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Schwerbehindertenvertretung (SBV)

15 Minuten Lesezeit

Die Schwerbehindertenvertretung (SBV) fördert die Eingliederung (schwer-)behinderter Menschen in den Betrieb. Außerdem vertritt sie ihre Interessen gegenüber dem Arbeitgeber und steht ihnen beratend und helfend zur Seite. Für erforderliche Maßnahmen stellt sie bei den zuständigen Stellen einen Antrag. Die Aufgaben, Rechte und Pflichten der SBV regelt grundsätzlich das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (§ 178 SGB IX). Aber wann muss man eine SBV wählen? Und wie steht Sie in Beziehung mit dem Betriebsrat?

Schwerbehindertenvertretung sitzt auf einen Tisch

Die SBV - Stark für Kollegen!

Als Schwerbehindertenvertretung haben Sie ein sehr vielfältiges Ehrenamt inne. Sie vertreten die Interessen von (schwer-)behinderten Kollegen im Betrieb und stehen ihnen mit Rat und Tat zur Seite.

Auch mit Behinderungen möchte und kann man einen vollwertigen Beitrag im Berufsleben leisten. Dies allen Kollegen zu verdeutlichen, ist eine der verantwortungsvollsten Aufgaben als Schwerbehindertenvertretung.

So wichtig diese Lobbyarbeit auch ist, so steht doch in erster Linie die Förderung und Unterstützung der (schwer-)behinderten Mitarbeiter im Vordergrund. Sowohl in gesundheitlicher, als auch in arbeitsrechtlicher Hinsicht.

Wann muss man eine Schwerbehindertenvertretung wählen?

Eine Schwerbehindertenvertretung wird in Betrieben gewählt, in denen wenigstens 5 (schwer-)behinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind. (Siehe § 177 SGB IX)

Grundsätzlich muss der Arbeitgeber laut Gesetz 5 % seiner Arbeitnehmer mit (schwer-)behinderten Mitarbeitern besetzen. Somit muss ab einer Betriebsgröße von 100 Mitarbeitern eine Schwerbehindertenvertretung gewählt werden.

SBV-Wahl

Die regelmäßigen SBV-Wahlen finden alle vier Jahre in der Zeit vom 01.10. bis 30.11. statt.

Sind die Voraussetzungen erfüllt, wählen die (schwer-)behinderten Mitarbeiter aus ihrer Mitte eine Vertrauensperson, die Schwerbehindertenvertretung oder SBV. Außerdem wählen sie wenigstens einen Stellvertreter, der die SBV vertritt, wenn diese verhindert ist.

Der Betriebsrat hat die Pflicht, auf die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung (SBV) hinzuwirken.

Zusammensetzung der SBV

Die SBV besteht aus einer Vertrauensperson und ihrem Stellvertreter bzw. Stellvertreterin.

In großen Betrieben mit mehr als 100 schwerbehinderten Beschäftigten muss die Vertrauensperson viele Aufgaben erledigen. In diesem Fall kann das stell­ver­tre­ten­de Mit­glied zu be­stimm­ten Auf­ga­ben her­angezogen werden und gleichzeitig mit der Vertrauensperson im Einsatz sein.

Weitere Stellvertreter

Jede weitere Staffelung um zusätzliche 100 schwerbehinderte Menschen erlaubt zudem, das jeweils mit der nächsthöheren Stimmenzahl gewählte Mitglied heranzuziehen.

Ratgeber
Grund­la­gen­wis­sen für die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung

Dieser Ratgeber liefert Ihnen alle wichtigen Informationen und nützliche Praxis-Tipps rund um Ihr Amt als SBV. Er hilft Ihnen dabei, Ihren Arbeitsalltag erfolgreich zu meistern.

Aufgaben und Pflichten

Die Hauptaufgabe der Schwerbehindertenvertretung ist die Förderung der tatsächlichen Eingliederung schwerbehinderter Kollegen in den Betrieb.

Daraus ergeben sich 3 Kernaufgaben.

