifliche Zulage aus der Betriebsvereinbarung handele es sich um einen eigenständigen Anspruch mit eigener Rechtsqualität. Dieser sei mit dem übertariflichen Anspruch aus dem Arbeitsvertrag nicht identisch und deshalb auch nicht wie dieser auf Tariflohnerhöhungen anrechenbar.

Diese Auffassung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat die maßgebenden Betriebsvereinbarungen nicht in der erforderlichen und nachprüfbaren Weise ausgelegt. Die These, es hätte einer ausdrücklichen Befristung oder eines Vorbehalts hinsichtlich künftiger Tariflohnerhöhungen bedurft, ist in dieser Allgemeinheit nicht haltbar. Wenn das Landesarbeitsgericht zur Begründung schlicht darauf abstellt, mit den Betriebsvereinbarungen sei die R -Zulage auf eine eigenständige Anspruchsgrundlage gestellt worden, so wird dabei unterstellt, was zunächst im Wege der Auslegung zu ermitteln gewesen wäre, daß nämlich die Betriebspartner in diesem Sinne einen "neuen" Anspruch schaffen wollten, der von künftigen Tariflohnerhöhungen unberührt bleiben sollte. Entsprechende Feststellungen fehlen.

Das gilt nicht nur für die Betriebsvereinbarung vom 12. Februar 1991, sondern erst recht für die undatierte Niederschrift, mit der sich das Landesarbeitsgericht überhaupt nicht auseinandersetzt. Hierzu hätte um so mehr Anlaß bestanden, als gerade diese Regelung, die die Angestellten betrifft, angesichts der fehlenden Datierung und ihrer stichwortartigen Fassung aus sich heraus nahezu unverständlich ist.

III. Der Beschluß des Landesarbeitsgerichts ist daher aufzuheben.

1. Soweit die Betriebsvereinbarung vom 12. Februar 1991 betroffen ist, lassen die bisherigen tatsächlichen Feststellungen eine abschließende Auslegung nicht zu.

a) Der Wortlaut der Anlage 2 ist nicht eindeutig. Maßgeblicher Ansatzpunkt ist die Anmerkung, in deren zweitem Satz es heißt: "Ab Tariferhöhung 6 % bzw. 8 % ist eine theoretische Rechnung und dient nur der Festlegung der R -Zulage nach der diesjährigen Tariferhöhung". Der Begriff der Festlegung besagt für sich noch nichts über die Geltungsdauer. Er kann im Sinne einer endgültigen Festlegung verstanden werden. Die Festlegung kann aber auch als bloße Einigung über die Anrechnung der bevorstehenden Tariflohnerhöhung des Jahres 1991 verstanden werden. Sie regelt dann nur, ob und in welcher Höhe diese Anrechnung erfolgen sollte.

Die Beteiligten haben die "Festlegung nach der diesjährigen Tariferhöhung" geregelt. Diese Formulierung könnte dafür sprechen, daß die Anrechnung die "nächstjährigen" bzw. künftigen Tariflohnerhöhungen nicht erfaßt, die damit dann auch nicht ausgeschlossen wären. In diese Richtung weist auch die ziffernmäßige Gestaltung der Anlage 2, die die Lohnentwicklung auf jeweils namentlich genannte Arbeitnehmer bezieht. Die Beteiligten haben "Ab Tariferhöhung 6 %" den Lohn aufgegliedert in "TL, LZ, RW und Endlohn". Sie haben die entsprechenden Beträge jeweils aufgelistet. Hätten sie die R -Zulage generell festschreiben wollen, hätte es an sich keiner derartigen Verbindung mit den übrigen Lohnbestandteilen bedurft. Diese waren nämlich nur auf das erwartete Tarifergebnis 1991 bezogen und behielten ihre Geltung nur bis zur nächsten Tarifrunde.

Andererseits kann die ausdrückliche Auflistung der Daten auch in dem Sinne verstanden werden, daß angesichts der noch fehlenden endgültigen Beträge der Tariflohnerhöhung nur modellhaft festgehalten werden sollte, wie sich das neue Lohngefüge nach Einführung der Schicht - und nach Festlegung der Zulage - im Jahre 1991 darstellen würde. Hierfür könnte auch die Berechnung "Ab TE 8 %" sprechen, die nicht mehr namentlich zugeordnet wurde.

b) Läßt der Wortlaut also beide umstrittenen Auslegungen zu, ist auf den erkennbar werdenden Zweck und den systematischen Zusammenhang der Regelung abzustellen. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, daß es bei den Verhandlungen über die Einführung einer Wechselschicht um eine "Festlegung" der Zulage ging; widersprüchlich wird dargestellt, welchen Verhandlungserfolg der Betriebsrat erzielen konnte.

