Unzulässiger Eilantrag zur Berichtigung oder Aussetzung einer Betriebsratswahl

LAG Baden-Württemberg 13 TaBV 4/06 vom 6. März 2006

Leitsätze

1. Grundsätzlich kann Gegenstand einer einstweiligen Verfügung auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nur ein Anspruch sein, der durch Zwangsvollstreckung im Wege der Vollziehung nach §§ 928, 936 ZPO durchgesetzt werden kann.

2. Soweit die Arbeitgeberin festgestellt wissen will, dass ihr Betrieb und die Einheit der S.-GmbH keine betriebsratsfähige Organisationseinheit bilden, ist dieser Antrag im einstweiligen Verfügungsverfahren unzulässig; gleiches gilt für den Hilfsantrag auf Feststellung, dass die Arbeitnehmer der RCS nicht berechtigt sind, an der Wahl des bei der Arbeitgeberin zu wählenden Betriebsrats teilzunehmen.

3. Die Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung für einen feststellenden Ausspruch ist nur in besonderen Ausnahmefällen anzuerkennen, wenn auf andere Weise das Gebot der Sicherung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleistet werden kann, wenn etwa grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Antragstellers sonst endgültig nicht mehr durchgesetzt werden könnten oder der Gegner von vornherein erklärt, sich einer feststellenden Verfügung beugen zu wollen.

3. Ein korrigierender Eingriff in ein laufendes Wahlverfahren stellt nur dann ein milderes Mittel gegenüber dem Abbruch oder der Aussetzung des Wahlverfahrens dar, wenn ein entsprechender Antrag so frühzeitig gestellt wird und positiv beschieden werden kann, dass es noch möglich ist, die sechswöchige Frist des § 3 Abs. 1 Satz 1 WO für den Erlass des Wahlausschreibens zu wahren.

4. Aussetzung oder Abbruch der Betriebsratswahl durch einstweilige Verfügung kommen bei offenen tatsächlichen Fragen, die sich auf die Verkennung des Betriebsbegriffs beziehen, nur bei offensichtlichen Fehlern des Wahlverfahrens in Betracht kommen.

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten im Weg eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung darüber, ob die in M. beschäftigten Arbeitnehmer der S. GmbH an der im Mer. Betrieb der Arbeitgeberin eingeleiteten Betriebsratswahl zu beteiligen sind. Neben zwei Feststellungsanträgen verfolgt die Arbeitgeberin die Ziele, durch Untersagung der Beteiligung dieser Arbeitnehmer berichtigend in das Wahlverfahren einzugreifen, hilfsweise die Wahl bis zum rechtskräftigen Abschluss des vor dem Arbeitsgericht M. unter dem Aktenzeichen 2 BV 1/06 anhängigen Hauptsacheverfahrens auszusetzen.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie mit Sitz in B. In ihrem Mer. Betrieb werden u. a. so genannte Stromrichter hergestellt, die in Züge und Straßenbahnen eingebaut werden. Der Beteiligte Ziffer 2 ist der im Mer. Betrieb der Arbeitgeberin gebildete Wahlvorstand. Er setzte den Wahltag mit Wahlausschreiben vom 24.01.2006 für den 08.03.2006 fest (Anlage AS-1 der Antragsschrift vom 24.01.2006, Blatt 9 f. der Akte des Arbeitsgerichts).

Die Arbeitgeberin und die S. GmbH sind Tochtergesellschaften der BTS Holding GmbH mit Sitz in B. Die in Br. ansässige S. GmbH unterhält Betriebsstätten in M. und U. Sie produziert und vertreibt Signaltechnik für Schienenfahrzeuge. Ihre Einheit in M. heißt RCS, der mittlerweile 65 Arbeitnehmer angehören. Die Arbeitgeberin und die S. GmbH haben unterschiedliche Geschäftsführer und verfügen über eigene Personalabteilungen in M. und Br. Mit Ausnahme der gemeinsamen Muttergesellschaft bestehen keine weiteren gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen. Die S. GmbH entstand am 01.01.1997 als Ausgründung der Arbeitgeberin. Durch Betriebsteilübergang gingen damals die Arbeitsverhältnisse von acht Mitarbeitern der Arbeitgeberin auf die S. GmbH über. Die in M. genutzten Räumlichkeiten der Arbeitgeberin und der RCS befinden sich seit dem Betriebsteilübergang in unterschiedlichen, allerdings nicht sehr weit entfernt gelegenen Gebäuden. Ob die RCS im Sommer dieses Jahres in leer stehende Räume im Mer. Werk der Arbeitgeberin einziehen wird, steht noch nicht fest.

Der bei der Arbeitgeberin derzeit amtierende Betriebsrat besteht aus 13 Mitgliedern. Dasselbe gilt für das nun zu wählende Gremium. Weder die Zahl seiner Mitglieder noch die Zahl der Freistellungen werden davon berührt, ob sich die 65 Arbeitnehmer der RCS an der Wahl beteiligen. Die Arbeitnehmer der RCS nahmen bisher an beiden seit 1997 im Mer. Betrieb der Arbeitgeberin durchgeführten Betriebsratswahlen teil. In Ziffer 7.2 Satz 1 einer im Zusammenhang mit der Ausgliederung und dem Verkauf der signaltechnischen Bereiche geschlossenen Betriebsvereinbarung vom 24.03.1997 hatten die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin, die ADBT GmbH, ihr Betriebsrat und die Rechtsvorgängerin der S. GmbH - die ADBS GmbH - geregelt, dass die Beschäftigten der D. (d. h. jetzigen RCS) weiterhin durch den Mer. Betriebsrat der ADBT GmbH vertreten würden (Anlage AS-2, Blatt 11 ff. der Vorakte, insbesondere Blatt 13). Die Arbeitgeberin hält diese Bestimmung für unwirksam. Sie kündigte die Betriebsvereinbarung gemeinsam mit der S. GmbH mit Schreiben vom 25.10. 2005, das der Betriebsrat der Arbeitgeberin am 03.11.2005 erhielt (Anlage AS-3, Blatt 17 der Akte erster Instanz).

