Betriebsvereinbarung zum Thema Pflegezeit

Präambel

Diese Betriebsvereinbarung soll Arbeitnehmer dabei unterstützen, die häusliche Pflege von nahen Angehörigen zu übernehmen und die familiäre Pflege mit der Erwerbstätigkeit in Einklang zu bringen. Betroffene Arbeitnehmer sollen außerdem in der belasteten persönlichen Situation Unterstützung erhalten.

§ 1 Definitionen

(1) Nahe Angehörige im Sinne dieser Betriebsvereinbarung sind

1.Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern

2.Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Schwägerinnen und Schwäger

3.Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, die Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder.

(2) Pflegebedürftig im Sinne dieser Betriebsvereinbarung sind Personen, die die Voraussetzungen nach den §§ 14 und 15 des SGB XI erfüllen oder voraussichtlich erfüllen oder bei denen die Voraussetzungen für eine häusliche Krankenpflege gem. § 37 SGB V vorliegen.

§ 2 Geltungsbereich

Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer, die keine leitenden Angestellten gem. § 5 Abs.3 BetrVG sind.

§ 3 Pflegefreistellung

(1) Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung sicherzustellen. Dieser Zeitraum kann im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber verlängert werden.

(2) Eine akut aufgetretene Pflegesituation liegt insbesondere dann vor, wenn

  • aufgrund eines unvermittelten Ereignisses eine pflegerische Versorgung erstmals eingerichtet werden muss,
  • in einer bestehenden Pflegesituation die bisherige Pflegeperson unvermittelt ausfällt,
  • in einer bestehenden Pflegesituation eine unvermittelte Verschlechterung des Zustandes eintritt, auch durch die Einleitung der Sterbephase, die eine Anpassung der Pflegesituation erforderlich macht.

(3) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber seine Verhinderung an der Arbeitsleistung und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dem Arbeitgeber ist auf Verlangen eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen und die Erforderlichkeit der in Absatz 1 genannten Maßnahmen vorzulegen. Die Krankheitsdiagnose muss nicht mitgeteilt werden.

(4) Der Anspruch auf Pflegefreistellung geht von einer 5-Tage-Woche aus. Hat ein Arbeitnehmer mehr oder weniger Arbeitstage zu leisten, erhöht oder verringert sich der Anspruch auf Pflegefreistellung entsprechend.

(5) Für denselben Angehörigen kann der Anspruch auf Pflegefreistellung mehrfach in Anspruch genommen werden, wenn eine Akutsituation erneut auftritt.

§ 4 Pflegezeit

(1) Der Arbeitnehmer ist von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen, wenn er einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegt (Pflegezeit).

(2) Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber die Inanspruchnahme der Pflegezeit spätestens zehn Arbeitstage vor deren Beginn schriftlich anzukündigen und gleichzeitig zu erklären, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang die Freistellung von der Arbeitsleistung in Anspruch genommen werden soll. Wenn nur teilweise Freistellung in Anspruch genommen wird, ist auch die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit anzugeben.

(3) Wird die Pflegezeit nach einer Familienpflegezeit für denselben Angehörigen in Anspruch genommen, muss sich die Pflegezeit unmittelbar an die Familienpflegezeit anschließen. Die Ankündigung, ob der Arbeitnehmer für diesen Angehörigen Pflegezeit in Anspruch nehmen will, muss abweichend von Absatz 2 spätestens acht Wochen vor Beginn der Pflegezeit erfolgen.

(4) Der Arbeitgeber kann den Nachweis der Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen durch Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung verlangen. Bei einem privat pflegeversicherten Angehörigen kann ein vergleichbarer Nachweis erbracht werden. Die Voraussetzungen der Erkrankung sind durch ärztliches Zeugnis nachzuweisen.

(5) Die Inanspruchnahme der Pflegezeit unter vollständiger Freistellung von der Arbeitsleistung kommt durch einseitige Erklärung des Arbeitnehmers zustande. Die Inanspruchnahme der Pflegezeit unter teilweiser Freistellung von der Arbeitsleistung bedarf der Zustimmung des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber darf die Zustimmung nur verweigern, wenn der gewünschten Verringerung der Arbeitszeit und deren Verteilung dringende betriebliche Gründe entgegenstehen. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer die Verweigerung der Zustimmung innerhalb eines Monats, spätestens aber fünf Tage vor dem gewünschten Beginn der Pflegezeit schriftlich und unter Angabe von Gründen mitzuteilen; andere als die dem Arbeitnehmer mitgeteilten Gründe können zur Rechtfertigung der Ablehnung später nicht mehr herangezogen werden. Geht die Ablehnungsentscheidung dem Arbeitnehmer nicht form- oder fristgerecht zu, gilt die Zustimmung des Arbeitgebers zu der Pflegezeit als erteilt.

