Versiegelungspflicht der Wahlurne bei Wahlende und Transport zum Wahllokal

ArbG Herford 2 BV 12/10 vom 23. März 2011

Leitsatz

Keine Versiegelungspflicht der Wahlurne bei Wahlende und anschließendem Transport zum letzten Wahllokal, wenn die Wahlauszählung ca. 30 Minuten nach Wahlende erfolgt und die Wahlurne bis dahin unter ständiger Aufsicht zumindest von 2 Wahlvorstandsmitgliedern ist

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der Betriebsratswahl bei der Beteiligten zu 3) vom 11.03.2010.

Die Antragstellerin ist eine bei der Beteiligten zu 3. im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Der Beteiligte zu 2. ist der aktuell aufgrund der Betriebsratswahl vom 11.03.2010 amtierende Betriebsrat.

Das Ergebnis der Betriebsratswahl wurde mit Schreiben vom 17.03.2010 (Bl. 8 d. A.) bekannt gemacht.

Nach dem Wahlausschreiben vom 27.01.2010 und Aushangdatum 27.01.2010 sollte die Betriebsratswahl am 11.03.2010 stattfinden von 4 - 8 Uhr und von 12 - 15 Uhr in der Kantine, H1 1 in S2 und von 13.30 - 14.30 Uhr im Büro Frau S3, Gebäude A5 in K1.

Im Kammertermin vom 16.03.2011 wurden zwei Ausfertigungen dieses Wahlausschreibens vorgelegt, in dem es u. a. heißt:

"Sollten Sie der Auffassung sein, dass die Wählerliste fehlerhaft ist, so können Sie gegen diese schriftlich nur vor Ablauf von zwei Wochen seit dem Aushang des Wahlausschreibens Einspruch einlegen, eingehend beim Wahlvorstand unter der oben genannten Betriebsadresse bis spätestens 10.02.2010…".

In dem einen Wahlausschreiben endet der Satz mit der Datumsangabe 10.02.2010, in dem anderen Wahlausschreiben steht noch die Ergänzung

"… um 15.00 Uhr."

Mit Fax vom 25.03.2010, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, leitete die Antragstellerin das vorliegende Wahlanfechtungsverfahren ein.

Die Antragstellerin begründete damals die Wahlanfechtung mit der Behauptung, dass die Wahlvorstandsvorsitzende Frau W1 etwa zwei Minuten nach Beendigung des Wahlgangs in S2 um 15.00 Uhr noch den Arbeitnehmer J1 S4 die Stimmabgabe zur Betriebsratswahl erlaubt habe - dies führe zur Anfechtbarkeit der Wahl; denn diese Maßnahme könne das Ergebnis geändert haben, weil auf Platz 7 unstreitig zwei Wahlbewerber mit Stimmengleichheit gewählt worden sind. Der Beteiligte zu 2. nahm mit Schriftsatz vom 22.04.2010, die Beteiligte zu 3. mit Schriftsatz vom 20.04.2010 hierzu Stellung unter Hinweis darauf, dass sich der Wahlvorstand wegen der Uhrzeit an der Uhr der Wahlvorstandsvorsitzenden orientiert habe und es keine offizielle Erklärung über das Ende des Wahlgangs gegeben habe und der Arbeitnehmer S4 noch vor 15.00 Uhr seine Stimme abgegeben haben soll.

Gem. Ziffer 1 des Beschlusses aus dem Gütetermin vom 28.04.2010, teilten die Beteiligten zu 2. und 3. zeitnah mit, dass aus ihrer Sicht eine Fortsetzung des Anfechtungsverfahrens nicht erforderlich sei.

Mit Schriftsatz vom 24.01.2011, bei Gericht am Folgetag eingegangen, hat die Antragstellerin um Anberaumung eines Kammertermins gebeten.

Im Kammertermin vom 16.03.2011 hat die Antragstellerseite erklärt, dass der ursprüngliche Vortrag aus der Antragsschrift betreffend die Frage der Uhrzeit der Beendigung der Wahl für das vorliegende Anfechtungsverfahren nicht mehr relevant ist.

Dafür greift die Antragstellerin im Schriftsatz vom 24.01.2011 weitere Anfechtungsgründe auf.

