Erstellt am 17.02.2012 um 16:28 Uhr von Streikposten
Auszug aus der Kommentierung zum § 102
..., wenn er seiner Unterrichtungspflicht nach Abs. 1 nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachkommt« (BAG 29. 1. 97, NZA 97, 813)
Also, die unvollständige Anhörung nicht rügen sondern nur BR-intern vermerken und dann nach Ausspruch der Kündigung dem AN mitteilen, der kann dann zum Anwalt und die Kündigung wohl erfolgreich anfechten.
Erstellt am 17.02.2012 um 17:09 Uhr von Bakunin
Zur Fristberechnung: BGB § 187 + § 188
Mit der Empfehlung von Streikposten wäre ich vorsichtig. Unterlaufen bei der Anhörung nach § 102 BetrVG Fehler, die dem Verantwortungsbereich des BR zuzuordnen sind, wird die Kündigung nicht unwirksam. Wenn Ihr als BR also wisst, dass die Anhörung von Seiten des AG fehlerhaft ist, und ihr weist ihn nicht darauf hin, könnte das ganze zum Bumerang werden (vorausgesetzt, man kann Euch das Versäumnis nachweisen, dass Ihr wissentlich den AG nicht auf die unvollständige Anhörung hingewiesen habt).
Erstellt am 17.02.2012 um 17:30 Uhr von wahlvst
Bakunin
hats Du dafür, dass der BR den AG auf unvollständige Anhörung hinweisen muss auch eine Rechtsgrundlage/Urteil?
Klar ist, macht der BR bei der Beschlussfassung ggf. Fehler können diese nicht zu Lasten des AG gehen. Doch er muss den AG nicht auf unvollständige Information hinweisen. Das sind schon Unterschiede.
Von daher würde ich auch einfach die Frist verstreichen lassen sofern klar eine unvollstänige Info gegeben ist.
Muss der Betriebsrat den Arbeitgeber auf Fehler hinweisen?
Der Betriebsrat ist auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht verpflichtet, den Arbeitgeber auf Fehler beim Anhörungsverfahrens
aufmerksam zu machen. Auch das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) enthält nicht die Verpflichtung, kraft eigenen Amtes dem anderen
betriebsverfassungsrechtlichen Organ die Erfülung seiner gesetzlichen Aufgaben abzunehmen.20 Jede Seite ist für die eigene Sphäre verantwortlich.21 Auch auf eine Billigung fru¨herer Verfahrensweisen (»das haben wir immer schon so
gemacht«) kann sich der Arbeitgeber nicht berufen.22 Die Beteiligung des Betriebsrats dient in erster Linie dem Zweck, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, seineU¨ berlegungen zur Kündigungsabsicht des Arbeitgebers vorzubringen.23
20 So BAG v. 27.6.1985 – 2 AZR 412/84, AiB 1986, 117–118.
21 Sehr ausfu¨hrlich dazu BAG v. 24.6.2004 – 2 AZR 461/03, EzA-SD 2004,
Nr. 23, 9–11.
22 Vgl. BAG v. 29.10.1998 – 2 AZR 61/98, PersR 1999, 135–136.
23 So BAG v. 16.9.2004, a. a. O.
Quell: AiB 2005 Heft 7
http://blog.felser.de/wp-content/uploads/2007/12/aib0705felser_anhorung_betriebsrat.pdf
Erstellt am 17.02.2012 um 17:39 Uhr von Lernender
Ihr solltet den AG auf jeden Fall informieren, dass es keine mündliche Anhörung gegeben hat und euch nur die schriftlichen Unterlagen vorliegen. Kurz vor Fristende den AG auf die fehlenden Angaben zur Kündigung hinweisen. In der Zwischenzeit dem betroffenen Kollegen sagen das ihr seine Kündigung auf dem Tisch habt und ihn dazu befragen.
Zur Frist, der Tag des Zugangs zählt nicht mit.
Erstellt am 17.02.2012 um 18:00 Uhr von kunzundhinz
Lernender
..Kurz vor Fristende den AG auf die fehlenden Angaben zur Kündigung hinweisen
Quatsch, damit ist der Fehler vom Tisch, denn der AG reicht dann alles nach und es beginnt nur die Frist von vorne. Der AN hat dann die Chancen auf fehlerhafte Kündigung zu klagen nicht mehr!!!
