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Teilhabechancengesetz

Autor:
Frank Birkefeld
3 Minuten Lesezeit

Das 2019 in Kraft getretene Teilhabechancengesetz soll die Situation von Langzeitarbeitslosen verbessern. Worum es genau geht, erklärt dieser Artikel.

Trotz des langjährigen Wirtschaftsaufschwungs fällt vielen Langzeitarbeitslosen die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt schwer. Dem soll das Teilhabechancengesetz entgegenwirken, indem Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsmarkt und Eingliederungshilfe jeweils kombiniert mit Coachings angeboten werden.

Darüber hinaus können die so geförderten Beschäftigten Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen nach den allgemeinen Regelungen des SGB II oder SGB III in Anspruch nehmen, wenn die Fördervoraussetzungen vorliegen.

Der Betriebsrat unterhält sich über das Teilhabechancengesetz

Eingliederungshilfe, § 16e SGB II

Arbeitgeber erhalten einen Lohnkostenzuschuss, wenn sie eine Person, die mehr als zwei Jahre arbeitslos war, für mindestens zwei Jahre sozialversicherungspflichtig einstellen.

Der Lohnkostenzuschuss beträgt im ersten Jahr 75 % des regelmäßig gezahlten Lohns und im zweiten Jahr 50 %. Der regelmäßige Lohn ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag ohne Einmalzahlungen, wobei das tarifliche oder ortsübliche Arbeitsentgelt nicht überstiegen werden darf. Einbezogen wird zudem ein pauschalierter Anteil des Arbeitgebers von derzeit 19 % am Gesamtsozialversicherungsbeitrag – allerdings ohne den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung, da aus einer Beschäftigung nach § 16e SGB II kein erneuter Anspruch auf Arbeitslosengeld entsteht (vgl. § 27 Abs. 3 Nr. 5 SGB III).

Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn zu vermuten ist, dass der Arbeitgeber, der den Zuschuss in Anspruch nehmen möchte, die vorherige Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses selbst veranlasst hat, oder der Arbeitnehmer in den letzten vier Jahren vor Förderungsbeginn bereits mehr als drei Monate beim Arbeitgeber versicherungspflichtig beschäftigt war (Ausnahme: besonders betroffene (schwer-)behinderte Menschen, § 155 SGB IX).

Der Arbeitgeber kann zur hälftigen Rückzahlung der Zuschüsse verpflichtet sein, wenn das Arbeitsverhältnis grundlos innerhalb des Förderzeitraums gekündigt wird.

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsmarkt, § 16i SGB II

Anders als § 16e SGB II verlangt § 16i SGB II einen mindestens sechsjährigen Leistungsbezug (Sicherung des Lebensunterhalts, SGB II) innerhalb der letzten sieben Jahre (bei schwerbehinderten Menschen oder mit Kind in Bedarfsgemeinschaft Lebenden 5 Jahre) – diese Regelung richtet sich also an „sehr arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose“.

Arbeitgeber können Zuschüsse bis zu fünf Jahre lang erhalten, sofern sie ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit einem vom Jobcenter zugewiesenen (vermittelten) Arbeitslosen begründen. Die vermittelte Person muss – zusätzlich zur Langzeitarbeitslosigkeit – mindestens 25 Jahre sein und in den letzten sieben Jahren nicht oder nur kurzzeitig beschäftigt oder selbstständig gewesen sein.

Außerdem dürfen für die Person noch keine Zuschüsse an einen Arbeitgeber für die Dauer von fünf Jahren erbracht worden sein.

Der Zuschuss beträgt

  • in den ersten beiden Jahren des Arbeitsverhältnisses 100 %,
  • im dritten Jahr des Arbeitsverhältnisses 90 %,
  • im vierten Jahr des Arbeitsverhältnisses 80 % und
  • im fünften Jahr des Arbeitsverhältnisses 70 %.

Die Berechnung des Zuschusses bezieht sich auf die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zuzüglich pauschalierter Beiträge des Arbeitsgebers zur Sozialversicherung – wiederum mit Ausnahme der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, § 27 Abs. 3 Nr. 5 SGB III.

Parallel zum geförderten Arbeitsverhältnis kommt eine Weiterbildung oder ein betriebliches Praktikum bei einem anderen Arbeitgeber unter Fortzahlung des (bezuschussten) Arbeitsentgelts in Betracht.

Auch hier ist eine Förderung ausgeschlossen, wenn zu vermuten ist, dass der Arbeitgeber die Beendigung eines anderen Arbeitsverhältnisses veranlasst hat, um einen Lohnkostenzuschuss zu erhalten.

Abweichend vom Teilzeit- und Befristungsgesetz besteht die Möglichkeit, einen Arbeitsvertrag mit einem zugewiesenen erwerbsfähigen Arbeitnehmer bis zu einer Dauer von fünf Jahren mit einmaliger Verlängerung zu befristen.

Coaching

Bei beiden Förderungen erhalten die Beschäftigten begleitend eine erforderliche ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung durch die Agentur für Arbeit oder einen durch diese beauftragten Dritten (keine Betreuung durch innerbetrieblichen Beschäftigten/Arbeitgeber) – also ein Coaching zur Unterstützung beim Einstieg ins Berufsleben, bei Problemen am neuen Arbeitsplatz oder bei Schwierigkeiten mit der Organisation des Alltags.

Die Arbeitgeber sind in den ersten sechs (§ 16e SGB II) bzw. zwölf Monaten (§ 16i SGB II) verpflichtet, die neuen Mitarbeitenden für das Coaching freizustellen.

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Autor: Frank Birkefeld

Frank Birkefeld ist seit 2000 als Rechtsanwalt im Arbeits- und Sozialrecht tätig. Er war Geschäftsführer eines großen Sozialverbandes sowie Unternehmensjurist. Herr Birkefeld referiert seit mehreren Jahren auch im Bereich der Fortbildung von Betriebsräten und Arbeitnehmervertretungen. Er berät und vertritt Betriebsräte und Arbeitnehmer auf allen Gebieten des kollektiven und individuellen Arbeitsrechts.
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