1. Überwachung des Arbeitgebers

Die SBV kontrolliert, ob die zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt werden. Außerdem überwacht sie, ob der Arbeitgeber seine Verpflichtungen nach den §§ 154, 155 und 164 bis 167 erfüllt.

2. Maßnahmen beantragen

Die SBV beantragt Maßnahmen, die den schwerbehinderten Menschen dienen, bei den zuständigen Stellen wie z.B. Arbeitgeber, Integrationsamt, Arbeitsamt. Das betrifft insbesondere auch präventive Maßnahmen. Außerdem unterstützt sie Beschäftigte bei Anträgen auf Feststellung einer Schwerbehinderung an die zuständigen Behörden sowie bei Anträgen auf Gleichstellung an die Agentur für Arbeit.

3. Anregungen und Beschwerden entgegennehmen

Die SBV nimmt Anregungen und Beschwerden von schwerbehinderten Menschen entgegen. Falls sie berechtigt erscheinen, verhandelt sie diese mit dem Arbeitgeber und informiert die schwerbehinderten Menschen über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen.

Rechte

Beteiligungsrechte

Im Un­ter­schied zum Be­triebs­rat hat die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung kei­ne ech­ten Mit­be­stim­mungs­rech­te. Al­ler­dings ist der Ar­beit­ge­ber da­zu ver­pflich­tet, die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung in verschiedenen Angelegenheiten zu beteiligen.

Beteiligung bei Einstellungen

Gerade bei Einstellungen muss der Arbeitgeber viele Vorgaben des Gesetzgebers beachten. In der Praxis werden besonders die sich aus § 164 SGB IX ergebenden Vorgaben vergessen bzw. übersehen. In einer Missachtung seiner Pflichten aus dem SGB IX liegt immer ein Verstoß gegen ein Gesetz im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG vor. Allein aus diesem Grund kann der Betriebsrat die Zustimmung zu der beabsichtigten Einstellung rechtswirksam verweigern.

Beteiligung beim Vorstellungsgespräch

Hat sich ein schwerbehinderter oder gleichgestellter Mensch beworben, darf die Schwerbehindertenvertretung an sämtlichen Bewerbungsgesprächen teilnehmen. Die SBV hat hier ein Anhörungsrecht gegenüber dem Arbeitgeber. Ohne die SBV dürfen vor Ablauf der Bewerbungsfrist auch gar keine Bewerbungsgespräche durchgeführt werden.

Unterrichtungsrecht

Der Arbeitgeber hat die Pflicht die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden. Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht auf Beteiligung am Verfahren nach § 164 Abs. 1 und beim Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit nach § 164 Abs. 1 oder von Bewerbungen schwerbehinderter Menschen das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen.

Einsicht in die Personalakte – Hinzuziehung der SBV

Der schwerbehinderte Mensch hat das Recht, bei Einsicht in die über ihn geführte Personalakte oder ihn betreffende Daten des Arbeitgebers die Schwerbehindertenvertretung hinzuzuziehen. Die Schwerbehindertenvertretung bewahrt über den Inhalt der Daten Stillschweigen, soweit sie der schwerbehinderte Mensch nicht von dieser Verpflichtung entbunden hat.

Teilnahmerecht an Sitzungen

Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, an allen Sitzungen des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates und deren Ausschüssen sowie des Arbeitsschutzausschusses beratend teilzunehmen; sie kann beantragen, Angelegenheiten, die einzelne oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe besonders betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. Erachtet sie einen Beschluss des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates als eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen schwerbehinderter Menschen oder ist sie entgegen Absatz 2 Satz 1 nicht beteiligt worden, wird auf ihren Antrag der Beschluss für die Dauer von einer Woche vom Zeitpunkt der Beschlussfassung an ausgesetzt; die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und des Personalvertretungsrechtes über die Aussetzung von Beschlüssen gelten entsprechend. Durch die Aussetzung wird eine Frist nicht verlängert.

Hinzuziehung der SBV zu Besprechungen

Die Schwerbehindertenvertretung wird zu Besprechungen (z.B. Monatsgespräch) nach § 74 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, § 66 Abs. 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes sowie den entsprechenden Vorschriften des sonstigen Personalvertretungsrechtes zwischen dem Arbeitgeber und den in Absatz 4 genannten Vertretungen hinzugezogen.