Somit so wie wah.. und Stre... verfahren ist für den AN besser
Erstellt am 17.02.2012 um 18:03 Uhr von Sansibat
Danke für die Antworten. Würdet ihr jetzt von einer Frist von 3 Tagen oder von einer Woche ausgehen? Drei Tage sind schon verdammt knapp, denn vor Montag können wir weder eine Siztzung einberufen noch mit dem betroffenen Kollegen sprechen.
Erstellt am 17.02.2012 um 18:06 Uhr von gironimo
NEIN - das würde ich auf keinen Fall tun (und habe es auch nie getan).
Das Problem bei der Fristverstreichung ist, dass der AG bei der Kündigung sagen kann, der BR habe nicht wiedersprochen (Stichwort: Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum Ende des Verfahrens).
Sofern Ihr wegen desFalls nicht ohnehin die Frist verstreichen lassen wollt (das müsst Ihr wissen), würde ich die Sache wie eine fristgerechte K. behandeln und die entsprechenden Widerspruchsgründe nennen. Ich würde in einem Nebensatz einfließen lassen, dass der BR der Ansicht ist, die Anhörung sei unzureichend gewesen, weil insbesondere die genannte mündliche Information nicht erfolgt ist. Zu dem Fehlen der erforderlichen Angaben, ob fristlos oder fristgerecht gekündigt werden soll, würde ich nichts sagen.
Die Frist beginnt morgen zu laufen. Der Tag, an dem die K. eingeht zählt nicht mit.
Erstellt am 17.02.2012 um 18:42 Uhr von Lernender
@all
sagt mal ist keiner von euch der Meinung das dem AG mitgeteilt werden muss, dass es keine mündliche Unterrichtung gegeben hat.
Die Idee dem AG die offensichtliche fehlerhafte Anhörung nicht mitzuteilen und die Anhörungsfrist verstreichen zu lassen, halte ich für zu kurz gedacht. Spielt das ganze doch einmal zu Ende.
@sansibar
schau hier am besten am Montag noch mal rein, ich gehe davon aus das sich noch eine lebhafte Diskussion entwickelt.
Erstellt am 17.02.2012 um 19:31 Uhr von Betriebsrätin
Lernender
...Spielt das ganze doch einmal zu Ende.
Das Ende ist sehr klar, fehlerhafte und / oder unvollständige Info = fehlerhaft macht eine Kündigung bekanntlich nichtig.
Also, BR widerspricht mit Gründen (falls gegeben) des BetrVG und weisst NICHT auf die fehlerhafte Beteiligung hin. Denn der BR ist nicht dazu da dem AG eine fehlerfreie Kündigung zu ermöglichen.
Der AN erhebt Kündigungsschutzklage und das ArbG verwirft wegen der Fehler die Kündigung und der AN arbeitet ordentlich weiter. Sofern der BR einen gesetzmßigen Widerspruchsgrund genannt hat, klagt er (AN) auch auf Weiterbeschäftigung bis zum Ende der Klage.
Denn siehe die Aussagen von wahlvst 189817 sind von RA Felser und standen so in der Fachzeitschrift Aib
Erstellt am 19.02.2012 um 22:51 Uhr von Laffo
@all
ich empfinde es als recht kurz gedacht, hier es zu allererst auf eine Klage ankommen zu lassen! Sollte der BR den Delinquenten nicht selbst erst einmal anhören? Weiterhin,wäre es nicht sinnvoller den AG davon zu überzeugen, dass es mildere Mittel der Berufserziehung gibt? Eine K sollte letztes Mittel sein!
Ausführliche mündliche Erläuterungen könnten vielleicht dem Ansprechpartner zugegangen sein, sprich BRV..
Ihr versucht euch hier auf Kosten der AN zu profilieren. Schon mal jemand einen Arbeitsrichter gehabt der keine Lust hatte?
Erstellt am 20.02.2012 um 09:25 Uhr von rkoch
Laffo, auf welchem Dampfer bist Du denn hiet?
Seit wann kann ein BR die Kündigung verhindern? Natürlich ist alles was Du da sagst durchaus richtig, der BR kann und sollte mit allen reden, mit dem Ziel die Kündigung gar nicht erst stattfinden zu lassen. Aber alles reden nutzt nichts, wenn die Kündigung kommt, dann kommt sie unweigerlich - und dann ist die Klage die einzige Chance des AN!
