Erstellt am 08.12.2008 um 07:52 Uhr von Klinik
@ssofia71,
ich denke hier liegen zwei paar Schuhe vor:
1. AG filmt und verstösst gegen BV - damit dürfte das Material nicht verwertbar sein
2. AN verstösst gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten und überzieht die Pausenzeiten- da könnte der AG etwas gegen machen. Die Frage wäre nur welche Beweise er hinzuziehen will-- die Kameras?
Ich würde an eurer Stelle, den AG schriftlich informieren bzw. einen Gesprächstermin verlangen zur Thematik. Nebenbei würde ich mit der Gewerkschaft (Rechtsabteilung) über den Sachverhalt reden und mich beraten lassen. Wenn der AG nicht gesprächsbereit ist, würde ich Beschluss fassen lassen zur Kostenübernahme eines Rechstanwältes nach § 40 BetrVG und dann los. Ihr solltet dem AG den Vorschlag machen, dass er die Änderungsverträge zurück nimmt und die alten Arbeitsverträge wieder aufleben lässt und schlagt ihm dafür nach Rücksprache mit den betroffenen AN , Abmahnungen bzw. Ermahnungen vor. Oder ihr lasst den Anwalt machen, dann aber mit dem Risiko dass der AG recht bekommt, weil auf hoher SEE und vor Gericht........
Erstellt am 08.12.2008 um 08:06 Uhr von Konrad
Eurem Arbeitgeber scheint es bewusst zu sein, dass es mit geradliniger Kündigung wohl nicht
geht, sonnst würde er nicht einen Aufhebungsvertrag und neuen Vertrag anbieten.
Heimlich Mitarbeiter mit einer techn, Überwachungseinrichtung in Pausenräumen oder bei der Arbeit zu beobachten, ist nach Grundgesetz und Datenschutzgesetz verboten, man könnte durchaus Anzeige erstatten!
Die unzulässige Überziehung der Pause muss juristisch belegbar sein, (Zeugen, Zeiterfassung)
um eine Kündigung darauf stützen zu können, die Kamera wird sicher nicht ausreichen.
Erstellt am 08.12.2008 um 08:29 Uhr von Galaxy
@ssofia71
ergänzend zu Klinik und Konrad noch die Frage, seit wann seid ihr als BR über diesen Sachverhalt unterrichtet? Mich wundert es etwas, daß bis auf den einen, alle die Aufhebungsverträge bereits unterschrieben haben und ihr nicht zu Rate gezogen worden seid, oder interpretiere ich deine Aussagen falsch? Denn ihr als BR hättet Ihnen doch bestimmt nicht geraten, zu unterschreiben........
Erstellt am 08.12.2008 um 09:24 Uhr von ganther
@klinik
was das von dir angenommene Verwertungsverbot angeht: das sieht das BAG durchaus anders
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&sid=e14c345b762fdd2606a6346ac3704840&nr=12832&pos=0&anz=2
Erstellt am 08.12.2008 um 10:17 Uhr von Konrad
@ganther
Bei dem angeführten BAG Urteil geht es um "harte Fakten" nämlich um Warenddiebstahl eines Lippenstiftes der tatsächlich aufgefunden wurde. Die Kamera war nur die Ergänzung.
Hier geht es um "weiche Fakten" die sich auf die Kameraaufzeichnung und "gestohlene Arbeitszeit" die rechtlich zu belegen wäre.
Erstellt am 08.12.2008 um 10:31 Uhr von ganther
@konrad
diese Unterscheidung kann ich dem BAG Urteil nicht entnehmen. Außerdem sind das hier auch sehr harte Fakten für ein strafbare Verhalten der AN. Der AG kann es sich auch ganz einfach machen. Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Für diese gibt es in solchen Fällen kein Verwertungsverbot. Danach Verdachtskündigung des AGs auf Grund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft oder nach Strafurteil als Tatkündigung.
Erstellt am 08.12.2008 um 11:05 Uhr von RAKO
Mal noch 'ne Antwort aus einem anderen Blickwinkel, sprich was mir an Eurem Fall so auffällt:
1. was wollt Ihr denn mit §99? Welche personelle Maßnahme liegt denn vor, die Ihr dann ablehnen wollt?
