Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds

BAG 7 AZR 893/93 vom 31. Aug. 1994

Leitsatz

Ist ein Betriebsratsmitglied der objektiv fehlerhaften Ansicht, eine Betriebsratsaufgabe wahrzunehmen, kommt eine Abmahnung des Arbeitgebers wegen einer dadurch bedingten Versäumnis der Arbeitszeit nicht in Betracht, wenn es sich um die Verkennung schwieriger oder ungeklärter Rechtsfragen handelt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt die Entfernung einer Abmahnung aus ihren Personalakten. Die beklagte GmbH & Co. KG betreibt einen Verlag. Sie beschäftigt ca. 100 Arbeitnehmer. Die Klägerin ist bei ihr als Lektoratssekretärin beschäftigt. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des fünfköpfigen Betriebsrats.

In seiner Sitzung am 8. April 1992 beschloß der Betriebsrat die Teilnahme der Klägerin an einer arbeitsgerichtlichen Verhandlung in einem Kündigungsschutzverfahren eines Verlagsmitarbeiters. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Betriebsrat erhoffe sich durch die Teilnahme den Erhalt konkreter wirtschaftlicher Daten, die ihm in der Vergangenheit in Anhörungsverfahren aus Anlaß beabsichtigter betriebsbedingter Kündigungen nicht zur Verfügung gestellt worden seien.

Mit Schreiben vom 10. April 1992 widersprach die Beklagte unter genauer Angabe der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der beabsichtigten Teilnahme. Das Zuhören in arbeitsgerichtlichen Verfahren gehöre nicht zu den Aufgaben eines Betriebsrats. In einem weiteren Schreiben vom 29. April 1992 verteidigte der Betriebsrat seinen Beschluß. Daraufhin bekräftigte die Beklagte mit Schreiben vom 6. Mai 1992 ihre ablehnende Haltung.

Nach vorangegangener Abmeldung nahm die Klägerin am 14. Mai 1992 an der streitigen Gerichtsverhandlung in der Zeit von 11.30 Uhr bis 13.00 Uhr teil. Ihr Vorgesetzter hatte ihr zuvor das Verlassen des Betriebes untersagt und für den Fall einer Teilnahme arbeitsvertragliche Konsequenzen in Aussicht gestellt.

Unter dem 19. Mai 1992 erhielt die Klägerin eine schriftliche Abmahnung.

Das Schreiben wurde zu den Personalakten genommen.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Abmahnung sei unrechtmäßig. Die Beklagte rüge einen Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Amtspflichten. Insoweit stehe ihr lediglich das Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG zur Verfügung; eine individualrechtliche Abmahnung sei ihr verwehrt. Als Mitglied des Betriebsrats habe sie dessen Beschlüsse zu befolgen. Eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sei zur Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben erforderlich gewesen. Die Beklagte habe den Betriebsrat in Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG zu ihrer wirtschaftlichen Lage, Umsatzentwicklung und Personalplanung nicht hinreichend informiert. Von der Teilnahme an der Gerichtsverhandlung habe der Betriebsrat eine Verringerung seines Informationsdefizits erwartet.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 19. Mai 1992 aus den Personalakten der Klägerin zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, sie habe dem Betriebsrat die notwendigen Daten übermittelt. Eine mangelnde Information sei im Anhörungsverfahren nicht gerügt worden. Nach den von ihr gegebenen eindeutigen Hinweisen könne sich die Klägerin auf eine Verkennung der Rechtslage nicht berufen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 19. Mai 1992 aus ihren Personalakten zu, weil die auf eine Verletzung vertraglicher Arbeitspflichten gestützte Abmahnung rechtlich nicht zu beanstanden sei.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Arbeitnehmer berechtigt, die Rücknahme einer mißbilligenden Äußerung des Arbeitgebers zu verlangen, wenn diese Äußerung unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält oder ihrer Form und ihrem Inhalt nach geeignet ist, ihn in seiner Rechtsstellung und seinem beruflichen Fortkommen zu beeinträchtigen. Ist der erhobene Vorwurf objektiv nicht gerechtfertigt, ist der Arbeitgeber aufgrund seiner allgemeinen Fürsorgepflicht gehalten, die Abmahnung aus den Personalakten zu entfernen

b) Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Teilnahme als Zuhörerin einer Gerichtsverhandlung eine Betriebsratsaufgabe ist, war zunächst umstritten. Ein Teil in Literatur und Rechtsprechung billigte dem Betriebsrat ein Teilnahmerecht zu, wenn es sich um einen grundsätzlichen Rechtsstreit von allgemeiner Bedeutung oder eine die Arbeit des Betriebsrats betreffende wesentliche Frage handelte. Begründet wurde diese Ansicht mit einem allgemeinen Informationsbedürfnis des Betriebsrats, das ihm die Wahrnehmung der ihm durch das Betriebsverfassungsgesetz zugewiesenen Kontroll- und Überwachungsrechte sowie die Wahrnehmung seiner Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte ermöglichen solle. Demgegenüber hatte der Betriebsrat nach anderer Auffassung auch dann kein Teilnahmerecht, wenn der Rechtsstreit von allgemeiner Bedeutung für die Ordnung des Betriebes war. Dieser Auffassung hat sich der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 19. Mai 1983 (BAGE 42, 405 = AP Nr. 44 zu § 37 BetrVG 1972), soweit es um die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Gerichtsverhandlung über eine Änderungskündigung ging, grundsätzlich angeschlossen.

Außer in den gesetzlich vorgesehenen Fällen hat danach der Betriebsrat nicht für die Wahrnehmung arbeitsvertraglicher Rechte der einzelnen Arbeitnehmer zu sorgen. Eine solche Kompetenzzuweisung ergibt sich nicht aus den Vorschriften § 82 Abs. 2 Satz 2§ 83 Abs. 1 Satz 2 und § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG über Mitwirkungs- und Beschwerderechte der Arbeitnehmer, weil es sich um persönliche, innerbetrieblich zu lösende Anliegen der Arbeitnehmer handelt, die auf das gerichtliche Verfahren der Arbeitsvertragsparteien nicht übertragbar sind (BAG Urteil vom 19. Mai 1983, aa0, zu 3 a der Gründe). Eine betriebsverfassungsrechtliche Aufgabenstellung folgt auch nicht aus den Beteiligungsrechten bei Kündigungen nach § 102 BetrVG, wenn der Betriebsrat eine abschließende Stellungnahme abgegeben oder der beabsichtigten Kündigung widersprochen hat. Denn mit dem Abschluß des der Kündigung vorgeschalteten Anhörungsverfahrens endet das Beteiligungsrecht des Betriebsrats und die damit verbundene Aufgabe. Ein Beteiligungsrecht in arbeitsgerichtlichen Verfahren, wie etwa in § 78 a Abs. 4 Satz 2 BetrVG, sieht § 102 BetrVG nicht vor.

c) Demzufolge kann die Teilnahme des Betriebsrats an Kündigungsschutzverfahren allenfalls dann zu dessen Amtsobliegenheiten gehören, wenn er davon ausgehen darf, daß er die dort zu erwartenden Informationen in weiteren, konkret anstehenden Anhörungsverfahren oder etwa in naher Zukunft für die gezielte Wahrnehmung anderer gesetzlicher oder betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben einsetzen kann (BAG Urteil vom 31. Mai 1989 - 7 AZR 277/88 - AP Nr. 9 zu § 38 BetrVG 1972). Denn nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder sind nach § 37 Abs. 2 BetrVG im Gegensatz zu freigestellten Betriebsratsmitgliedern nur aus konkretem Anlaß vorübergehend von ihrer vertraglichen Arbeitsverpflichtung befreit. Nicht die Stellung als Mitglied des Betriebsrats, sondern allein die Anlaßbezogene gezielte Wahrnehmung einer betriebsverfassungsrechtlichen oder sonstigen gesetzlichen Aufgabe rechtfertigt die Arbeitsbefreiung. Demnach ist das Vorliegen von Amtsobliegenheiten im Falle einer Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung zu verneinen, wenn sie lediglich der Erkenntnisgewinnung für ein bereits abgeschlossenes Beteiligungsverfahren nach § 102 BetrVG dient. Das gilt auch, soweit der Betriebsrat von der Teilnahme den Erhalt von Angaben über die allgemeine wirtschaftliche Lage des Unternehmens erwartet. Ein solcher Informationsanspruch unabhängig von den Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz steht allein den Mitgliedern eines nach § 106 BetrVG gebildeten Wirtschaftsausschusses zu, den der Unternehmer rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens zu unterrichten hat (§ 106 Abs. 2 BetrVG).

Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt die Teilnahme der Klägerin an der streitigen Gerichtsverhandlung keine Betriebsratstätigkeit dar. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wollte der Betriebsrat über die Teilnahme der Klägerin an der Gerichtsverhandlung wirtschaftliche Entwicklungsdaten über das Unternehmen der Beklagten in Erfahrung bringen. Diese Zielsetzungen, die jeden Bezug zu einer konkreten betriebsverfassungsrechtlichen oder gesetzlichen Aufgabenstellung vermissen lassen, können ein Teilnahmerecht nicht begründen. Das gilt auch, soweit dem Betriebsrat zur Wahrnehmung seiner Überwachungsfunktion nach § 75 Abs. 1 BetrVG und § 80 Abs. 1 BetrVG betriebsverfassungsrechtliche Informationsansprüche zustehen. Daß der Betriebsrat in dieser Hinsicht oder etwa im Wege eines Initiativrechts im einzelnen tätig werden wollte, trägt die Revision nicht vor. Schließlich läßt die im Beschluß des Betriebsrats vom 8. April 1992 gegebene Begründung, wonach die Teilnahme der Erlangung wirtschaftlicher Daten dienen soll, die die Arbeitgeberin im Zusammenhang mit mehreren in der Vergangenheit liegenden Kündigungsanträgen nicht mitgeteilt habe, ebenfalls keine aktuelle Aufgabenstellung des Betriebsrats erkennen. Die Stellungnahme des Betriebsrats vom 31. Januar 1992 zur beabsichtigten Kündigung des Verlagsherstellers K erfolgte auf Grund einer ausführlichen schriftlichen Information der Beklagten über die betriebsbedingten Kündigungsgründe. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung mit einer eingehenden Begründung, ohne von der Beklagten weitere Auskünfte zu fordern.

a) An der Abmahnung war die Beklagte nicht schon deswegen gehindert, weil der gerügte Pflichtverstoß in Zusammenhang mit einer Tätigkeit als Betriebsratsmitglied stand. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Die dagegen gerichteten Rügen der Revision haben keinen Erfolg.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds unzulässig, soweit ihm allein die Verletzung einer Amtspflicht vorgehalten wird. Insoweit ist lediglich die Durchführung eines Ausschlußverfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG möglich (Urteil vom 26. Januar 1994 - 7 AZR 640/92 -, n. v.). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Frage, wenn zugleich eine schwere Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten vorliegt. Die Berechtigung einer außerordentlichen Kündigung unterliegt dabei strengeren Maßstäben als diejenige eines Arbeitnehmers, der nicht dem Betriebsrat angehört. Dementsprechend kommt eine Abmahnung in Betracht, wenn das Betriebsratsmitglied zumindest auch seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat. Da ein Betriebsratsmitglied, abgesehen von der Arbeitsbefreiung wegen der Durchführung von Betriebsratsaufgaben, in gleicher Weise wie andere Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, besteht für eine Ungleichbehandlung der Abmahnungsbefugnis keine Veranlassung (BAG Urteil vom 15. Juli 1992 - 7 AZR 466/91 - AP Nr. 9 zu § 611 BGBAbmahnung, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt, zu 2 b der Gründe; BAG Urteil vom 6. August 1981 - 6 AZR 1086/79 - AP Nr. 40 zu § 37 BetrVG 1972). Insoweit hat das Landesarbeitsgericht auch zutreffend festgestellt, daß der Klägerin in der Abmahnung keine Verstöße gegen ihre Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz vorgeworfen werden. Es wird allein ein unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit und damit ein arbeitsvertragsbezogenes Fehlverhalten gerügt.

Für die Frage, ob eine Abmahnung zu Recht erfolgt ist, kommt es auf die subjektive Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Arbeitnehmers im Sinne eines Verschuldens nicht an. Entscheidend ist allein, ob der Vorwurf objektiv gerechtfertigt ist. Die Fälle vorliegender Art zeichnen sich durch die Besonderheit aus, daß die Versäumung der Arbeitszeit sowohl auf einer wertenden Entscheidung des Betriebsrats als Gremium als auch auf einer wertenden Entscheidung der betroffenen Arbeitnehmerin selbst beruht. Allerdings ist anerkannt, daß der Entsendungsbeschluß des Betriebsrats weder die Arbeitsbefreiung selbst bewirkt noch den Arbeitnehmer von einer selbständigen Überprüfung der Rechtslage hinsichtlich des Bestehens einer Betriebsratsaufgabe und deren Erforderlichkeit entlasten kann.

