Kostentragung für die Schulung eines Betriebsratsmitglieds

BAG 7 ABR 27/94 vom 14. Sep. 1994

Leitsatz

Die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung "Managementtechniken für Betriebs- und Personalräte" ist jedenfalls bei fehlender Darlegung eines betrieblichen Bezugs nicht im Sinne von § 37 Abs. 6§ 40 Abs. 1 BetrVG erforderlich.

Gründe

A. Das antragstellende Betriebsratsmitglied begehrt von der Arbeitgeberin die Erstattung von Kosten für Unterbringung, Verpflegung und Fahrt für die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung.

Im Betrieb der Arbeitgeberin sind etwa 4.000 Arbeitnehmer, darunter etwa 2.000 Angestellte, beschäftigt. Der Betriebsrat besteht aus 27 Mitgliedern; der Antragsteller gehört ihm seit 1981 an. Er ist von Beruf Maschinenschlosser und im Betriebsrat Sprecher des Fachausschusses "Neue Technologie", stellvertretender Sprecher des Wohnungsausschusses, Mitglied des Betriebsausschusses, Mitglied des Arbeitssicherheits- und Arbeitsplatzgestaltungsausschusses sowie nach seinem insoweit bestrittenen Sachvortrag Berichterstatter für den Betriebsrat auf Betriebsversammlungen, Verhandlungsführer gegenüber der Geschäftsleitung in Sozialplan-, Gleitzeit- und EDV-Angelegenheiten.

Aufgrund eines Beschlusses des Betriebsrats vom 23. Juni 1992 nahm er in der Zeit vom 14. bis 18. September 1992 in H an einer Schulungsveranstaltung des DGB-Bildungswerkes teil.

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Mit Schreiben vom 21. und 29. Juli 1992 hatte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mitgeteilt, daß sie nicht bereit sei, den Lehrgang als eine Schulungs- und Bildungsveranstaltung im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG anzusehen. Sie sei lediglich zu einer unbezahlten Freistellung des Antragstellers zur Teilnahme an der Veranstaltung bereit.

Im vorliegenden Verfahren verlangt der Antragsteller von der Arbeitgeberin die Zahlung des sich aus seiner Dienstreisekostenabrechnung ergebenden Betrages von 283,08 DM. Er hat im wesentlichen die Auffassung vertreten, seine Schulung sei erforderlich gewesen, um die Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Betrieb umsetzen zu können. Er habe sich aufgrund seines handwerklichen Berufswerdeganges nur schwer gegenüber der akademisch vorgebildeten und speziell geschulten Arbeitgeberseite mitteilen und durchsetzen können. Seine rhetorische Unflexibilität sei auch Gegenstand einer Abmahnung gewesen. Der Arbeitgeber habe Äußerungen kritisiert, die von der Presse aufgegriffen, aber nicht richtig wiedergegeben worden seien. Die Teilnahme an dem Seminar habe diese Defizite beheben, zukünftigen Konflikten vorbeugen und die Durchsetzung der Interessen gegenüber der Arbeitgeberseite erleichtern sollen. Insbesondere zur Wahrnehmung seiner Funktion als Sprecher für den Fachausschuß "Neue Technologie" und in der Funktion als Berichterstatter für den Betriebsrat seien Kenntnisse in Managementtechnik sowohl zur Erhebung und Aufbereitung von Informationen als auch für die Gestaltung eines interessanten Vortrags unerläßlich.

Der Antragsteller hat beantragt, die Arbeitgeberin zu verurteilen, an ihn 283,08 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26. Februar 1993 zu zahlen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, nicht zur Erstattung der Kosten verpflichtet zu sein, da die Schulung nicht im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich gewesen sei. Es bestehe kein konkreter betrieblicher Bezug zwischen dem Schulungsthema und den Betriebsratsaufgaben. Der Betriebsrat verfüge über ausreichende Erfahrungen auf dem Gebiet der Arbeitsorganisation. Soweit der Antragsteller kommunikative Defizite anführe, habe er in der Vergangenheit gezeigt, daß er in der Lage sei, die Interessen der Arbeitnehmerschaft zu vertreten.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Antrag weiter, während die Arbeitgeberin um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme des Antragstellers mit eingehender Begründung und insbesondere unter Berücksichtigung der aktuellen konkreten Situation im Betriebsrat und der Aufgabenzuweisung gerade an den Antragsteller verneint. Diese Würdigung läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

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Das Landesarbeitsgericht hat seiner Beurteilung der Erforderlichkeit zutreffend die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde gelegt. Danach ist die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten nur dann für die Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Situation im Betrieb und Betriebsrat benötigt werden, damit die Betriebsratsmitglieder ihre derzeitigen und demnächst anfallenden gesetzlichen Aufgaben sachgerecht wahrnehmen können. Kenntnisse, die für die Betriebsratsarbeit nur verwertbar und nützlich sind, erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Bei seiner Beschlußfassung hat der Betriebsrat die Frage der Erforderlichkeit nicht nach seinem subjektiven Ermessen zu beantworten. Vielmehr muß er sich auf den Standpunkt eines vernünftigen Dritten stellen, der die Interessen des Betriebes einerseits und die des Betriebsrats und der Arbeitnehmerschaft andererseits gegeneinander abzuwägen hat.