Am 16.01.2003 hatten die Arbeitgeberin, drei weitere Konzernunternehmen - u. a. die S. GmbH - und die IG Metall einen Strukturtarifvertrag geschlossen (Anlage AS-6, Blatt 24 ff. der Vorakte). In § 2 Abs. 1 trafen die Tarifpartner folgende Regelung (Blatt 25 der Akte des ersten Rechtszugs):

"§ 2 Neue Arbeitnehmervertretung

Zur Verwirklichung des in der Präambel bestimmten Ziels vereinbaren die Parteien auf Grundlage des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nachfolgende betriebsverfassungsrechtliche Struktur:

(1) Die betrieblichen Strukturen der einzelnen Betriebe der vier Unternehmen bleiben unverändert. Die Betriebsräte dieser Betriebe bleiben unverändert im Amt...."

Die Folgeabsätze enthalten Bestimmungen über die Auflösung des bisherigen Gesamtbetriebsrats der Arbeitgeberin und die Bildung eines neuen "erweiterten Gesamtbetriebsrats".

Nach der Auflösung zweier Betriebe der Schwestergesellschaften in K. und S. wurde eine Rückführung dieses Strukturtarifvertrags nötig (Anlage AS-7, Blatt 29 ff. der Vorakte). Der von der Arbeitgeberin, der S. GmbH und der IG Metall geschlossene Strukturtarifvertrag (Rückführung) vom 21.08.2003 bestimmt in § 2 Abs. 1 Folgendes (Blatt 30 der erstinstanzlichen Akte):

"§ 2 Neue Arbeitnehmervertretung

Zur Verwirklichung des in der Präambel bestimmten Ziels vereinbaren die Parteien auf Grundlage des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nachfolgende betriebsverfassungsrechtliche Struktur:

(1) Die betrieblichen Strukturen der einzelnen Betriebe der zwei Unternehmen bleiben unverändert. Die Betriebsräte dieser Betriebe bleiben unverändert im Amt...."

In den folgenden Absätzen finden sich wieder Regelungen über den Gesamtbetriebsrat. Der Rückführungstarifvertrag ist ungekündigt.

Die Beteiligten vertreten unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die Tarifverträge die Mer. Einheit der S. GmbH dem Betrieb der Arbeitgeberin zuordnen oder nur offene Fragen der Errichtung des Gesamtbetriebsrats regeln. Im Hinblick auf eine Vielzahl tatsächlicher Einzelheiten ist zwischen den Beteiligten außerdem umstritten, ob die in M. gelegenen Betriebsstätten der Arbeitgeberin und der S. GmbH einen Gemeinschaftsbetrieb bilden.

Nach der Kündigung der Betriebsvereinbarung vom 24.03.1997 machte der am Sitz der S. GmbH in Br. gebildete Betriebsrat die Arbeitnehmer der RCS mit E-Mail vom 24.11.2005 darauf aufmerksam, dass sie einen eigenen Betriebsrat wählen oder gemeinsam mit den Betriebsstätten Br. und U. einen Betriebsrat errichten könnten (Anlage AS-10, Blatt 23 f. der Beschwerdeakte). Der Betriebsrat der Arbeitgeberin holte daraufhin ein Gutachten des jetzigen Verfahrensbevollmächtigten des Wahlvorstands ein, das nach wie vor von der Zuständigkeit des Betriebsrats der Arbeitgeberin für die Mitarbeiter der RCS ausging (Anlage AS-4, Blatt 18 ff. der Vorakte). Dieses Ergebnis machte sich der Mer. Betriebsrat zu Eigen und informierte u. a. die Arbeitgeberin darüber mit E-Mail seines Vorsitzenden vom 10.01.2006 (Anlage AS-5, Blatt 21 ff. der arbeitsgerichtlichen Akte).

Mit ihrem hinsichtlich der Feststellungsanträge am 25.01.2006 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der mit am 27.01.2006 eingereichtem, dem Wahlvorstand am 31.01.2006 zugestelltem Schriftsatz um das Berichtigungs- und Aussetzungsbegehren erweitert worden ist, hat die Arbeitgeberin verlangt:

1. Es wird festgestellt, dass der Betrieb der Antragstellerin und der in der K-Straße in M. gelegene Betrieb der S. GmbH keine betriebsratsfähige Organisationseinheit bilden.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Arbeitnehmer des Betriebs in der K-Straße in M. der S. GmbH nicht berechtigt sind, an der Wahl des bei der Antragstellerin zu wählenden Betriebsrats teilzunehmen.

2. Dem Antragsgegner wird untersagt, die Wahl des Betriebsrats bei der Antragstellerin unter Beteiligung der Arbeitnehmer des Betriebs in der K-Straße in M. der S. GmbH durchzuführen.