Soweit die Versäumung der Arbeitszeit auf einer Verkennung des Begriffes der Erforderlichkeit i. S. des § 37 Abs. 2 BetrVG beruht, wird dem Betriebsratsmitglied ebenso wie dem Betriebsrat selbst ein revisionsrechtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zugestanden (BAG Urteil vom 10. November 1993 - 7 AZR 682/92 -, aa0, zu 5 b aa der Gründe). Dieser ist erst überschritten, wenn das Betriebsratsmitglied bei eigener gewissenhafter Überprüfung und bei ruhiger und vernünftiger Würdigung aller Umstände die Versäumung von Arbeitszeit für die Verrichtung einer Betriebsratstätigkeit nicht mehr für erforderlich halten durfte. Kommt es zu einer Überschreitung des Beurteilungsspielraumes und ist dies für die Arbeitsversäumnis kausal, ist eine Abmahnung unter dem Gesichtspunkt ihrer Warnfunktion nur dann gerechtfertigt, sofern eine hinreichende Gefahr der Wiederholung eines willensgesteuerten objektiven Überschreitens des Beurteilungsspielraums besteht (BAG, a.a.O., zu 5 b bb der Gründe).

Ob die Arbeitsbefreiung der Durchführung von Aufgaben des Betriebsrats dient, entscheidet sich allerdings allein nach objektiven Kriterien. Die Klägerin war der objektiv fehlerhaften Ansicht, anläßlich der Teilnahme an der Gerichtsverhandlung Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen und ihrer vertraglichen Pflicht zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung nicht nachkommen zu müssen. Liegt eine so geartete Überschneidung der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied mit Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und eine damit verbundene Fehleinschätzung (BAG Urteil vom 13. November 1991 - 5 AZR 74/91 - AP Nr. 7 zu § 611 BGB Abmahnung) vor, kann eine Abmahnung ihren Zweck nur erfüllen, wenn dem Arbeitnehmer vor Augen geführt wird, welches Verhalten von ihm künftig zur Vermeidung individualrechtlicher Konsequenzen verlangt wird (BAG Urteil vom 10. November 1993 - 7 AZR 682/92 -, aaO). Beruht die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten auf einer Verkennung der Tatbestandsmerkmale i. S. des § 37 Abs. 2 BetrVG, hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, daß das Betriebsratsmitglied sorgfältig das Vorliegen derjenigen Voraussetzungen prüft, unter denen ihm das Betriebsverfassungsgesetz einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung zubilligt. Dazu muß sich das Betriebsratsmitglied um so mehr veranlaßt sehen, weil es eigenverantwortlich über die Ausübung seiner Betriebsratstätigkeit entscheidet (BAG Beschluß vom 21. November 1978 - 6 ABR 10/77 - AP Nr. 35 zu § 37 BetrVG 1972) und einer Zustimmung des Arbeitgebers zur Arbeitsbefreiung nicht bedarf (Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 37 Rz 32; Wiese, GK-BetrVG, 5. Aufl., § 37 Rz 46, m. w. N.). Um die freie Betätigung eines Betriebsratsmitglieds in seinem Amt zu gewährleisten, kann aber nicht jede Verkennung der objektiven Rechtslage, namentlich bei schwierigen und ungeklärten Rechtsfragen, nachteilige Auswirkungen für das betreffende Betriebsratsmitglied haben. Die Grenze ist ebenso wie bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer Betriebsratsaufgabe dort zu ziehen, wo aus Sicht eines sorgfältig prüfenden objektiven Dritten erkennbar ist, daß es sich nicht (mehr) um die Wahrnehmung von Amtsobliegenheiten handelt.

d) Unter Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes ist die der Klägerin erteilte Abmahnung nicht zu beanstanden. Nach den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Mai 1983 (BAGE 42, 405 = AP Nr. 44 zu § 37 BetrVG 1972) und vom 31. Mai 1989 (- 7 AZR 277/88 - AP Nr. 9 zu § 38 BetrVG 1972) konnte die Rechtslage als geklärt gelten. Soweit sich die Klägerin auf eine von Teilen der Rechtsprechung vertretene Gegenansicht beruft, hätte ihr die mangelnde Vergleichbarkeit der dort entschiedenen Sachverhalte mit dem des Ausgangsverfahrens bei sorgfältiger Prüfung nicht verborgen bleiben können. Die Klägerin hat auch keinen Sachverhalt vorgetragen, aus dem sich ausnahmsweise ein Teilnahmerecht ergeben könnte. Schließlich hat die Beklagte sie mehrfach in sachlicher Form und unter allgemein zugänglicher Angabe einschlägiger Rechtsprechung sowie eingehender Begründung auf die mangelnde Vertretbarkeit ihrer Rechtsansicht hingewiesen. Vor diesem Hintergrund hätte sich die Klägerin die vom Betriebsrat geäußerte Rechtsauffassung nicht ungeprüft zu eigen machen dürfen.