Dies wird deutlich aus den Erklärungen der Betriebspartner vor dem Landesarbeitsgericht. Nach der Einlassung des Betriebsleiters B hat der Betriebsrat die Zustimmung zur Einführung der Schicht von einer Festlegung der R -Zulage abhängig gemacht; er habe erreichen wollen, daß für die anstehende Tariflohnerhöhung 1991 eine Anrechnung nicht erfolge. Im Gegensatz dazu hat der Betriebsratsvorsitzende ein weitergehendes Ziel genannt. Der Betriebsrat habe die Anrechnung der übertariflichen Zulage anläßlich der anstehenden Tariflohnerhöhung auch für die Zukunft geregelt wissen wollen. Eine Zustimmung zur Einführung der Schicht wäre nach seiner Darstellung nicht gegeben worden, wenn seitens der Betriebsleitung deutlich gemacht worden wäre, daß zwar im Jahre 1991 die Anrechnung unterbleiben, jedoch für einen späteren Zeitpunkt - so 1992 - vorgesehen bleibe. Das Landesarbeitsgericht wird zu klären haben, ob und in welcher Weise die unterschiedlichen Vorstellungen der Beteiligten im Laufe der Verhandlungen Ausdruck gefunden haben. Hierzu haben die Beteiligten Beweise angeboten, denen ggf. nachzugehen ist.

Von Bedeutung kann ferner sein, ob der Arbeitgeber in der Vergangenheit schon Tariflohnerhöhungen auf Zulagen angerechnet oder für die Tarifrunde 1991 eine solche Anrechnung angekündigt hatte und gegenüber den nicht von Schichtarbeit betroffenen Arbeitnehmern durchgeführt hat. Wäre dies der Fall, käme dem Ausschluß der Anrechnung für das Jahr 1991 ein größeres Gewicht zu. Stand hingegen eine Anrechnung der Tariflohnerhöhung 1991 gar nicht zur Diskussion, lag im ausdrücklichen Ausschluß der Anrechnung (nur) für 1991 keine nennenswerte Gegenleistung; dies spräche eher für die Auslegung des Betriebsrats. Auch insoweit wird das Landesarbeitsgericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. In diesem Zusammenhang wird weiter zu beachten sein, daß die Höhe der Zulage in der Betriebsvereinbarung vom 12. Februar 1991 auf maximal 3,50 DM beschränkt wurde. Darin liegt ein weiteres Zugeständnis des Betriebsrats, das nur verständlich wäre, wenn die Gegenleistung für die Zustimmung zur Schichtarbeit nicht ganz unerhebliche Bedeutung hätte.

c) Schließlich sind auch die systematischen Zusammenhänge der Regelung zu würdigen. Zu berücksichtigen ist dabei, daß die eigentliche Regelung - nämlich die Einführung der Wechselschicht - unbefristet abgeschlossen wurde. Dies könnte auf eine unbestimmte Festlegung der Zulage hindeuten. Zwingend ist das jedoch nicht, weil die R -Zulage keine Schichtzulage ist und durch die Betriebsvereinbarung auch nicht als solche ausgestaltet wurde.

Das Landesarbeitsgericht wird ferner zu bedenken haben, daß die R -Zulage in beiden Werken gezahlt wurde. Mit ihrer Festlegung nur für die von der Betriebsvereinbarung benannten Mitarbeiter des Werks I wäre eine dauerhafte Spaltung der Vergütungssysteme eingeführt worden, die sich allein durch die Wechselschicht kaum erklären ließe, zumal die Zulage ja nicht als Schichtzulage ausgestaltet wurde.