Hilfsweise:

Dem Antragsgegner wird untersagt, bis zum rechtskräftigen Abschluss des zwischen den Beteiligten beim Arbeitsgericht M. anhängigen Verfahrens über das Vorliegen einer betriebsratsfähigen Organisationseinheit - Aktenzeichen wird nachgereicht - die Wahl des Betriebsrats bei der Antragstellerin unter Beteiligung der Arbeitnehmer des Betriebs in der K-Straße in M. der S. GmbH durchzuführen.

Der Wahlvorstand hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Mit Kammerbeschluss vom 17.02.2006 hat das Arbeitsgericht die Anträge der Arbeitgeberin nach mündlicher Anhörung der Beteiligten zurückgewiesen. Die Begehren seien unzulässig, es gebe keinen Verfügungsgrund. Da die bevorstehende Wahl nicht nichtig, sondern allenfalls anfechtbar sei, wenn die Arbeitnehmer der RCS mitwählten, dürfe nicht in das laufende Wahlverfahren eingegriffen werden.

Mit ihrer am 27.02.2006 eingegangenen und zugleich begründeten Beschwerde wendet sich die Arbeitgeberin gegen die ihr am 23.02.2006 zugestellte arbeitsgerichtliche Entscheidung. Ziel dieses Verfahrens sei nicht der Abbruch, sondern die Verhinderung einer anfechtbaren Wahl durch bloßen berichtigenden Eingriff oder Aussetzung der Wahl bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Eine langwierige und kostenträchtige Wahlanfechtung solle vermieden werden. Bei einer stattgebenden Entscheidung drohe auch kein betriebsratsloser Zustand, zumal die in M. beschäftigten Arbeitnehmer der S. GmbH wegen der Information des in Br. gebildeten Betriebsrats durch E-Mail vom 24.11.2005 genug Zeit gehabt hätten, die Wahl eines eigenen Betriebsrats einzuleiten. Die Arbeitgeberin behauptet, sie habe erst nach dem Erlass des Wahlausschreibens vom 24.01.2006 sichere Kenntnis davon gehabt, dass die Arbeitnehmer der RCS an der Wahl beteiligt werden sollten.

Die Arbeitgeberin begehrt zuletzt,

die beantragte einstweilige Verfügung aufgrund mündlicher Verhandlung unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen.

Der Wahlvorstand beantragt:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts M. vom 17.02.2006 (2 BVGa 1/06) wird zurückgewiesen.

Er verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und meint, über die Begründung der Zuständigkeit des bei der Arbeitgeberin gebildeten Betriebsrats für die Arbeitnehmer der RCS durch Gemeinschaftsbetrieb und Tarifvertrag hinaus sei jedenfalls das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG verspätet eingeleitet worden. Denn der bei der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat habe bereits im Herbst 2005 deutlich gemacht, dass er weiter seine Zuständigkeit für die Arbeitnehmer der RCS annehme. Mit Schreiben vom 10.01.2006 habe er diesen Umstand noch einmal verdeutlicht. Die erst am 27.01.2006 eingegangenen Untersagungsanträge wahrten die sechswöchige, mit Erlass des Wahlausschreibens am 24.01.2006 beginnende Frist des § 3 Abs. 1 Satz 1 WO nicht. Deshalb könne nicht mehr korrigierend in das Wahlverfahren eingegriffen werden.

Zu den Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten verweist die Kammer auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze, ihre Anlagen, die Sitzungsniederschriften und die in den Gründen des Beschlusses des Arbeitsgerichts enthaltenen tatsächlichen Feststellungen. Von einer detaillierteren eigenen Wiedergabe des Sachverhalts sieht das Beschwerdegericht entsprechend § 69 Abs. 2 und 3 ArbGG ab, weil gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel eröffnet ist.

B.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft, weil das Arbeitsgericht seine Entscheidung aufgrund mündlicher Anhörung getroffen hat. Sie ist auch im Übrigen zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

I. Soweit die Arbeitgeberin festgestellt wissen will, dass ihr Betrieb und die Mer. Einheit der S. GmbH keine betriebsratsfähige Organisationseinheit bilden, ist dieser Antrag im einstweiligen Verfügungsverfahren unzulässig. Gleiches gilt für den Hilfsantrag auf Feststellung, dass die Arbeitnehmer der RCS nicht berechtigt sind, an der Wahl des bei der Arbeitgeberin zu wählenden Betriebsrats teilzunehmen. Für beide Anträge besteht in der besonderen Verfahrensart des § 85 Abs. 2 ArbGG jedenfalls im konkreten Fall kein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis.

1. Grundsätzlich kann Gegenstand einer einstweiligen Verfügung auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nur ein Anspruch sein, der durch Zwangsvollstreckung im Wege der Vollziehung nach §§ 928, 936 ZPO durchgesetzt werden kann (nicht zu der Frage des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses, sondern zu den rechtstechnischen Notwendigkeiten der Vollziehung beispielsweise Schwab/Weth-Walker Arbeitsgerichtsgesetz § 85 Rn. 76). Im Beschlussverfahren kommen vor allem Ansprüche auf Vornahme einer Handlung oder Unterlassung in Betracht. Wie sich aus der Wertung des § 19 Abs. 1 und 2 BetrVG ergibt, hat der Arbeitgeber in dem hier gegebenen Sonderfall des begehrten Eingriffs in eine laufende Betriebsratswahl zwar unter bestimmten Voraussetzungen auch im Weg des einstweiligen Rechtsschutzes Anspruch auf Vermeidung solcher Wahlfehler, durch die eine objektiv richtige Zusammensetzung des Betriebsrats gefährdet ist. Ausgeschlossen ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung aber auch hier regelmäßig dann, wenn ein Feststellungsantrag verfolgt wird.

