Hintergrund: Der AN arbeitet in einer Firma mit Zeiterfassung (Kommen/Gehen wird an einer Stechuhr registriert). Die Kernarbeitszeit ist bislang per Betriebsvereinbarung geregelt (9 bis 15 Uhr). Die BV soll demnächst durch eine BV ohne Kernarbeitszeit abgelöst werden (dann flexibles Arbeiten zwischen 6 und 20 Uhr). Ca. die Hälfte der Mitarbeiter der Firma kommt nach Beginn der Kernarbeitszeit (also nach 9.00 Uhr).

Der AN kommt seit Jahren ca. 1-3x im Monat nach 9.00 Uhr. An manchen Tagen kommt er nur wenige Minuten später, an einigen Tagen kommt er auch mal 1-4 Stunden später und hat dies bei diesen großen Verspätungen fast immer entweder vorher oder am gleichen Tag angekündigt.

An einem Tag kommt er ca. 2 Stunden später, da er einen pflegebedürftigen Verwandten morgens zu versorgen hatte (die Situation ist dem Vorgesetzen bekannt). Da es Gründe gab, die den AN an der Benachrichtigung seines Vorgesetzten hinderten (Stau, Akku alle), benachrichtigte er seinen Vorgesetzten nicht. Als der AN sein Büro erreichte, war der Vorgesetzte gerade beschäftigt. Daher beschäftigte sich der AN erst mal mit seinen Mails und vergaß darüber für ca. 50 Minuten den Vorgesetzen. Der Vorgesetze schrieb dem AN daraufhin eine Mail, in der er die Nennung eines Grundes für das Zuspätkommen und eine Entschuldigung einforderte. Der AN konnte die Situation erklären und der Vorgesetzte schrieb per Mail, dass die Angelegenheit erledigt sei (sinngemäß).

Dennoch erhält der AN binnen 8 Tagen eine Abmahnung mit Erinnerung an die Kernarbeitszeit.

Im Gespräch stellt sich später indirekt heraus, dass es sich bei dieser Abmahnung nur um einen "Warnschuss" handelt. Der Vorgesetzte wollte den AN dafür "anzählen", dass er in den vergangenen 3 Monaten nicht so engagiert wie sonst gearbeitet hatte. Das wird aber nicht offen gesagt.

Jetzt meine Fragen: Kann in dem vorliegenen Fall, wo der AN ja wiederholt und regelmäßig einen Regelverstoß zeigt, den große Teile der Belegschaft begehen, und der bislang nie Anlass zur Klage war, der Regelverstoß dafür verwendet werden, dem AN eine Abmahnung auszusprechen?
Auch wenn man bedenkt, dass die Geschäftsleitung in absehbarer Zeit die Kernzeit eh aus der BV streicht?
Kommt die Abmahnung spätestens mit Inkrafttreten der neuen BV aus der Personalakte? Kann eine Gegendarstellung dazu führen, dass zwar klarer gesehen wird, dass dieser Regelverstoß jahrelang nicht beanstandet wurde, aber dass dann auch klar ist, dass die Abmahnung eigentlich einem anderen Zwecke dient? (Und darauf will man ja nicht unbedingt jeden aufmerksam machen: "Ach, was steht hinter dieser Abmahnung??")

Mit besten Grüßen
BRinBlin