Betriebsrätin hat also den einzig richtigen Weg aufgezeigt. Und ich wiederhole nochmal:
Für einen BR in dieser Situation ist es vollkommen klar, dass
- die Tips von Laffo durchgeführt werden
- der BR den AG auf gar keinen Fall auf irgendelche vom AG gemachten Formfehler hinweist, weder schriftlich noch mündlich noch überhaupt - denn Formfehler des AG erhöhen die Chance des AN von <30% auf 100% wirksam gegen die Kündigung vorzugehen. Wenn der BR dem AG also die Chance gibt seine Formfehler zu beheben schädigt der BR den AN - und DAS kann auf keinen Fall die Aufgabe eines BR sein! Theoretisch könnte der AN den BR auf Schadenersatz verklagen (wenn auch sinnlos, da derartige Fehler des BR nicht gegen Gesetz verstoßen).
- der BR (wenn er vom AG auf irgendeine Art auf die bevorstehende Kündigung hingewiesen wird) versucht einen Widerspruch zu formulieren bzw. zumindest Bedenken zu formulieren (natürlich beides OHNE die Formfehler hier zu erwähnen!) - beides SCHRIFTLICH und FRISTGERECHT, damit der BR wenigstens keine Formfehler macht.
Erstellt am 20.02.2012 um 10:20 Uhr von Lernender
@all
dieser Satz ist es der mich stört.
::::::: Es wird auf ausführliche mündliche Erläuterungen hingewiesen, von denen dem BR nichts bekannt ist. :::::::::
Das behauptet der AG im Anschreiben an den BR.
Mir ist klar das der AG in der Beweispflicht ist, aber ein BR der sich eine Woche Zeit lässt und wie hier in einigen Beiträgen empfohlen die Frist zum Wiederspruch verstreichen lässt, handelt in meinen Augen fahlässig.
Das ArbG kann sich auf den Standpunkt stellen das der Hinweis des AG auf die mündliche Anhörung richtig ist, da unwiedersprochen. Hinzu kommt der BR hat damit der Kündigung zugestimmt und damit ist der Anspruch auf Beschäftigung erst mal weg. Von was lebt der Kollege in der Zwischenzeit, reicht ihm das bis zu einem Urteil.
Anfreunden kann ich mich mit dem Wiederspruch des BR und dem nicht hinweisen auf die formellen Fehler des AG.
Aber auch hier muss in meinen Augen klar sein das es keine mündliche Unterrichtung gab.
die nächsten Sätze selbst auf die Gefahr hin, dass ich geteert und gefedert werde.
Vorweg wir als BR haben mit einer Ausnahme (üble Straftat) jeder Kündigung wiedersprochen.
Falls aber das Gremium in diesem Fall klar erkennt das die Kündigung mehr als verdient ist, würde ich nicht die Zusammenarbeit mit dem AG aufs Spiel setzen um diesem Kollegen eine Fristverlängerung bis zur fehlerfreien Kündigung zu verschaffen. Das würde ich mir aufheben für Kollegen für die es sich lohnt.
Erstellt am 20.02.2012 um 10:50 Uhr von Laffo
@rkoch
<<Seit wann kann ein BR die Kündigung verhindern? >> habe ich mit keiner Silbe geschrieben & auch nicht gedacht!!!!
Haben als Gremium schon diverse Kündigungen so vermieden!!!!!!!
Formfehler soll der AG selber finden!
Bei Kündigungsschutzklagen wurden bislang alle Mitarbeiter von uns unterstützt! Das wenigste was herausgeholt wurde waren Entlassungsentschädigungen!
Nachtrag: Was geschieht eigentlich, wenn der zukündigende AN sich in der Probezeit befindet?
Erstellt am 20.02.2012 um 18:51 Uhr von Lernender
@sansibar
es wäre schön wenn du uns auf dem laufenden hälst.