Versammlungsrecht schwerbehinderter Menschen

Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, mindestens einmal im Kalenderjahr eine Versammlung schwerbehinderter Menschen im Betrieb oder in der Dienststelle durchzuführen. Die für Betriebs- und Personalversammlungen geltenden Vorschriften finden entsprechende Anwendung.

Rederecht der Schwerbehindertenvertretung

Die Schwerbehindertenvertretung kann an Betriebs- und Personalversammlungen in Betrieben und Dienststellen teilnehmen, für die sie als Schwerbehindertenvertretung zuständig ist, und hat dort ein Rederecht, auch wenn die Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung nicht Angehörige des Betriebes oder der Dienststelle sind.

Recht auf Kostenübernahme durch den Arbeitgeber

Die Kosten der Schwerbehindertenvertretung trägt der Arbeitgeber. Nach § 179 Abs. 8 und 9 SGB IX darf die Schwerbehindertenvertretung die gleichen Räume nutzen, die der Betriebsrat zur Erfüllung seiner Amtsgeschäfte nutzt, es sei denn, der Schwerbehindertenvertretung werden eigene Räume zur Verfügung gestellt. Das gleiche gilt für Sachmittel.

Gestärkte Rechte durch das Bundesteilhabegesetz

Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) ist ein umfassendes Gesetzespaket, das für Menschen mit Behinderungen viele Verbesserungen vorsieht. Durch das BTHG gibt es mehr Möglichkeiten der Teilhabe und mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen.

Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung

Die 4-jährige Amtszeit beginnt mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses, allerdings nicht vor Ablauf der Amtszeit der bisherigen Schwerbehindertenvertretung. (§ 177 Abs. 7 SGB IX)

Vorzeitige Beendigung der Amtszeit

Das Amt der Schwerbehindertenvertretung erlischt vorzeitig,

  • wenn die Vertrauensperson es niederlegt,
  • wenn die Vertrauensperson aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis ausscheidet oder
  • wenn die Vertrauensperson ihre Wählbarkeit verliert.

Für die restliche Amtszeit rückt das mit der höchsten Stimmzahl gewählte stellvertretende Mitglied nach.

Falls die Anzahl der schwerbehinderten Menschen im Betrieb während der Amtszeit unter 5 absinkt, bleibt die Schwerbehindertenvertretung trotzdem bestehen. Allerdings wird dann am Ende der Amtszeit keine neue SBV gewählt.

Kündigungsschutz

Schutz vor ordentlicher Kündigung

Die Schwerbehindertenvertretung genießt den gleichen Kündigungsschutz wie der Betriebsrat auch (siehe § 179 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dadurch soll sichergestellt werden, dass sie ihr Amt neutral, unabhängig und frei von Weisungen ausüben kann.

Es gibt wenige Ausnahmen, in denen auch während der Amtszeit eine ordentliche Kündigung wirksam ist. Eine davon ist z.B. die Stilllegung des gesamten Betriebs oder der Abteilung, in der die Vertrauensperson beschäftigt ist.

Außerordentliche Kündigung

Gegenüber einer amtierenden Schwerbehindertenvertretung kann von Arbeitgeberseite nur eine außerordentliche Kündigung aus einem wichtigen Grund nach § 15 Abs. 1 und 2 KSchG ausgesprochen werden.

Ein solcher Grund besteht dann, wenn dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung beiderseitiger Interessen, Tatsachen vorliegen, die die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar machen.

Die Gründe müssen hierbei aus dem Arbeitsverhältnis stammen. Verstöße der Vertrauensperson gegen die Amtspflicht können lediglich eine Amtsenthebung nach sich ziehen. Dabei muss der Betriebsrat der Kündigung zustimmen, damit diese wirksam ist oder ein Arbeitsgericht deren verweigerte Zustimmung ersetzt (siehe § 103 BetrVG).

Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Ablauf einer Befristung oder durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags wird vom besonderen Kündigungsschutz jedoch nicht erfasst.