Zum Einen sei in dem Wahlausschreiben betreffend der Möglichkeit, Einsprüche gegen die Richtigkeit der Wählerliste und der Wahlvorschläge bis zum 10.02.2010 abzugeben, keine Uhrzeit angegeben worden. Da somit die Frist am 10.02.2010 um 24 Uhr ende, bestreitet die Antragstellerin, dass der Wahlvorstand sich am 10.02.2010 bis 24 Uhr zur Entgegennahme von Erklärungen bereitgehalten habe.

Darüber hinaus enthalte das Wahlausschreiben keine innerbetriebliche Betriebsadresse betr. den Wahlvorstand für den Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste wie auch für die Abgabe von Vorschlagslisten.

Die Antragstellerin bestreitet mit Nichtwissen, dass die Wahlurnen bei der Betriebsratswahl im Betriebsteil S2 von 8 - 12 Uhr versiegelt waren oder dauernd von mindestens zwei Wahlvorstandsmitgliedern verwahrt worden sind.

Auch bestreitet die Antragstellerin, dass die Betriebsratswahl im Betriebsteil K1 von 13.30 - 14.30 Uhr stattgefunden habe. Vor dem Hintergrund des Verlassens der Kantine in S2 um 13.00 Uhr und einer reinen Fahrtzeit von 25 - 30 Minuten zuzüglich Vorbereitungstätigkeit, könne bei einem Verlassen der Kantine in S2 um 13.00 Uhr durch die Wahlvorstandsvorsitzende und zwei weitere Wahlvorstandsmitglieder die Wahl nicht um 13.30 Uhr in K1 begonnen haben - im Kammertermin hat die Antragstellerseite hierzu auch einen Auszug aus dem Routenplaner falk.de vorgelegt.

Weiter bestreitet die Antragstellerin, dass das Wahlausschreiben auch im Betriebsteil K1 ordnungsgemäß ausgehängt worden sei.

Unstreitig war die Wahlurne auf dem Weg nach Abschluss des Wahlgangs in K1 nach S2 nicht versiegelt; die Wahlvorstandsvorsitzende Frau W1 sowie zwei weitere Wahlvorstandsmitglieder verbrachten die Urne unmittelbar von K1 nach S2, ohne sie zu versiegeln.

Auch hierin sieht die Antragstellerseite einen Anfechtungsgrund.

Die Antragstellerin beantragt,

die Betriebsratswahl im Betrieb der Beteiligten zu 3. vom 11.03.2010 für unwirksam zu erklären.

Der Beteiligte zu 2. und die Beteiligte zu 3. beantragen,

den Antrag abzuweisen.

Die Beteiligten zu 2. und 3. weisen darauf hin, dass das Wahlausschreiben vollständig gewesen sei, die Angabe der Betriebsadresse an sich sei ausreichend gewesen. Auch habe die Betriebsratswahl in den im Wahlausschreiben angezeigten Zeiträumen ordnungsgemäß stattgefunden. Richtig sei jedoch, dass bei dem ersten Aushang des Wahlausschreibens in S2 - und zwar nur in S2 - dort die Uhzeitangabe von 15.00 Uhr zunächst nicht erfolgt sei. Dies sei unverzüglich nachgeholt worden und es sei ein neuer Aushang in S2 mit einer Zeitverzögerung von maximal 2 Stunden ausgehängt worden.

Selbstverständlich sei das Wahlausschreiben auch in K1 ausgehängt worden.

Richtig sei, dass die Urne nach dem Wahlgang in K1 auf dem Weg zurück nach S2 nicht versiegelt worden sei. Das sei jedoch auch nicht erforderlich gewesen, da die Urne unter ständiger Aufsicht der Wahlvorstandsvorsitzenden nebst zwei weiterer Wahlvorstandsmitgliedern gestanden habe.