2. Aufhebungsverträge und Neuverträge ????? Was soll das denn? Das würde bedeuten: Neueinstellung, mit der Konsequenz §99 - aber wenn Ihr diese Neueinstellungen ablehnt, dann wären die Kollegen infolge Aufhebungsvertrag arbeitslos! Das wäre ja ein gaaanz linkes Ding.
Wenn, dann würde normalerweise eine einvernehmliche Vertragsänderung gemacht werden! Unter Umständen könnte Die allerdings als Versetzung durchgehen (wesentliche Änderung der Umstände... !!Entlohnung!!) wieder mit der Folge §99. Dem wollte Euer AG wohl aus dem Weg gehen.
3. Prämienzahlungen ??? Die unterliegen normalerweise der Mitbestimmung nach §87 (1) Nr. 11! und können vertraglich u.U. gar nicht abbedungen werden. Gilt für Euch ein Tarifvertrag?
4. Verstoß gegen BV: Die Kameras wurden unter der Voraussetzung angebracht, dass sie nicht zur Überwachung der Mitarbeiter verwendet werden!Euer AG hält sich nicht an die Regeln? Lasst die Dinger abbauen! §87 (1) Nr. 6 i.v.M. §23 (3)
5. Verstoß gegen Bundesdatenschutzgesetz: unbefugte (weil durch BV nicht erlaubte - !!Zweckbindung!!) Verarbeitung von Daten (§43 (2) BDSG) - Geldbuße bis 25000 EUR, evtl. sogar mit dem Zweck einen anderen zu schädigen - 2 Jahre Freiheitsstrafe, dazu Schadenersatzforderungen der Betroffenen. (He - ich weiss dass das eher unrealistisch ist - aber erwähnt werden sollte es doch!) NB: §28 (1) 1. zieht hier NICHT! Überwachung durch Kameras um Arbeitszeitverstöße aufzudecken ist ein unverhälnismäßiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, insbesondere wenn die Kollegen aufgrund der BV nicht wussten, dass sie in dieser Form überwacht wurden! Die BV greift nur bei Spionage und Diebstählen, eine Auswertung der Aufzeichungen ist also nur bei konkretem Anlass zulässig. (Hat im Grunde Konrad schon erwähnt)
6. Verdachtskündigung - leider kann der Arbeitgeber auch auf Verdacht kündigen! Leider gehen derartige Kündigungen im deutschen Rechtssystem immer noch durch. Belege dazu braucht er in der Regel nicht, der Verdacht reicht. Allerdings ist Arbeitszeitbetrug wohl nicht ausreichend für eine Verdachtskündigung - die zieht eigentlich nur bei Straftaten.
7. Aufgaben des Arbeitgebers: Pausenüberziehung von BIS ZU ZWEI STUNDEN? Hä? Gehts noch? Und so was fällt überhaupt nicht auf? Auch ohne Kameras? Wo sind die Vorgesetzten, die das nicht bemerkt haben? Gibt es bei Euch keine Aufsichtspflicht für die? Was für personelle Konsequenzen haben die zu erwarten? Oder sind das diejenigen, die die Pausen überzogen haben? NB: Wie äußert sich diese Pausenüberziehung eigentlich? Kurzpausen z.B. um was zu trinken oder zu rauchen (soweit nicht durch BV nach §87 (1) Nr. 1 eingeschränkt) sind kein Kündigungsgrund - zumindest kein Fristloser.
8. Der eine der vor Gericht zieht... Wegen was zieht er denn vor Gericht? Wohl kaum wegen der fristlosen Kündigung, denn er soll ja "Weil er aber vor Gericht geht soll er jetzt außerordentlich gekündigt werden" Kündigung wegen Gerichtsverfahren gegen Kündigung geht nicht. Man kann nicht zweimal gekündigt werden. Und sofern er wegen Vertragsstreitigkeiten vor Gericht zieht ist die Kündigung haltlos, da er rechtmäßig seine Rechte geltend machen will.
9. Fortsetzung des Arbeitsverhältnis bei geringerem Lohn? Das riecht nach Betriebsbuße - und die ist unzulässig! Die neu geschlossenen Verträge sowie die Aufhebungsverträge dürften rechtsunwirksam sein. Der AG darf zwar rechtmäßig kündigen... aber einfach das Arbeitsverhältnis unter Lohnabzug fortsetzen geht nicht. Leider müssen das die Kollegen selbst einklagen.