Nicht vollstreckungs- und damit auch nicht vollziehungsfähige Feststellungsbeschlüsse sind durch die Wirkungen ihrer Rechtskraft bloße Grundlage anderer Ansprüche, die der Zwangsvollstreckung zugänglich sind. Daher ist die Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung für einen feststellenden Ausspruch nur in besonderen Ausnahmefällen anzuerkennen, wenn auf andere Weise das Gebot der Sicherung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleistet werden kann. Eine solche Konstellation ist zum Beispiel anzunehmen, wenn grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Antragstellers sonst endgültig nicht mehr durchgesetzt werden könnten (Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge Arbeitsgerichtsgesetz 5. Auflage § 62 Rn. 77 a m. w. N.). In den übrigen Konstellationen ist eine feststellende Verfügung angesichts der Vorläufigkeit des Eilverfahrens nicht geeignet, die Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Nur wenn der Gegner von vornherein erklärt hat, sich einer feststellenden Verfügung "beugen" zu wollen, kann ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis angenommen werden (vgl. Korinth Einstweiliger Rechtsschutz im arbeitsgerichtlichen Verfahren Anhang zu §§ 935, 940 Rn. 311 in dem engeren, aber verallgemeinerungsfähigen Zusammenhang der Schulung von Betriebsratsmitgliedern; Korinth verneint allerdings nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, also die Zulässigkeit des Antrags, sondern den Verfügungsgrund und damit nach der von der Kammer vertretenen dogmatischen Einordnung die Begründetheit; zu der darüber hinaus auch bei fehlender Akzeptanz des Gegners teilweise bejahten Zulässigkeit einer Feststellungsverfügung bei Anträgen auf Feststellung der berechtigten Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG GK-ArbGG/Vossen § 85 Rn. 40 und Vogg NJW 1993, 1357, 1359 Fn. 31 m. w. N.).

2. Keiner dieser Sonderfälle liegt hier vor.

a) Der Wahlvorstand hat nicht erklärt, sich einer feststellenden Verfügung beugen zu wollen. Vielmehr geht er davon aus, die in M. beschäftigten Arbeitnehmer der S. GmbH wegen des von ihm angenommenen Gemeinschaftsbetriebs und der aus seiner Sicht zuständigkeitsbegründenden Wirkung des Strukturtarifvertrags (Rückführung) vom 21.08.2003 an der Wahl beteiligen zu müssen. Er nimmt also eine ordnungsgemäße Einleitung des Wahlverfahrens an, ohne davon bei einer abweichenden feststellenden Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren abrücken zu wollen.

b) Durch die Versagung der Feststellungsaussprüche im vorläufigen Rechtsschutz ist die Arbeitgeberin auch nicht rechtlos gestellt. Vielmehr verfügt sie grundsätzlich über effektivere Mittel, um ihre - insoweit unterstellten - Rechte im einstweiligen Verfügungsverfahren durchzusetzen, wie die mit der Antragserweiterung vom 27.01.2006 angekündigten Unterlassungsanträge zeigen. Ob für Antrag Ziffer 2 in den Ausprägungen seines Haupt- oder Hilfsbegehrens ein Verfügungsanspruch besteht, ist dagegen eine Frage der Begründetheit dieser noch zu behandelnden Anträge.

II. Beide unter Ziffer 2 verfolgte Unterlassungsanträge sind allerdings unbegründet. Für sie fehlt der nötige Verfügungsanspruch.

1. Dabei schließt sich die Kammer im rechtlichen Ausgangspunkt der Ansicht der Arbeitgeberin an. Jenseits der Frage des konkreten Inhalts des geltend gemachten Anspruchs in Form eines berichtigenden Eingriffs, des Aufschubs oder des Abbruchs der Wahl kann in ein laufendes Wahlverfahren durch einstweilige Verfügung eingegriffen werden, wenn es sich um einen wesentlichen Wahlfehler handelt und dieser Mangel das Wahlergebnis verfälschen kann (ebenso Schwab/Weth-Walker Arbeitsgerichtsgesetz § 85 Rn. 81; zu der Differenzierung des Anspruchsinhalts in Korrektur, Aussetzung und Abbruch schon Hans Hanau in DB 1986, Beilage 4, 9 ff.). Erforderlich ist mit anderen Worten, dass gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde oder voraussichtlich verstoßen werden wird, eine Berichtigung durch den Wahlvorstand nicht erfolgt und das Wahlergebnis im Sinne von § 19 Abs. 1 BetrVG geändert oder beeinflusst werden kann (vgl. den von der Arbeitgeberin zitierten Aufsatz von Veit/Wichert in DB 2006, 390, 392).