Wegen des gesamten Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und Protokoll verwiesen, die sämtliche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Nach Hinweis des Gerichts im Kammertermin hat die Antragstellerseite noch im Schriftsatz vom 16.03.2011 darauf hingewiesen, dass das Gericht gehalten sei, von Amts wegen allen für eine Wahlanfechtung in Betracht kommenden Wahlverstößen nachzugehen, die sich aus dem Vortrag der Beteiligten ergeben; da mit der Antragsschrift ein Sachverhalt vorgetragen worden sei, der Anlass zu der Ansicht gebe, dass bei der Wahl gegen Vorschriften des Betriebsverfassungsrechts verstoßen worden sei, seien danach von Amts wegen auch weitere Verstöße, die sich aus dem antragstellerseitigen Vortrag aus dem Schriftsatz vom 24.01.2011 ergäben - und auch weitere mündlich vorgetragene Verstöße - im weiteren Verlauf des Anfechtungsverfahrens zu berücksichtigen.

Gründe

Der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Betriebsratswahl vom 11.03.2010 ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Die formellen Voraussetzungen für die Anfechtung der Betriebsratswahl vom 11.03.2010 nach § 19 Abs. 2 BetrVG sind erfüllt.

Die Antragstellerin ist anfechtungsberechtigt. Sie ist im Betrieb der Beteiligten zu 3. vertreten.

Die Anfechtung ist auch innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 19 Abs. 2 BetrVG erfolgt; die Bekanntmachung des Ergebnisses der Betriebsratswahl erfolgte am 17.03.2010 (s. Bl. 8 d. A.); die gerichtliche Wahlanfechtung erfolgte mit Antragseingang bei Gericht am 25.03.2010.

II.

Es liegt kein Anfechtungsgrund nach § 19 Abs. 1 BetrVG vor.

Hiernach kann die Anfechtung einer Betriebsratswahl darauf gestützt werden, dass gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist. Dabei sind als wesentlich solche Vorschriften anzusehen, die tragende Grundprinzipien der Betriebsratswahl enthalten, wozu die zwingenden Regelungen zählen. Das Kriterium der Wesentlichkeit bestimmt sich danach, ob die Verletzung der Vorschrift prinzipiell geeignet ist, das Wahlergebnis zu beeinflussen.

Auch bei einem Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften ist eine Anfechtung unbegründet, wenn der Fehler rechtzeitig berichtigt werden konnte oder wenn eine Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses durch den Verstoß aufgrund objektiver Tatsachen ausgeschlossen ist (s. BAG im Beschluss vom 14.09.1988, 7 ABR 93/87 in NZA 1989 S. 360 ff.). Ist ein Verstoß nicht berichtigt worden, so muss er potentiell kausal für ein geändertes oder von ihm beeinflusstes Wahlergebnis sein.

Die Wahlanfechtungsfrist nach § 19 Abs. 2 BetrVG ist dabei eine Ausschlussfrist. Dabei gilt: Ist innerhalb der Frist ein betriebsverfassungsrechtlich erheblicher Anfechtungsgrund nicht vorgetragen, so kann ein solcher nicht nachgeschoben werden. Das liefe auf eine Verlängerunganfechtungsfrist hinaus (so Fitting im BetrVG, 25. Auflage § 19 Rand-Nr. 36 unter Hinweis auf BAG vom 24.05.1965 in AP Nr. 14 zu § 18 BetrVG.

Weiter heißt es an der angegebenen Stelle: Hat allerdings ein Anfechtungsberechtigter die Wahl frist- und ordnungsgerecht angefochten, so muss das Gericht weiteren Anfechtungsgründen, die im Laufe des Verfahrens sichtbar werden, von Amts wegen nachgehen (BAG 03.06.1969 in AP Nr. 17 zu § 18 BetrVG).

Vor diesem Hintergrund ist der Ansatz der Antragstellerseite nicht haltbar, dass das Gericht von Amts wegen gehalten sei, auf ein schlichtes Bestreiten der Antragsteller-Seite hin Nachforschungen zum Gang der Betriebsratswahl zu erheben. Denn aus dem Vortrag der Antragstellerseite ergeben sich - mit Ausnahme zur Frage der Wahlversiegelung - keine hinreichend substantiierten Ansatzpunkte, um auf konkrete Wahlverstöße schließen zu können. Die Antragstellerseite hat nämlich schlicht einzelne Punkte unsubstantiell bestritten und mitnichten konkrete und erkennbare Verstöße im Rahmen der Betriebsratswahl vom 11.03.2010 vorgetragen.