(6) Die Vereinbarung über eine Pflegeteilzeit ist schriftlich abzuschließen; bei vollständiger Freistellung von der Arbeitsleistung ist dem Arbeitnehmer ein schriftlicher Nachweis über die Dauer der Pflegezeit zu erteilen.

§ 5 Dauer der Pflegezeit

(1) Die Pflegezeit nach § 4 beträgt für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen maximal 12 Monate (Höchstdauer). Für Arbeitnehmer mit einer Betriebszugehörigkeit von mehr als fünf Jahren verlängert sich diese Höchstdauer auf 24 Monate. Bei Inanspruchnahme von Pflegezeit und Familienzeit für denselben nahen Angehörigen beträgt die Freistellungszeit insgesamt maximal 48 Monate.

(2) Die zunächst für einen kürzeren Zeitraum in Anspruch genommene Pflegezeit kann durch einseitige Erklärung des Arbeitnehmers bis zur Höchstdauer verlängert werden. Eine die Höchstdauer überschreitende Verlängerung der Pflegezeit bedarf der Zustimmung des Arbeitgebers.

(3) Die Pflegezeit kann von dem Arbeitnehmer mit einer Ankündigungsfrist von vier Wochen jederzeit einseitig beendet werden.

(4) Die Pflegezeit endet, wenn der nahe Angehörige nicht mehr pflegebedürftig oder die häusliche Pflege des nahen Angehörigen unmöglich oder unzumutbar geworden ist, vier Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände. Der Arbeitgeber ist hierüber unverzüglich zu unterrichten.

§ 6 Vergütung

(1) Während der Pflegefreistellung gem. § 3 hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung. Der Anspruch ist begrenzt auf 10 Arbeitstage für jeden nahen Angehörigen. Die Höhe der Vergütung entspricht der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gem. § 4 EFZG.

(2) Arbeitet der Arbeitnehmer während der Pflegezeit gem. § 4 in Teilzeit weiter, reduziert sich die Vergütung in demselben Verhältnis wie das Arbeitsvolumen.

(3) Während der Pflegezeit gem. § 4 hat der Arbeitnehmer zusätzlich zu einem etwaigen Anspruch auf Teilzeitvergütung Anspruch auf eine Vergütung in Höhe von 50 % der durch die Arbeitszeitreduzierung ausfallenden Vergütung.

§ 7 Pflegezeit ohne Arbeitsleistung

(1) Während der Pflegezeit gem. § 4 ruht das Arbeitsverhältnis, sofern und solange der Arbeitnehmer keine Teilzeittätigkeit ausübt.

(2) Während des ruhenden Arbeitsverhältnisses entsteht ein Urlaubsanspruch lediglich in Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs. Dieser sowie ein etwaig noch aus der Zeit vor Beginn der Pflegezeit bestehender Urlaubsanspruch ist spätestens in dem auf die Beendigung der Pflegezeit folgenden Kalenderjahr in Anspruch zu nehmen.

§ 8 Nebentätigkeit

Während einer Pflegezeit gem. § 4 ist der Arbeitnehmer nach Ablauf von sechs Monaten nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Arbeitgebers eine mehr als geringfügig entlohnte Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufzunehmen.

§ 9 Kündigungsschutz

(1) Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis von der Ankündigung, höchstens jedoch 12 Wochen vor dem angekündigten Beginn, bis zur Beendigung der Pflegefreistellung nach § 3 oder der Pflegezeit nach § 4 nicht kündigen.

(2) In besonderen Fällen kann eine Kündigung von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ausnahmsweise für zulässig erklärt werden.

§ 10 Datenschutz

(1) Der Arbeitgeber wird nur diejenigen Daten erheben, verarbeiten und nutzen, zu deren Erhebung, Verarbeitung und Nutzung er berechtigt ist.

(2) Die zulässig erhobenen Daten wird der Arbeitgeber getrennt von der übrigen Personalakte besonders geschützt aufbewahren, speichern und verarbeiten.

(3) Nach Beendigung der Pflegezeit wird der Arbeitgeber die erhobenen Daten unverzüglich löschen.

§ 11 Schlussbestimmungen

Diese Betriebsvereinbarung tritt mit Wirkung vom Datum in Kraft und kann von beiden Seiten unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende gekündigt werden.

Ort, Datum, Unterschriften