Betriebsratsschulung über betriebsverfassungsrechtliches Grundwissen

BAG 7 AZR 547/89 vom 16. Okt. 1990

Nicht amtlicher Leitsatz

Der aktuelle betriebsbezogene Anlaß für die Erforderlichkeit der Vermittlung auch betriebsverfassungsrechtlicher Kenntnisse muß vom Betriebsratsmitglied insoweit nicht dargelegt werden, als es um die Einführung in elementares Grundwissen geht, ohne die jede Art von Betriebsratstätigkeit schlechthin undenkbar ist. Für die Notwendigkeit einer vertieften Betrachtung ist die Darlegung eines aktuellen Betriebsbezugs erforderlich, denn ohne diese Darlegung liegt nicht ohne weiteres auf der Hand, daß derartige Fragen im Betrieb anstehen werden und daher detaillierte Kenntnisse des Betriebsrats in diesen Fragenbereichen für die Betriebsratsarbeit unerläßlich sind.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten Lohnzahlung für die Zeit seiner Teilnahme an einer einwöchigen Schulungsveranstaltung über Fragen des Betriebsverfassungsrechts.

Der 1944 geborene Kläger ist seit 1985 als Meß- und Regeltechniker bei der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen mit etwa 1.300 Arbeitnehmern, beschäftigt. Im März 1987 wurde er erstmals in den Betriebsrat gewählt, der aus 15 Mitgliedern besteht. Er gehört den folgenden Betriebsratsausschüssen an: dem Personalausschuß mit 7 Mitgliedern, dem Haus- und Arbeitsplatzausschuß mit 5 Mitgliedern, dem Bildungsausschuß mit 4 Mitgliedern, dem Arbeitsschutzausschuß mit 2 Mitgliedern und der Kommission zur Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung mit 5 Mitgliedern.

In den Monaten Mai und September 1987 hatte der Kläger aufgrund von Beschlüssen des Betriebsrats an zwei jeweils einwöchigen, von der Gewerkschaft HBV veranstalteten Schulungsveranstaltungen (Typ A und B) teilgenommen.

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Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Zahlung des auf die Zeit seiner Teilnahme an dieser dritten Schulungsveranstaltung entfallenden Lohnes in der unstreitigen Höhe von 567,67 DM netto unter Berufung auf § 37 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 2 BetrVG. Er vertritt die Auffassung, daß es sich auch bei dieser dritten Schulungsveranstaltung um die Vermittlung von Grundkenntnissen aus dem Betriebsverfassungsrecht gehandelt habe, so daß von ihrer Erforderlichkeit auch ohne die Darlegung eines aktuellen betriebsbezogenen Anlasses auszugehen sei.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 567,67 DM netto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (14. März 1989) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie bestreitet die Erforderlichkeit der Schulungsveranstaltung. Die erforderlichen Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht habe der Kläger bereits durch seine Teilnahme an den ersten beiden Schulungsveranstaltungen erworben. Bei der dritten Veranstaltung handele es sich nicht mehr um die Vermittlung von Grundkenntnissen, zumal mehrere Themenkreise wiederholt behandelt worden seien. Auch sei es nicht mehr verhältnismäßig, wenn Betriebsratsseminare in der Weise zeitlich gestreckt würden, daß sie auf drei Veranstaltungen von jeweils einer Woche aufgeteilt würden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Das Landesarbeitsgericht hat die streitgegenständliche Schulungsveranstaltung Typ C nicht für erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG gehalten. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, bei dieser Schulungsveranstaltung habe es sich inhaltlich um eine Vertiefung der dem Kläger bereits in den Schulungsveranstaltungen Typ A und B vermittelten Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsgesetz gehandelt, für die ein konkreter betrieblicher Anlaß nicht bestanden habe. Die Darlegung eines aktuellen betriebsbezogenen Anlasses sei auch nicht nach den Grundsätzen des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 21. November 1978 entbehrlich gewesen, da es sich bei der Schulungsveranstaltung Typ C weder um eine Vermittlung von Grundwissen des Betriebsverfassungsrechts noch um eine Einführung in die Probleme der Geschäftsführung des Betriebsrats und der Betriebsversammlung gehandelt habe. Diese Vermittlung und diese Einführung habe der Kläger bereits durch die Schulungsveranstaltungen Typ A und B erhalten.

Dieser Würdigung schließt sich der Senat im Ergebnis an.

Zum Rechtsbegriff der Erforderlichkeit im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG hat das Landesarbeitsgericht zutreffend die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde gelegt. Danach ist die Vermittlung von Kenntnissen nur dann für die Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn diese Kenntnisse unter Berücksichtigung der konkreten Situation im Betrieb und Betriebsrat benötigt werden, damit die Betriebsratsmitglieder ihre derzeitigen oder demnächst anfallenden gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen können; Kenntnisse die für die Betriebsratsarbeit nur verwertbar und nützlich sind, erfüllen diese Voraussetzungen nicht.

Der demnach grundsätzlich notwendige aktuelle betriebsbezogene Anlaß für den Besuch der Schulungsveranstaltung braucht allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausnahmsweise dann nicht mehr dargelegt zu werden, wenn es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen des Betriebsverfassungsrechts handelt.

Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht indessen auch diese Rechtsprechung seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es hat zwar Zweifel an ihrer Richtigkeit angemeldet, aber den vorliegenden Sachverhalt dahingehend gewürdigt, daß es sich hier nicht mehr um die Vermittlung von Grundkenntnissen gehandelt habe. Es hat hierzu ausgeführt, die Vermittlung von Grundwissen des Betriebsverfassungsrechts und die Einführung in die Probleme der Geschäftsführung des Betriebsrats habe der Kläger bereits durch die Schulungen A und B erhalten. Die Schulung C stelle inhaltlich eine Vertiefung der Schulungen A und B dar. Ein konkreter betrieblicher Anlaß hierzu habe nicht bestanden.

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Das Landesarbeitsgerichts hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend erkannt, daß es sich ausweislich des Seminarprogramms bei den Themen der Schulungsveranstaltung Typ C zumindest ganz überwiegend nicht mehr um Grundwissen im Sinne der bereits angeführten Entscheidungen des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 21. November 1978 und vom 16. Oktober 1986 handelt. Die in diesen Entscheidungen vorgenommene Abgrenzung des Grundwissens von sonstigen erforderlichen Kenntnissen im Betriebsverfassungsrecht dient nicht der Grenzziehung zwischen erforderlichem und nicht erforderlichem Wissen, sondern betrifft allein die Frage der Anforderungen, die an die Darlegung der Erforderlichkeit im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG zu stellen sind. Insoweit hat der Sechste Senat grundsätzlich daran festgehalten, daß der aktuelle betriebsbezogene Anlaß für die Erforderlichkeit der Vermittlung auch betriebsverfassungsrechtlicher Kenntnisse vom Betriebsratsmitglied darzulegen ist, und eine Befreiung von dieser Darlegungslast lediglich ausnahmsweise insoweit vorgenommen, als es um eine Einführung in elementares Grundwissen geht, ohne die jede Art von Betriebsratstätigkeit schlechthin undenkbar ist.

3. Nach diesen Maßstäben wäre es für den Kläger im Entscheidungsfalle geboten gewesen, die Erforderlichkeit seiner Teilnahme an der Schulungsveranstaltung Typ C näher darzulegen. Bei den nach Maßgabe des Seminarprogramms auf dieser Schulungsveranstaltung behandelten Themen handelt es sich ganz überwiegend nicht mehr um eine erste Einführung in betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

Bei diesen Themen handelt es sich vielmehr weitgehend bereits um schwierige Fragenbereiche, die nur bei vertiefter Betrachtung sinnvoll behandelt werden können. Dies gilt beispielsweise für die am Mittwoch behandelten Themenkreise, insbesondere die Fragen des Freistellungsanspruchs, des Schulungsanspruchs und des besonderen Schutzes von Betriebsratsmitgliedern, und wird besonders deutlich bei den für den Freitag vorgesehenen Themen der Folgen von Pflichtverletzungen einschließlich der neuesten Rechtsprechung zum Problem des vorläufigen Rechtsschutzes im Verhältnis zum Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG. Für die Notwendigkeit einer derart vertieften Betrachtung aber ist die Darlegung eines aktuellen Betriebsbezugs erforderlich, denn ohne diese Darlegung liegt nicht ohne weiteres auf der Hand, daß derartige Fragen im Betrieb der Beklagten demnächst anstehen werden und daher detaillierte Kenntnisse des Betriebsrats in diesen Fragenbereichen für die Betriebsratsarbeit unerläßlich sind. Bei weiteren Themenkreisen des Seminarprogramms Typ C handelt es sich nicht einmal um Fragen des Betriebsverfassungsrechts, sondern um mehr taktische Fragen, wie beispielsweise der Öffentlichkeitsarbeit im Betrieb, der Verhandlungstechnik und Gesprächsführung sowie der - überdies schon im Seminar Typ A behandelten - Zusammenarbeit der Betriebsräte mit der Gewerkschaft.

In die Grundfragen des Betriebsverfassungsrechts war der Kläger bereits auf den jeweils einwöchigen Schulungsveranstaltungen Typ A und Typ B eingeführt worden. Dies hätte bei entsprechender Konzentration auf Themen des erforderlichen Grundwissens ausgereicht. Es kommt hinzu, daß der Kläger vor seiner Teilnahme an der Schulungsveranstaltung Typ C bereits etwa eineinhalb Jahre lang in einem großen Betriebsratsgremium und zahlreichen Ausschüssen mitgearbeitet hatte. Es hätte daher der besonderen Darlegung bedurft, wieso der Kläger dennoch zur Erfüllung seiner Betriebsratsaufgaben eine Einführung in elementare Fragen wie beispielsweise der Grundsätze für die Zusammenarbeit von Betriebsrat und Arbeitgeber oder der Organisation der Betriebsratsarbeit benötigte. Insgesamt ist daher der Würdigung des Landesarbeitsgerichts zu folgen, daß die Notwendigkeit der Teilnahme des Klägers an einer weiteren einwöchigen Schulungsveranstaltung des vorliegenden Themenkreises nicht hinreichend dargelegt worden ist.