Die im Kammertermin aufgeworfene Frage, ob insoweit die antragstellerseitig aufgeworfenen Anfechtungsgründe im Schriftsatz vom 24.01.2011 überhaupt rechtzeitig sind, kann dahingestellt sein bleiben.

Denn zum Einen bedurfte es bei dem Wahlausschreiben vom 27.01.2010 keiner weiteren Angabe einer betrieblichen Betriebsadresse. Etwaige Einsprüche und Schreiben und Mitteilungen an den Wahlvorstand an die im Wahlausschreiben benannte Betriebsadresse sind vollständig ausreichend nach § 3 Abs. 2 Ziff. 12 Wahlordnung.

Das schlichte Bestreiten der Durchführung der Betriebsratswahl in K1 in der Uhrzeit 13.30 - 14.30 Uhr ist zum Einen, wie oben ausgeführt, zu unsubstantiiert; zum Anderen hat die Wahlvorstandsvorsitzende Frau W1 in ihrer Zeugenvernehmung im Kammertermin vom 16.03.2011 die Einhaltung der im Wahlausschreiben benannten Uhrzeiten bestätigt, als auch zur Frage der Fahrzeiten Stellung genommen. Die Bedenken der Antragstellerin betreffend die Fahrzeiten, konnte das Gericht aus eigener Erfahrung nicht teilen. Maßgeblich für die Strecke von S2 nach K1 kommt es auf die tatsächlichen konkreten Gegebenheiten an und nicht auf irgendwelche Aussagen aus Routenplanern, die hier nur abstrakte Berechnungen vornehmen können. Dass die Fahrtstrecke ohne weiteres in 20 Minuten zu schaffen ist, ist für das Gericht, das mit den örtlichen Gegebenheiten im Kreis H2 bestens vertraut ist, ohne weiteres nachvollziehbar.

Noch einmal: Die Zeugin Frau W1 hat dies entsprechend auch bestätigt.

Frau W1 als Wahlvorstandsvorsitzende hat auch die Bekanntmachung des Wahlausschreibens per Aushang in K1 bestätigt.

Durch die Beweisaufnahme konnte auch geklärt werden, dass das erste Wahlausschreiben mit Aushang im Betriebsteil S2 vom 27.01.2010 hinsichtlich der Einspruchsuhrzeitangabe falsch war. Die Zeugin Frau W1 hat jedoch glaubhaft bestätigt, dass dieses Versehen unmittelbar nach dem Ausgang aufgefallen ist und mit einer Zeitverzögerung von ca. 90 Minuten berichtigt worden ist. Beide Wahlausschreiben sind zur Gerichtsakte genommen worden und liegen dem Gericht vor; die Beteiligten konnten im Kammertermin hierin Einsicht nehmen.

Auch die unstreitige Nichtversiegelung der Wahlurne auf dem Weg zwischen K1 und S2 führt nicht zur Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG.

Nach § 12 Abs. 5 der Wahlordnung sind nach Abschluss der Stimmabgaben die Wahlurnen zu versiegeln, wenn die Stimmenzählung nicht unmittelbar nach Beendigung der Wahl durchgeführt wird. Die Antragstellerin hat Bezug genommen auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20.05.2005 zu Aktenzeichen 10 TaBV 94/04.

In der dortigen Entscheidung war tatsächlich kein Verstoß gegen das Versiegelungsgebot des § 12 Abs. 5 Satz 1 Wahlordnung festgestellt worden, weil - alle - Mitglieder des Wahlausschusses zwischen dem Ende der Stimmabgabe und dem Beginn der Stimmzählung ca. 30 Minuten Mittagspause gemacht haben und in dieser Zeit die Wahlurne unter ihrer Aufsicht stand.

Das Landesarbeitsgericht Brandenburg hat in einer Entscheidung vom 27.11.1998, 5 TaBV 18/98 bei einer Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG mit darauf abgestellt, ob von einer potentiellen Kausalität der Beeinflussung des Wahlergebnisses auszugehen ist. Diese potentielle Kausalität der Beeinflussung des Wahlergebnisses ist nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Brandenburg dann anzunehmen, wenn der Ausnahmefall der fehlenden Auswirkung auf das Wahlergebnis nach § 19 Abs. 1 BetrVG nicht nur bei jeder theoretisch denkbaren Möglichkeit der Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses angenommen werden kann, sondern erst dann, wenn die Möglichkeit eines Einflusses, gemessen an der allgemeinen Lebenserfahrung und den konkreten Umständen des Falles, nicht gänzlich unwahrscheinlich ist (s. LAG Brandenburg am angegebenen Ort unter Randziffer 67 und Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, 25. Auflage in § 19 Rand-Nr. 16 mit weiteren Nachweisen).