Kündigungsschutz nach der Amtszeit

Nach dem Ende der Amtszeit kommt der nachwirkende Kündigungsschutz zur Geltung. Das heißt, dass eine ordentliche Kündigung auch innerhalb eines Jahres nach Amtsniederlegung grundsätzlich unzulässig ist (siehe § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG).

Der Arbeitgeber kann hierbei ebenfalls nur aus wichtigem Grund kündigen, benötigt im Falle einer außerordentlichen Kündigung jedoch nicht mehr die Zustimmung des Betriebsrats.

Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen allgemein

Auch außerhalb der SBV sind schwerbehinderte Menschen gut vor Kündigungen geschützt. Sie genießen Sonderkündigungsschutz. Sonderkündigungsschutz bedeutet in diesem Fall, dass der Arbeitgeber nur dann die Kündigung erteilen darf, wenn er zuvor die Zustimmung des Integrationsamtes zu dieser Kündigung eingeholt hat.

Freistellung

Neben der gesetzlich möglichen Freistellung gem. § 179 Abs. 4 SGB IX lässt das Gesetz ausdrücklich weitergehende Regelungen zu.

Wie kann man weitergehende Freistellungsregelungen schaffen?

Erstellen Sie eine genaue Aufstellung der Zeiten (ohne Namensnennung), welche für die Wahrnehmung der Mandatsaufgaben benötigt wurden. Am besten über einen Zeitraum von mind. 2-3 Monaten.

Dazu gehört auch das Lesen von Gesetzen, Fachliteratur, Kommentaren, Rechtsprechungen, Urteilen etc. Diese Aufgaben sind in der Amtsausübung unverzichtbar und daher bei den notwendigen Zeitansätzen zu berücksichtigen und zu gewähren.

Überschlagsrechnung erstellen

Hilfreich ist auch eine Überschlagsrechnung, wie sie in größeren Betrieben praktiziert wird:

  • Eine Grundzeit von ca. 6 Std/Woche (für Regelaufgaben der SBV)
  • Zahl der SBV 13 Min./Woche (für Betreuung/Beratung und Unterstützung der schwerbehinderten Menschen/Gleichgestellten.
  • Bei mehreren Betriebsteilen einen Zuschlag für Fahrzeiten auf Grund der Kontaktaufnahme vor Ort, gestaffelt nach Entfernung/km.
  • Zu den hier aufgeführten Grundwerten sind dann noch Zeitzuschläge zu errechnen welche zur Teilnahme an Sitzungen des BR oder Personalrats, der Ausschüsse und gemeinsamen Sitzungen/Besprechungen mit dem Arbeitgeber.
  • Sofern die SBV noch Aufgaben des Arbeitgeber/Beauftragten des Arbeitgebers für die Belange der schwerbehinderten Menschen wahrnimmt, z.B. Stellung von Anträgen auf Mittel der Ausgleichabgabe, auf Mehrfachanrechnung usw. können noch weitere Zeitzuschläge erfolgen.
  • Zeiten für Teilnahme an Tagungen/Schulungen und Gesprächskreisen (z.B. Gesprächkreise mit dem Integrationsamt).

Mit einer solchen Regelung sind dann auch die Zeiten für Sprechstunden usw. abgedeckt. Betriebsübliches Runden von Zeiten ist zu berücksichtigen. Fertigen Sie eine entsprechende Tabelle/Aufstellung an und gehen Sie hiermit in die Verhandlung mit dem Arbeitgeber.

Vorteile für den Arbeitgeber herausstellen

Zeigen Sie in diesen Verhandlungen dem Arbeitgeber die auch für ihn in einer Regelung liegenden Vorteile.

Dazu zählt insbesondere die Planungssicherheit für den Arbeitgeber über die Zeiten welche Sie für die „normale” Berufstätigkeit zur Verfügung haben. Ein weiterer Vorteil ist, dass Sie bestimmte Aufgaben des Arbeitgebers mit übernehmen, da Sie Fachleute in Sachen SGB IX im Betrieb sind. Dies bringt eine Entlastung für den Arbeitgeber.

