§ 37 BetrVG - III. Arbeitsbefreiung (Abs. 2)
10 Die Mitglieder des BR sind weiterhin AN des Betriebs und deshalb verpflichtet, ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen. Durch die Übernahme des BR-Amtes haben sie jedoch weitere, nicht unerhebliche Amtspflichten und Aufgaben wahrzunehmen. Dies führt für das einzelne BR-Mitglied in der betrieblichen Praxis vielfach zu einer Kollision der Amts- und Arbeitsvertragspflichten. Durch die in Abs. 2 und § 38 Abs. 1 vorgesehene Arbeitsbefreiung wird deutlich, dass der Gesetzgeber der Erfüllung der Amtspflichten gegenüber den arbeitsvertraglichen Pflichten eindeutig den Vorrang einräumt (vgl. Bopp, S. 10; FKHES, Rn. 16; GL, Rn. 16; HaKo-BetrVG/Blanke, Rn. 2; SWS, Rn. 9; Peter, AiB 02, 203; offenbar auch v. Hoyningen-Huene, S. 168). Dabei geht das Gesetz davon aus, dass BR-Mitglieder ihre Amtstätigkeit grundsätzlich während der Arbeitszeit auszuüben haben (FKHES, Rn. 35; GK-Wiese/Weber, Rn. 17; HSG, Rn. 16; BAG 31. 10. 85, AP Nr. 52 zu § 37 BetrVG 1972). Voraussetzung ist, dass das Arbeitsversäumnis erforderlich ist (HSG, Rn. 16).
Fällt aus Anlass einer BR-Sitzung z. B. für im Fahrdienst beschäftigte BR-Mitglieder notwendigerweise eine ganze Schicht aus, ist diese vollständig zu vergüten (LAG Düsseldorf 23. 8. 77, EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 56; vgl. auch Rn. 62 f.; a. A. für das BPersVG BVerwG 30. 1. 86, AuR 86, 349, Ls.). Nimmt ein in Nachtschicht arbeitendes BR-Mitglied an einer ganztägigen BR-Sitzung teil, ist es jedenfalls dann von der Arbeitsleistung in der vorausgehenden und nachfolgenden Nachtschicht befreit, wenn es ihm unmöglich oder unzumutbar ist, seine vor oder nach der BR-Sitzung liegende Arbeitszeit einzuhalten (BAG 7. 6. 89, AP Nr. 72 zu § 37 BetrVG 1972, Däubler, Arbeitsrecht 1, Rn. 867; FKHES, Rn. 43; GK-Wiese/Weber, Rn. 43; Manstetten, AiB 96, 214 f.; vgl. ferner ArbG Hamburg 15. 4. 82, AiB 89, 254; ArbG Lübeck 7. 12. 99, DB 00, 2074, wonach ein in Nachtschicht beschäftigtes BR-Mitglied vor BR- und/oder Ausschusssitzungen von der Nachtschicht unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu befreien ist; vgl. ferner HSG, Rn. 35). Es kann seine Tätigkeit früher beenden, wenn kurzfristig eine BR-Sitzung angesetzt wurde, um einigermaßen ausgeschlafen an dieser Sitzung teilnehmen zu können (ArbG Koblenz 3. 5. 88, AiB 89, 79). Die Beachtung gesetzlicher Regelungen zur Höchstarbeitszeit und zu den einzuhaltenden Ruhezeiten (vgl. §§ 3 und 5 ArbZG ) kann die Arbeitszeit ebenfalls begrenzen (vgl. hierzu Manstetten, AiB 96, 214). Der für die Teilnahme an einer BR-Sitzung in der Freizeit zu gewährende Freizeitausgleich soll mit der ausgefallenen Arbeitszeit in der unmittelbar angrenzenden Schicht verrechnet werden können (ArbG Lübeck 7. 12. 99, DB 00, 2074; ebenso Bengelsdorf, AuA 01, 71). Der zwingenden Anwendbarkeit des ArbZG steht nicht entgegen, dass die BR-Mitglieder ihr Amt als Ehrenamt führen. Die sich aus ihrer Tätigkeit im Betrieb ableitende ehrenamtliche Tätigkeit kann nicht zur Folge haben, dass sie aus dem Bereich des gesetzlichen Arbeitszeitschutzes ausgeschlossen werden, der gem. § 2 Abs. 2 für alle AN besteht. Der Ausschluss der Anwendbarkeit der Regeln des gesetzlichen Arbeitszeitschutzes, der im Ergebnis zu gesundheitlichen und persönlichen Risiken für die betroffenen BR-Mitglieder führen würde, ist schon mit Blick auf das Benachteiligungsverbot des § 78 S. 2 unzulässig (Manstetten, a. a. O., S. 215, verweist zutreffend auf die Pflicht zur aktiven, d. h. geistig wachen Teilnahme an der BR-Sitzung). Kommt eine Gleitzeitregelung zur Anwendung, ist die wegen BR-Tätigkeit ausgefallene Arbeitszeit nicht nur auf die Kernzeit, sondern auf die Normalarbeitszeit insgesamt anzurechnen (zutreffend HSG, Rn. 40a; ebenso nunmehr auch FKHES, Rn. 60). Nimmt ein BR-Mitglied während seiner schichtfreien Zeit an einer BR-Sitzung oder Betriebsversammlung teil, kann es eine Ersatzfreischicht verlangen (ArbG Koblenz 5. 7. 83, BetrR 84, 316; zur BR-Tätigkeit bei Wechselschicht vgl. im Übrigen Rn. 62 f., zur Zahlung des Arbeitsentgelts vgl. Rn. 47 ff., 65