a) Einer einstweiligen Verfügung steht auch nicht entgegen, dass die Beteiligten übereinstimmend annehmen, die Größe des zu wählenden Betriebsrats nach § 9 Satz 1 Alt. 7 BetrVG und die Zahl der Freistellungen blieben davon unberührt, ob sich die Arbeitnehmer der Mer. Betriebsstätte der S. GmbH an der Wahl beteiligten (vgl. S. 2 Abs. 4 des Schriftsatzes der Arbeitgeberin vom 27.01.2006, Blatt 42 der Akte erster Instanz, und S. 10 vorletzter Abs. des Schriftsatzes des Wahlvorstands vom 07.02.2006, Blatt 54 der Vorakte). Durch die Teilnahme der Mitarbeiter der RCS kann das Wahlergebnis - die Wahl der konkreten Betriebsratsmitglieder - dennoch im Sinne von § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG geändert oder beeinflusst werden.

b) Weiter kann unterstellt werden, dass mithilfe des vorläufigen Rechtsschutzes nicht nur Fehler beseitigt oder verhindert werden können, die zur Nichtigkeit der Wahl führen, sondern es auch in bestimmten Fällen der Anfechtbarkeit der Wahl möglich sein muss, präventiv in das Wahlverfahren einzugreifen (einen Eingriff durch einstweilige Verfügung bei schwerwiegenden Verfahrensfehlern auch bei bloßer Anfechtbarkeit befürwortend z. B. LAG Baden-Württemberg 13.04.1994 - 9 TaBV 4/94 - AiB 1994, 20; für den Abbruch der Wahl bei derartigen Fehlern LAG Baden-Württemberg 16.09.1996 - 15 TaBV 10/96 - LAGE BetrVG 1972 § 19 Nr. 15; vgl. auch Veit/Wichert in DB 2006, 390; a. A. und verengt auf die zuverlässig feststellbare bevorstehende Nichtigkeit jedenfalls beim Abbruch der Wahl LAG Baden-Württemberg 20.05.1998 - 8 Ta 9/98 - AiB 1998, 401 m. w. N. mit den Argumenten der bloßen ex-nunc-Wirkung der erfolgreichen Anfechtung und der Heilbarkeit der Anfechtungsgründe nach Verstreichen der Zweiwochenfrist des 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG; dem folgend die durch den Wahlvorstand vorgelegte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 11.03.2002 - 20 TaBV 1/02 -, soweit ersichtlich, nicht konventionell veröffentlicht, zu III 1 der Gründe, Blatt 45 der Beschwerdeakte).

c) Für die Ansicht, die Nichtigkeit verlangt, spricht allerdings, dass der Antragsteller des einstweiligen Verfügungsverfahrens sonst im Eilverfahren mehr erreichen könnte als in der Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG.

aa) Denn eine nichtige Wahl ist nur anzunehmen, wenn Mängel auftreten, die nicht einmal den Schein einer gesetzmäßigen Wahl bestehen lassen (für die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts BAG 19.11.2003 - 7 ABR 24/03 - AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 54, zu B III 1 der Gründe). Die Feststellung der Nichtigkeit wirkt daher zurück. In rechtlicher Hinsicht hat der Betriebsrat hier nie bestanden (Fitting Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung 22. Auflage § 19 Rn. 6; vgl. zu den Rückschlüssen auf den vorläufigen Rechtsschutz die zitierte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 20.05.1998 - 8 Ta 9/98 - AiB 1998, 401, auf die sich das Arbeitsgericht maßgeblich stützt, und soeben B II 1

b).

bb) Eine erfolgreiche Wahlanfechtung wirkt demgegenüber nach einhelliger Meinung nur für die Zukunft. Die gewählte Vertretung bleibt bis zur Rechtskraft einer die Wahl für ungültig erklärenden Entscheidung mit allen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen im Amt (BAG 13.03.1991 - 7 ABR 5/90 - AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 20, zu B der Gründe; Fitting Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung 22. Auflage § 19 Rn. 49 ff.).

(1) Wird dem Ergebnis der fehlenden Rückwirkung gefolgt, wirft die These Veits und Wicherts in DB 2006, 390, wonach die Konsequenz der bloßen Wirkung ex nunc wegen ihres Ursprungs aus einem rechtsfortbildenden Akt geringere oder zumindest andere rechtliche Dignität genieße als unmittelbar gesetztes Recht, einige dogmatische Schwierigkeiten auf. Denn die ex-nunc-Wirkung darf nur dann in Form einer Rechtsanalogie oder - darüber hinaus - einer Rechtsfortbildung aus dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit hergeleitet und mit Praktikabilitätserwägungen abgesichert werden, wenn das positive Recht die Frage unbewusst nicht geregelt hat und die bestehende gesetzte Rechtsordnung einem anderen Ergebnis nicht entgegensteht. Folgerichtig ziehen Veit/Wichert die ex-nunc-Wirkung der Anfechtung als solche nicht in Zweifel, sondern nehmen lediglich einen nicht näher eingeordneten Unterschied im Verhältnis zum positiven Recht an (in DB 2006, 390).