Verdeutlichen Sie dem Arbeitgeber wenn nötig nochmals, dass Mandatsaufgaben Vorrang vor der „normalen” beruflichen Tätigkeit haben.

Stark sein – Rechte durchsetzen

Beschlussverfahren zur Durchsetzung von Rechten

Die Schwerbehindertenvertretung kann ihre Rechte gegenüber dem Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht im Beschlussverfahren durchsetzen. Das Arbeitsgerichtsbeschleunigungsgesetz sagt im § 2a Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG, dass die Schwerbehindertenvertretung ihre Ansprüche (nach § 177 und § 178 SGB IX) gegen den Arbeitgeber im Beschlussverfahren durchsetzen kann.

Wer trägt die Kosten für das Beschlussverfahren?

Um dies zu regeln wurden die Angelegenheiten aus dem SGB IX in den Katalog der Zuständigkeiten für das Beschlussverfahren aufgenommen § 2a Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG. Durch die Zuordnung zum Beschlussverfahren wird die Kostenfreiheit des arbeitsgerichtlichen Verfahrens bewirkt.

Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung von den Kosten der Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts freizustellen, soweit das Verfahren nicht offensichtlich ohne jede Erfolgsaussicht ist. Das ergibt sich zum einen aus § 179 Abs. 8 SGB IX, der dem Arbeitgeber aufgibt, die Kosten der Tätigkeit der SBV zu tragen. Zum anderen besitzen die Vertrauenspersonen nach § 179 Abs. 3 SGB IX die gleiche persönliche Rechtsstellung wie Betriebsratsmitglieder. Da der Arbeitgeber gegenüber den Betriebsratsmitgliedern verpflichtet (§ 40 BetrVG) ist, diese von derartigen Kosten frei zu stellen, muss das Gleiche auch für Vertrauenspersonen gelten.

Durch den § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG hat der Gesetzgeber die Zuständigkeitsverteilung zwischen Gerichten für Arbeitssachen und der Verwaltungsgerichtsbarkeit verschoben. Waren bisher auch die Verwaltungsgerichte für Beschlussverfahren der Schwerbehindertenvertretungen zuständig , besteht jetzt eine Alleinzuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit. Damit gehören auch die Beschlussverfahren der Schwerbehindertenvertretungen des öffentlichen Dienstes vor die Arbeitsgerichte.

Ordnungswidrigkeiten

Der Arbeitgeber handelt nach § 156 SGB IX ordnungswidrig, sofern er vorsätzlich oder fahrlässig beispielsweise:

  • der Beschäftigungspflicht nach § 154 SGB IX nicht nachkommt oder
  • nicht frühzeitig Verbindung mit dem Arbeitsamt gemäß § 164 Abs. 1 SGB IX aufnimmt,
  • die Schwerbehindertenvertretung und den Betriebsrat nicht über die Vermittlungsvorschläge des Arbeitsamtes und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen unmittelbar nach Eingang unterrichtet.

Nach § 156 Abs. 2 SGB IX können Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 Euro geahndet werden. Der zu zahlende Betrag ist an das Integrationsamt abzuführen. In der Praxis spielen diese Geldbußen jedoch keine Rolle. Auch das Arbeitsamt setzt eher auf Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern als auf Druck.

Aussetzungsverfahren nach § 178 Abs. 4 SGB IX

Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung bei Bewerbungsgesprächen zu beteiligen und vor einer Entscheidung anzuhören. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, ist die Durchführung der Einstellung nach § 178 Abs. 4 SGB IX - auf Antrag der Schwerbehindertenvertretung - auszusetzen.

Der Arbeitgeber hat die Beteiligung dann innerhalb von sieben Tagen nachzuholen. Danach kann eine endgültige Entscheidung getroffen werden. Dieses Beteiligungsrecht bietet der Schwerbehindertenvertretung deshalb nur die Möglichkeit, eine Entscheidung aufzuschieben - für lediglich sieben Tage.

Einstweilige Verfügung

Die Schwerbehindertenvertretung kann darüber hinaus nach § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG eigenständig gerichtlich aktiv werden.

Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber in der Vergangenheit oftmals gegen die Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung verstoßen hat.

In weitgehenden Fällen der Verletzung gesetzlicher Pflichten kann auch eine einstweilige Verfügung zur Veranlassung oder zur Unterlassung einer Maßnahme - etwa einer Einstellung - beim Arbeitsgericht beantragt werden. Die Messlatte für dieses Vorgehen hat der Gesetzgeber jedoch sehr hoch gelegt. Die Arbeitnehmerseite muss nämlich vor Gericht nachweisen können, dass die Rechte der Schwerbehindertenvertretung auch in Zukunft missachtet werden.

Eine bessere Möglichkeit zur Durchsetzung der Beteiligungsrechte bietet deshalb eher die enge Zusammenarbeit von Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat bei der Anhörung zur Einstellung nach § 99 BetrVG.

Widerspruch gegen die Einstellung

Die bisher genannten rechtlichen Möglichkeiten - Ordnungswidrigkeiten oder das Aussetzungen der Arbeitgeber-Entscheidung - sind eher begrenzte Mittel.

Beim Anhörungsverfahren sind die Rechte weitergehend. Denn nach § 99 BetrVG steht dem Betriebsrat ein Widerspruchsrecht zu. In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Einstellung einzuholen.

Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn die Voraussetzungen des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG erfüllt sind, Sofern der Betriebsrat die Zustimmung verweigert, hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber schriftlich mitzuteilen. Die Verweigerung der Zustimmung ist nach § 99 Abs. 2 BetrVG u.a. möglich, wenn die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz oder gegen eine Betriebsvereinbarung verstoßen würde.

Verweigerungsgründe bei beabsichtigter Einstellung

Folgende Verstöße des Arbeitgebers können eine Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 BetrVG begründen:

Kein Kontakt des Arbeitgebers mit dem Arbeitsamt

Der Arbeitgeher hat sich frühzeitig mit dem Arbeitsamt in Verbindung zu setzen (§ 163 Abs. 1 SGB IX), um geeignete schwerbehinderte Bewerber berücksichtigen zu können. Wird eine Einstellung vorgenommen und ist in diesem Bezug eine Kontaktaufnahme des Arbeitgebers mit dem Arbeitsamt nicht nachzuweisen, besteht ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats.

Keine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung

Sofern Vorschläge des Arbeitsamtes eingeholt wurden, der Arbeitgeber jedoch keine Beratung mit der Schwerbehindertenvertretung über diese Bewerber vorgenommen hat, liegt auch ein Verweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG vor.

Unterlassung des Arbeitgebers

Sofern der Arbeitgeber die Erörterung der Bewerbung mit der Schwerbehindertenvertretung unterlassen hat (§ 178 Abs. 2 SGB IX), kann die Zustimmung zur Einstellung verweigert werden."

Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat – ein starkes Team

Wie der Betriebsrat vertreten auch Sie die Interessen von Kollegen im Betrieb. Dabei stehen Sie schwerbehinderten Kollegen beratend und unterstützend zur Seite. Sie überwachen, ob bestehende Gesetze und Verordnungen eingehalten werden, beantragen Maßnahmen, die schwerbehinderten Arbeitnehmern in Ihrem Betrieb dienen, nehmen Anregungen und Beschwerden von schwerbehinderten Kollegen entgegen und wirken auf eine Lösung hin.

Sie dürfen auch an den Sitzungen des Betriebsrats teilnehmen. Hier haben Sie die Möglichkeit gemeinsam mit dem Betriebsrat Themen, die schwerbehinderte Kollegen betreffen, zu erörtern und in die richtigen Wege zu leiten.

Seminare und Schulungen für die SBV

Die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung werden immer komplexer. Damit Sie immer „up to date“ bleiben, sollten Sie regelmäßige Weiterbildungen in Anspruch nehmen.

Kein neugewählter Schwerbehindertenvertreter weiß alles – aus diesem Grund sind Seminare für die Schwerbehindertenvertretung eine optimale Plattform zur Fortbildung und zum Erfahrungsaustausch.

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