Erstellt am 20.02.2012 um 22:31 Uhr von Sansibar
Heute war einer der Tage, die man am liebsten aus dem Kalender streichen würde. Der betroffene Kollege ist seit fast 20 Jahren im Betrieb. Er gehört zu den Menschen, die geistig nicht alles so schnell erfassen wie andere. Er ist der Geschäftsleitung seit langem ein Dorn im Auge und nun hat er leider einen Grund zur fristlosen Kündigung geliefert.
Der Arbeitszeitbetrug ist Fakt. Er wurde von seinen Vorgesetzten mehrfach eindringlich darum gebeten, sich abzumelden wenn er den Arbeitsplatz aus welchen Gründen auch immer früher verlässt. Er wurde darauf hingewiesen, dass er auf der Abschussliste steht. Trotzdem mussten wir heute bei einem Gespräch feststellen, dass er einfach nicht versteht, was er getan hat.
Die Geschäftsleitung hat heute nachgereicht, dass es sich um eine ausserordentlich Kündigung handelt. Wir befürchten, dass er trotz guter Chancen wegen fehlerhafter Anhörung keine Kündigungsschutzklage einreichen wird. Heute ist Rosenmontag und wir haben weder unseren Anwalt, noch jemand bei der Gewerkschaft oder der Arbeitskammer erreicht. Das war eiskalt so berechnet.
Eine Familie wird in den sozialen Abstieg getrieben. Wir fürchten sogar, der Kollege könnte sich etwas antun. Deshalb haben wir ihm auch noch nichts von der Anhörung gesagt. Wir hatten heute eine außerordentliche Sitzung und haben der Geschäftsleitung all unsere Bedenken mitgeteilt. Wir gehen nicht davon aus, dass wir damit die Kündigung verhindern können. Manchmal hasse ich die Betriebsratsarbeit.
Erstellt am 21.02.2012 um 08:49 Uhr von Bakunin
@wahlvst #189817
Da ich mir nicht sicher bin, habe ich in meiner obigen Antwort extra den Konjunktiv benutzt. Umso besser, wenn es möglich ist, die fehlerhafte Anhörung als Mittel im Kündigungsschutzprozeß zu nutzen. Meine Aussage mit dem "Bumerang" habe ich auf die Infos gestützt, welche ich vor vier Wochen auf einem AR-Seminar erhalten habe. Ich werde den Seminarleiter in den nächsten Tagen mal mit den hier zitierten Aussagen des RA Felser konfrontieren.
Erstellt am 21.02.2012 um 11:21 Uhr von Laffo
@sansibar
der Kollege wurde mehrmalig aufgefordert sein Verhalten zu ändern, tat dies allerdings nicht & erhielt mehrfach Er- & Abmahnungen mit dem Hinweis: letzmalig(?)Seit wann duldet euer AG dies Verhalten?
es geht im Link zwar um Verschlafen, aber vielleicht ist es ja übertragbar..
http://www.forium.de/redaktion/verschlafen-ist-kein-grundsaetzlicher-kuendigungsgrund/
Nachtrag:
Was bewegt den Kollegen denn den Arbeitsplatz "früher" zu verlassen? Erleidet der AG daraus einen Nachteil?Ist eine nachfolgende Ablöse schon Vorort?
Erstellt am 21.02.2012 um 11:46 Uhr von Lernender
@bakunin
deine Aussage das der AG nicht verantwortlich für die Fehler des BR bei der Anhörung ist, trifft zu.
@Sansibar
Leider erleben wohl alle Betriebsräte Entscheidungen des AG die einen menschlich tief berühren.
Schlimm ist es wenn man dem ganzen ohne Mittel gegenübersteht. Ich hoffe euer AG hat die Fehler bei der Anhörung nicht behoben, oder hat er euch am Montag erneut angehört?
Vielleicht solltet ihr den Kollegen bei der Hand nehmen und gemeinsam mit ihm einen Termin beim Rechtsanwalt ausmachen (braucht ja niemand zu wissen). Die Frage nach vorherigen Abmahnungen stellt sich natürlich. Hat man euch die Abmahnungen vorgelegt? Auf jeden Fall ist diese Kündigung nicht nur wegen Formfehlern zu beanstanden und ich bin verwundert das euer AG nicht ersatzweise eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hat.
Ihr solltet aber auf jeden Fall eurem Kollegen reinen Wein einschenken, ich kann mir vorstellen das euer AG nicht so einfühlsam vorgeht wie ihr.