(2) Auch die weitere These, die Veit/Wichert gegen die Vertreter der für das Nichtigkeitserfordernis eintretenden Auffassung anführen, begegnet Bedenken. Sie meinen, bei einem präventiven Eingriff in das Wahlverfahren bestehe anders als bei einem schon installierten Betriebsrat, dessen Wahl angefochten sei, keine Notwendigkeit, dessen künftige Geschäftsführung um den Preis einer rechtswidrigen Betriebsratswahl zu schützen. Wahlanfechtung und vorgelagerte einstweilige Verfügung seien demnach nicht vergleichbar (in DB 2006, 390). Die Einschätzung der Inkongruenz der Verfahren setzt sich in gewisser Weise in einer anderen - aus Sicht der Kammer zutreffenden - Annahme der beiden Autoren fort. Ihres Erachtens soll einstweiligen Verfügungen im Rahmen einer laufenden Betriebsratswahl keine Bindungswirkung nach § 322 Abs. 1 ZPO gegenüber einem späteren Wahlanfechtungsverfahren zukommen. In der Wahlanfechtung könne sogar gerügt werden, dass der gerichtliche Eingriff in das Wahlverfahren ein anfechtungsbegründender Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften gewesen sei. Eine falsche Entscheidung im Eilverfahren sei also revidierbar (Veit/Wichert in DB 2006, 390, 391 mit Bezug auf Fitting Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung 22. Auflage § 18 Rn. 39; dort wird die Rechtskraftproblematik aber nur mittelbar berührt; vgl. auch Zwanziger in DB 1999, 2264, 2267). Die von den beiden Autoren herausgearbeitete Diskontinuität trägt allerdings nicht in erhöhtem Maß dazu bei, den Sinn des Eingriffs in eine laufende Wahl durch einstweilige Verfügung argumentativ zu stützen.

2. Wird trotz dieser Unstimmigkeiten unterstellt, dass auch in bestimmten Fällen der Anfechtbarkeit durch einstweilige Verfügung in das Wahlverfahren eingegriffen werden kann, richten sich die jeweiligen Voraussetzungen des Verfügungsanspruchs dennoch nach dem Inhalt des konkreten erhobenen Anspruchs. Hier will die Arbeitgeberin dem Wahlvorstand vorrangig untersagen lassen, die Wahl unter Beteiligung der Arbeitnehmer der RCS durchzuführen. Sollte sie mit diesem Begehren nicht durchdringen, möchte sie erwirken, dass der Wahlvorstand die Wahl bis zur rechtskräftigen Entscheidung des augenblicklich vor dem Arbeitsgericht M. unter dem Aktenzeichen 2 BV 1/06 geführten Hauptsacheverfahrens nicht unter Beteiligung der in M. beschäftigten Arbeitnehmer der S. GmbH durchführt. Das Hauptsacheverfahren hat die Frage zum Gegenstand, ob die Mer. Betriebe der Arbeitgeberin und der S. GmbH eine betriebsratsfähige Organisationseinheit sind.

a) Der Hauptantrag will also einen berichtigenden Eingriff in die Wahl erreichen, ohne sie auszusetzen oder abzubrechen. Obwohl einer solchen Korrektur befriedigende Wirkung zukommt, bestehen gegen die mit einer solchen Leistungsverfügung entsprechend § 940 ZPO verbundene Vorwegnahme der Hauptsache grundsätzlich keine Bedenken. Sie ist als milderes Mittel gegenüber der zwar nicht vorwegnehmenden, aber zu einer erheblichen zeitlichen Verzögerung führenden Aussetzung der Wahl bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verstehen (vgl. z. B. Schwab/Weth-Walker Arbeitsgerichtsgesetz § 85 Rn. 84 jedenfalls für den Fall der Nichtigkeit der Wahl, u. a. mit Bezug auf BAG 27.04.1976 - 1 AZR 482/75 -AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 4; siehe auch GK-ArbGG/Vossen § 85 Rn. 52, jeweils mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte).

Ein korrigierender Eingriff in ein laufendes Wahlverfahren stellt aber - wie der Wahlvorstand zu Recht geltend macht - nur dann ein milderes Mittel gegenüber dem Abbruch oder der Aussetzung des Wahlverfahrens dar, wenn ein entsprechender Antrag so frühzeitig gestellt wird und positiv beschieden werden kann, dass es noch möglich ist, die sechswöchige Frist des § 3 Abs. 1 Satz 1 WO für den Erlass des Wahlausschreibens zu wahren (LAG Baden-Württemberg 16.09.1996 - 15 TaBV 10/96 - LAGE BetrVG 1972 § 19 Nr. 15; LAG Baden-Württemberg 11.03.2002 - 20 TaBV 1/02 - n. v., zu III 2 der Gründe, Blatt 46 der Beschwerdeakte; HWK/Bepler § 85 Rn. 12; Hans Hanau in DB 1986, Beilage 4, 9, 10). Die Verletzung der Mindestfrist ist ein Verstoß gegen wesentliche Verfahrensvorschriften, der seinerseits eine Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG rechtfertigen kann (Fitting Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung 22. Auflage § 3 WO 2001 Rn. 4).

Die Sechswochenfrist hielt die Arbeitgeberin hier nicht ein. Einen auf Berichtigung des Wahlverfahrens gerichteten Antrag kündigte sie erstmals mit dem am 27.01.2006 beim Arbeitsgericht eingereichten und dem Wahlvorstand am 31.01.2006 zugestellten Hauptantrag Ziffer 2 an. Da der Wahltag für den 08.03.2006 festgesetzt ist, begann die Sechswochenfrist jedoch bereits am 25.01.2006. Der Tag des spätestmöglichen - gegebenenfalls korrigierten - Erlasses des Wahlausschreibens ist als Ereignis im Sinne des § 187 Abs. 1 BGB zu betrachten (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB; vgl. zu der Berechnung auch Fitting Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung 22. Auflage § 3 WO 2001 Rn. 4).