3. Davon, daß das Landesarbeitsgericht den Rechtsbegriff der Erforderlichkeit zutreffend erkannt hat, geht auch die Rechtsbeschwerde aus. Sie leugnet lediglich die Richtigkeit seiner Anwendung auf den konkreten Streitfall. Auch insoweit hat sie keinen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts aufgezeigt.

a) Zur Thematik der vorliegenden Schulungsveranstaltungen hat das Landesarbeitsgericht im wesentlich ausgeführt, obwohl der Tagungsplan des Seminars die Schulung der Teilnehmer in Unternehmensführung, Arbeitsorganisation und der Bewältigung von Kommunikationsproblemen zum Ziel gehabt habe, habe der Schwerpunkt der Veranstaltung in der rhetorischen Schulung der Betriebsratsmitglieder gelegen. Ein konkreter Bezug zwischen den auf der Tagung zu vermittelnden Kenntnissen und der Betriebsratstätigkeit sei nicht ersichtlich; die Veranstaltung habe sich themenmäßig erkennbar nicht mit gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats befaßt.

b) Hiergegen wendet die Rechtsbeschwerde im wesentlichen ein, das Landesarbeitsgericht verkenne grundlegend, daß es sich bei den auf der vorliegenden Veranstaltung vermittelten Kenntnissen um das grundlegende Rüstzeug handele, um die sachbezogen erworbenen Kenntnisse aus dem Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht anzuwenden. Es sei auf die konkreten Verhältnisse im jeweiligen Betrieb bzw. Betriebsrat abzustellen, denn je nach der Situation im Betriebsrat, der Größe des Betriebes, der konkreten Aufgabenstellung und der Erfahrung in der Verhandlungsführung mit dem Arbeitgeber lasse sich eine Erforderlichkeit dieses Rüstzeuges für die Betriebsratsarbeit ableiten. Diese konkrete Situation habe das Landesarbeitsgericht nicht hinreichend überprüft; insbesondere sei seine Bezugnahme auf die langjährige Betriebsratsmitgliedschaft des Antragstellers und dessen zahlreiche Funktionen im Betriebsrat nicht ausreichend.

c) Auch aus diesen Einwendungen der Rechtsbeschwerde ist indessen kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß das Landesarbeitsgericht die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts maßgebliche Abgrenzung zwischen erforderlichen und lediglich nützlichen Schulungsveranstaltungen verkannt hätte. Ausgehend von seiner mangels einer Verfahrensrüge vom Senat nicht nachprüfbaren Feststellung, der Schwerpunkt der Veranstaltung habe in der rhetorischen Schulung der Teilnehmer gelegen, befindet sich das Landesarbeitsgericht vielmehr auch insoweit in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit dessen Beschluß vom 6. November 1973. Der erkennende Senat hat erst kürzlich die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einem Seminar "Sprechwirksamkeit - ich als Interessenvertreter in Rede und Gespräch" als nicht im Sinne von § 37 Abs. 6§ 40 Abs. 1 BetrVG erforderlich angesehen. In seinem Beschluß vom 15. August 1978 hat das Bundesarbeitsgericht ein Seminar "Rhetorik und Persönlichkeitsbildung" noch nicht einmal als geeignet im Sinne des § 37 Abs. 7 BetrVGanerkannt.

d) Auch soweit die Rechtsbeschwerde rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht hinreichend auf die konkreten Verhältnisse im Betrieb und insbesondere die individuellen Fähigkeiten gerade des Antragstellers abgestellt, kann dies dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen. Konkrete Defizite des Antragstellers gerade hinsichtlich der in der vorliegenden Veranstaltung zu vermittelnden Techniken und Fähigkeiten sind von diesem selbst nicht in nachprüfbarer Weise aufgezeigt worden. Das Landesarbeitsgericht hat daher zu Recht darauf abgestellt, daß aus der langjährigen Mitgliedschaft des Antragstellers im Betriebsrat und der zahlreichen ihm vom Betriebsrat übertragenen Funktionen auf seine ausreichende kommunikative Sicherheit zu schließen sei. Ein Rechtsfehler dieser Würdigung ist schon deshalb nicht ersichtlich, weil in der Tat davon ausgegangen werden muß, daß ein 27-köpfiger Betriebsrat, dem etwa zur Hälfte auch Mitglieder der Angestellten-Gruppe angehören, nicht gerade den Antragsteller mit dessen zahlreichen Funktionen betraut hätte, wenn dieser nicht über die erforderlichen Mindestfähigkeiten verfügen würde, um sein Amt sachgerecht auszuüben. Es kann davon ausgegangen werden, daß diese Fähigkeiten durch die vorliegende Schulungsveranstaltung gefördert wurden. Auch dies besagt jedoch nur, daß die in der Schulung vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten für die Betriebsratsarbeit verwertbar und nützlich, nicht aber, daß sie erforderlich waren.