In der Entscheidung des LAG Brandenburg vom 27.11.1998 wird weiter ausgeführt, dass es im dortigen Fall - Transport der Urne bei mehrfachem Auf- und Abbau eines mobilen Wahllokales - nach der Lebenserfahrung unwahrscheinlich ist, dass eine ununterbrochene Beaufsichtigung der Wahlurnen durch ein stimmenberechtigtes Wahlvorstandsmitglied, § 12 Abs. 2 Wahlordnung gegeben ist.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

Nach § 12 Abs. 2 der Wahlordnung müssen während der Wahl immer mindestens 2 stimmenberechtigte Mitglieder des Wahlvorstandes im Wahlraum anwesend sein - daraus schließt die Wahlordnung und das Gesetz, dass eine ununterbrochene Beaufsichtigung der Wahlurnen gewährleistet ist.

Wenn im vorliegenden Fall die Wahlvorstandsvorsitzende und zwei weitere Mitglieder des Wahlausschusses die Urne am 11.03.2010 von K1 nach S2 transportiert haben und zwischen der Schließung des Wahllokals in K1 und der Stimmauszählung in S2 nur ca. 30 Minuten gelegen haben, dann ist nicht darauf abzustellen, ob die Urne von allen Wahlausschussmitgliedern beaufsichtigt worden ist, sondern es reicht - in Anwendung von § 12 Abs. 2 Wahlordnung -, dass mindestens zwei stimmberechtigte Mitglieder diese ununterbrochene Aufsicht sichergestellt haben. Diese Situation war im vorliegenden Fall am 11.03.2010 gegeben.

Auch die von Antragstellerseite in Bezug genommene Entscheidung des LAG Hamm vom 20.05.2005 sagt nichts darüber aus, dass eine Beaufsichtigung der Wahlurne von nur einem Teil des Wahlvorstandes nicht ausreichend sein soll.

Wenn während der Wahl die Beaufsichtigung von zwei stimmenberechtigten Mitgliedern des Wahlvorstandes nach § 12 Abs. 2 Wahlordnung ausreichend ist, so spricht nichts dagegen, dass diese Zahl auch ausreichend ist bei einem Transport der Wahlurne von K1 nach S2 unter Beaufsichtigung von drei stimmberechtigten Mitgliedern des Wahlvorstandes.

Wenn also die Obhut der Wahlurnen durch den Wahlvorstand in § 12 Abs. 2 Wahlordnung als ausreichend angesehen wird und tatsächlich eine ununterbrochene Beaufsichtigung vorliegend auf dem Weg von K1 nach S2 gegeben war - und das ist zumindest nach der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Wahlvorstandsvorsitzenden Frau W1 unstreitig - spricht nichts dagegen, von einer Versiegelung nach § 12 Abs. 5 Wahlordnung abgesehen zu haben, weil die Unmittelbarkeit der Stimmenzählung nach Beendigung der Wahl noch als angegeben angesehen werden muss (so auch das LAG Hamm am angegebenen Ort). Frau W1 hat als Zeugin glaubhaft ausgesagt, dass mit der Stimmauszählung direkt nach Ende der Wahl in S2 um 15.00 Uhr begonnen worden ist. Nach Rückkehr der Zeugin W1 mit den zwei weiteren Wahlvorstandsmitgliedern aus K1 war in S2 der Wahlvorstand vollständig. Für das Gericht war schlüssig dargelegt und glaubhaft, dass die Urne immer unter der Obhut von Teilen des Wahlvorstandes gestanden hat und somit einer Versiegelung nach § 12 Abs. 5 Wahlordnung nicht bedurfte wegen der noch unmittelbar nach Beendigung der Wahl durchgeführten Stimmenzählung (s. LAG Hamm vom 20.05.2005 am angegebenen Ort).