b) Soweit die Arbeitgeberin mit dem unter Ziffer 2 verfolgten Hilfsantrag verlangt, dem Wahlvorstand zu untersagen, die Wahl bis zum rechtskräftigen Abschluss des vor dem Arbeitsgericht M. unter dem Aktenzeichen 2 BV 1/06 anhängigen Verfahrens durchzuführen, möchte sie die Wahl aussetzen lassen.

aa) Obwohl § 938 Abs. 1 ZPO dem Gericht bei der Auswahl der erforderlichen Anordnung einen weiten Ermessensspielraum verleiht, widerspräche eine Auslegung des Hilfsantrags in Richtung des begehrten Abbruchs der Wahl dem erklärten Willen der Arbeitgeberin. Sie stützt ihre Argumentation gegen die Gründe des Beschlusses des Arbeitsgerichts in der Beschwerdebegründung maßgeblich darauf, dass sie nicht den Abbruch der Wahl und damit einen zeitweise betriebsratslosen Zustand anstrebe, sondern eine bloße ordnungsgemäße Durchführung des Wahlverfahrens (vgl. insbesondere Ziffer 2 a auf S. 3 der Beschwerde- und Beschwerdebegründungsschrift vom 27.02.2006, Blatt 19 der Beschwerdeakte).

bb) An die vorläufige Aussetzung einer angesetzten Betriebsratswahl ist aus Sicht mancher Stimmen in Rechtsprechung und Literatur zu denken, wenn bereits bei der Vorbereitung der Wahl erhebliche Mängel des Wahlverfahrens - beispielsweise die Verkennung des Betriebsbegriffs - in Rede stehen (BAG 15.12.1972 - 1 ABR 5/72 - AP ArbGG 1953 § 80 Nr. 5, zu II 5 der Gründe; vgl. auch die Nachweise bei GK-ArbGG/Vossen § 85 Rn. 51, der sich gerade auf § 18 Abs. 2 BetrVG bezieht, und bei Schwab/Weth-Walker Arbeitsgerichtsgesetz § 85 Rn. 84; Vossen und Walker wollen eine Aussetzung aber beide nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulassen; einen Aufschub der Wahl gänzlich ablehnend Veit/Wichert in DB 2006, 390, 392).

(1) Einigkeit dürfte darin bestehen, dass eine Aussetzung im Rahmen des Verfügungsanspruchs eine sorgfältige Interessenabwägung erfordert, weil das gegenüber dem Abbruch der Wahl vermeintlich mildere Mittel der Aussetzung in der Regel gewichtigere zeitliche Folgen hat. Im Unterschied zu den Konstellationen der §§ 22, 13 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BetrVG erlaubt § 21 Satz 3 BetrVG bei den - hier jedenfalls für den Mer. Betrieb der Arbeitgeberin gegebenen - turnusgemäßen Wahlen keine Weiterführung der Geschäfte des amtierenden Betriebsrats über den 31.05.2006 hinaus. Wegen der Bindung der Aussetzung an das Hauptsacheverfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG käme es bei einer Aussetzung also zwingend zu einer längerfristigen betriebsratslosen Zeit.

(2) Die Anforderungen sind deswegen nicht niedriger anzusetzen als für einen Abbruch der Wahl. Dabei ist entgegen Veit/Wichert (in DB 2006, 390, 391) davon auszugehen, dass sowohl eine Aussetzung als auch ein Abbruch der Wahl bei offenen tatsächlichen Fragen, die sich auf die Verkennung des Betriebsbegriffs beziehen, nur bei offensichtlichen Fehlern des Wahlverfahrens in Betracht kommen (so ausdrücklich, wenn auch nicht nach Rechts- und Tatsachenfragen unterscheidend, LAG Baden-Württemberg 13.04.1994 - 9 TaBV 4/94 - AiB 1994, 20; vgl. auch LAG Baden-Württemberg 16.09.1996 - 15 TaBV 10/96 - LAGE BetrVG 1972 § 19 Nr. 15).

(a) Veit/Wichert (a. a. O) ist zwar darin zuzustimmen, dass auch komplexe Rechtsfragen in Eilverfahren um der Effektivität des einstweiligen Rechtsschutzes willen und ungeachtet des erheblichen Zeitdrucks zu lösen sind. Anderes gilt aber für Sachfragen. Die Forderung von Veit und Wichert, notfalls sei - wenn die Zeit noch ausreiche - Beweis zu erheben, wird auch im beschränkten Untersuchungsgrundsatz des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens den Realitäten eines durch Rede und Gegenrede geprägten, aufeinander aufbauenden Sachvortrags und Erkenntnisprozesses nicht gerecht.

(b) Neben der Auslegungs- und damit Rechtsfrage des § 2 Abs. 1 des Strukturtarifvertrags (Rückführung) vom 21.08.2003 ist zwischen den Beteiligten hier umstritten, ob die Betriebsstätten der Arbeitgeberin und der S. GmbH in M. einen Gemeinschaftsbetrieb bilden. Von einem derartigen gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen ist auszugehen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Dazu müssen sich die beteiligten Unternehmen zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Diese einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen eines Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken. Eine bloße unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht. Vielmehr müssen die Funktionen des Arbeitgebers in den sozialen und personellen Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden (zu allem BAG 18.09.2003 - 2 AZR 79/02 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 14, zu B I 4 a der Gründe mit vielfältigen weiteren Bezügen auf die eigene Rechtsprechung des Zweiten Senats und die Rechtsprechung des Siebten Senats; vgl. auch die von der Arbeitgeberin zitierte Entscheidung des Siebten Senats vom 17.08.2005 - 7 ABR 62/04 - n. v., zu B III 1 der Gründe).