2. Weitere Sachaufklärung ist erst recht erforderlich, soweit es um die Auslegung der undatierten Niederschrift geht.

Das Landesarbeitsgericht hat jede Auseinandersetzung mit dieser Niederschrift unterlassen. Sie läßt schon angesichts der äußeren Form - handschriftliche Aufstellung ohne Datum - Zweifel aufkommen, ob die Beteiligten überhaupt eine förmliche Betriebsvereinbarung abschließen wollten. Auch wenn man dies aber annimmt, sind aufgrund der bisherigen Feststellungen Anwendungsbereich und Inhalt der Vereinbarung nicht abschließend zu bestimmen.

Die Vereinbarung wurde zwar getroffen im Zusammenhang mit einer Tariflohnerhöhung. Ob dies aber die Tariflohnerhöhung 1991 war, wie das Landesarbeitsgericht unterstellt hat, ist nach den Erklärungen beider Beteiligten in der Rechtsbeschwerdeinstanz zweifelhaft. Danach ging es um die Tariflohnerhöhung 1990. Selbst wenn man von der Tariflohnerhöhung 1991 ausgeht, ist nicht zu erkennen, daß die undatierte Vereinbarung in irgendeinem Zusammenhang mit der Einführung von Schichtarbeit stand. Eine "Gegenleistungslage" ist also nicht nachvollziehbar. Es sind auch sonst keine Motive ersichtlich, aus denen heraus Anlaß bestanden haben könnte, die bis dahin gegenüber künftigen Tariflohnerhöhungen nicht bestandsfeste R -Zulage in eine feste Zulage umzuwandeln. Die bloßen Zahlenangaben lassen auch gar nicht auf einen derartigen Willen schließen. Ein solcher ergibt sich ebensowenig aus dem Hinweis "Für Zukunft angestrebt: Tarif + Leistungszulage".

Unklar ist ferner der Kreis der erfaßten Angestellten. Das Landesarbeitsgericht hat zwar ausgeführt, die Vereinbarung beziehe sich auf die Angestellten des Werks I. Zweifel hieran bestehen aber deshalb, weil nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Arbeitgebers jedenfalls zum Zeitpunkt der Anrechnung der Tariflohnerhöhung 1992 im Werk I nur 14 Angestellte beschäftigt waren, die Vereinbarung hingegen insgesamt ca. 30 Angestellte namentlich benennt.

Das Landesarbeitsgericht wird daher auch insoweit den Parteien Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme geben und unter Berücksichtigung der vorstehenden Bedenken die Auslegung der Niederschrift nachholen müssen.

3. Kommt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, daß die Anrechnung der Tariflohnerhöhung nicht gegen die Betriebsvereinbarung vom 12. Februar 1991 und - hinsichtlich der Angestellten - auch nicht gegen die undatierte Niederschrift verstößt, so bestehen nach den bisherigen Feststellungen auch keine Bedenken dagegen, daß der Betriebsrat nicht beteiligt wurde.

Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Dezember 1991 unterliegt die Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nur dann und insoweit der Mitbestimmung, als sich die Verteilungsgrundsätze ändern und darüber hinaus für eine anderweitige Anrechnung bzw. Kürzung ein Regelungsspielraum verbleibt. Mitbestimmungsfrei ist hingegen die vollständige und gleichmäßige Anrechnung auf alle Zulagen. Der Arbeitgeber hat die Tariflohnerhöhung 1992 in diesem Sinne vollständig und gleichmäßig auf alle Zulagen angerechnet.

Dem kann der Betriebsrat nicht entgegenhalten, daß in einzelnen Fällen die Tariflohnerhöhung deshalb nicht voll angerechnet werden konnte, weil der Erhöhungsbetrag höher als die Zulage war. Dies führt zwar zu einer Änderung der Verteilungsgrundsätze, dem Arbeitgeber bleibt aber kein anderer Regelungsspielraum, da er nur auf die Zulage, nicht aber auf den Tariflohn anrechnen kann. Die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern mit niedrigeren Zulagen beruht daher nicht auf einer freien Entscheidung des Arbeitgebers, sondern auf einem rechtlichen Hindernis. Insoweit bleibt kein Raum für eine Beteiligung des Betriebsrats. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß bei zwei Arbeitnehmern noch ein übertariflicher Zuschlag von 0,27 DM und 0,30 DM gewährt wurde. Diese Pfennigbeträge ergeben sich aus dem vom Arbeitgeber vorgetragenen und vom Betriebsrat nicht bestrittenen Grundsatz der Aufrundung auf volle DM-Beträge.