Schon diese Begriffsbestimmung macht deutlich, dass die letztendlich vorzunehmende rechtliche Gesamtwürdigung von einer Vielzahl indizieller tatsächlicher Einzelheiten abhängt. Das Bild klärt sich - empirisch betrachtet - regelmäßig erst durch den Austausch mehrerer Schriftsätze. Nur ein solcher auch im Beschlussverfahren zu durchlaufender "Prozess" ermöglicht die Erkenntnis, dass ein beweiserheblicher Tatbestand vorliegt oder sich das Gericht vielmehr ohne Beweiserhebung eine Überzeugung bilden kann (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Diese notwendig mit einem gewissen Zeitaufwand verbundene Sorgfalt in Tatfragen steht den Erfordernissen einer raschen Intervention durch Aussetzung oder Abbruch der Wahl im Rahmen vorläufigen Rechtsschutzes entgegen, wenn nicht - ausnahmsweise - offenkundige Fehler vorliegen.

Dabei kann nach den eingangs angestellten Überlegungen unterstellt werden, dass die Mängel des Wahlverfahrens mit Blick auf die regelmäßig nur zur Anfechtbarkeit der Wahl führende Verkennung des Betriebsbegriffs nicht die Schwelle der Nichtigkeit erreichen müssen. Der Fehler braucht folglich kein solches Gewicht zu haben, das nicht einmal den Schein einer gesetzmäßigen Wahl bestehen ließe. Dennoch muss das unstreitige oder durch Überzeugungsbildung zu ermittelnde Beteiligtenvorbringen den Mangel eindeutig zutage treten lassen.

Das trifft hier nicht zu. Die Annahme eines Gemeinschaftsbetriebs liegt im zu entscheidenden Fall schon wegen der jahrelangen Handhabe der gemeinsamen Wahl während zweier Wahlperioden nach der zum 01.01.1997 erfolgten Ausgründung nicht fern. Wird dieser Begründungsansatz mit der Arbeitgeberin abgelehnt und unterstellt, dass die Duldung der gemeinsamen Wahl nur auf Ziffer 7.2 Satz 1 der mittlerweile gekündigten und aus Sicht der Arbeitgeberin in diesem Punkt unwirksamen Betriebsvereinbarung vom 24.03.1997 sowie auf einer unzutreffenden Auslegung des § 2 Abs. 1 der beiden Strukturtarifverträge beruhte, bestehen dennoch Anhaltspunkte für einen gemeinschaftlichen Betrieb der Arbeitgeberin und der S. GmbH. Diese Indizien schließen einen evidenten Fehler aus und erlauben keine Aussetzung der laufenden Betriebsratswahl.

Nicht zuletzt der sehr detaillierte Vortrag des Wahlvorstands zu der Zusammenarbeit der in M. beschäftigten Mitarbeiter der S. GmbH mit den Arbeitnehmern der Arbeitgeberin innerhalb der Projekte der Entwicklung der Signaltechnik der Baureihen BR 185 und BR 146 ist für die Frage einer stillschweigenden gemeinsamen Leitungsvereinbarung indiziell bedeutsam (Seite 4 oben des Schriftsatzes des Wahlvorstands vom 07.02.2006, Blatt 48 der Akte des Arbeitsgerichts). Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der Umfang der Weisungsbefugnis des bei der Arbeitgeberin beschäftigten Projektleiters Dr. N. für die Baureihe 185 umstritten ist (vgl. insbesondere die eidesstattliche Versicherung Herrn Dr. Ns. vom 27.02.2006, die seine disziplinarische Weisungsbefugnis und die tatsächliche Ausübung eines derartigen Direktionsrechts gegenüber Arbeitnehmern der S. GmbH verneint, Anlage AS-13, Blatt 27 der Beschwerdeakte).

Die Kammer übersieht auch nicht, dass sich die einheitliche Leitung eines gemeinsamen Betriebs auf die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes erstrecken muss. Dennoch wird an der unstreitig vernetzten Projektarbeit eine intensive Verknüpfung der Arbeitsabläufe sichtbar, die im Zusammenhang mit weiteren Anhaltspunkten auf eine schlüssige rechtliche Führungsvereinbarung hindeuten könnte. Ob eine Leitungsvereinbarung letztlich zu bejahen ist, muss angesichts der im Eilverfahren eingeschränkten Möglichkeiten der Sachaufklärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls nicht angenommen werden, der Wahlvorstand sei bei Erlass des Wahlausschreibens offenkundig vom gesetzlichen Betriebsbegriff abgewichen. In einer solchen Gestaltung müssen die legitimen Interessen der Arbeitgeberin an der Durchführung einer ordnungsgemäßen Wahl und der Begrenzung ihrer Kosten im Hinblick auf eine mögliche Wahlanfechtung und Neuwahl zurücktreten. Auch eine Aussetzung der Wahl scheidet daher aus.

Nach allem hatte die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den zurückweisenden Beschluss des Arbeitsgerichts keinen Erfolg.

C.

In diesem Verfahren werden keine Gerichtskosten erhoben, §§ 2 Abs. 2 GKG, 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG.