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Schwerbehinderung – Rechte am Arbeitsplatz

Autor:
Frank Birkefeld
12 Minuten Lesezeit

Für (schwer-)behinderte (GdB 50 und mehr) und gleichgestellte Menschen (GdB 30 oder 40 und Gleichstellungsbescheid) finden sich im (Arbeits-) Recht eine Reihe von Sonderregelungen, um behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen und eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten.

So enthalten insbesondere das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (SGB IX) und das „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)” besondere Schutzrechte für (schwer-)behinderte Menschen.

Erfahren Sie in diesem Artikel alles zu diesen besonderen Schutzrechten.

Rollstuhlfahrer nutzt seine Rechte am Arbeitsplatz

Schutz im Rahmen der Bewerbung

Bereits im Rahmen ihrer Bewerbung dürfen (schwer-)behinderte und ihnen gleichgestellte Menschen nach dem AGG nicht diskriminiert werden.

So dürfen Bewerber wegen ihrer Einschränkungen nicht grundsätzlich von der Stelle ausgeschlossen und auch nicht nach ihrer Behinderung gefragt werden – jedenfalls, soweit die Behinderung keinen Bezug zum in Aussicht genommenen Arbeitsplatz hat. Die Ausschreibung der Stelle muss ebenfalls diskriminierungsfrei erfolgen.

Eine Diskriminierung kann vermutet werden, wenn die Schwerbehindertenvertretung/Vertrauensperson nicht (ordnungsgemäß) am Einstellungsverfahren beteiligt wurde, also bsw.

  • nicht über die Bewerbung behinderter Menschen informiert wurde,
  • nicht über Vermittlungsvorschläge der Bundesagentur für Arbeit für die zu besetzende Stelle informiert wurde,
  • durch den Arbeitgeber nicht in die geplante Ablehnung der Bewerbung eines behinderten Menschen einbezogen wurde.

Schutz im Arbeitsverhältnis

Auch im Arbeitsverhältnis bestehen berufliche Förderungspflicht und Diskriminierungsverbote, die für (schwer-)behinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer gerichtlich durchsetzbar sind.

So haben behinderte Menschen gem. § 164 Abs. 4 SGB IX Ansprüche auf

  • eine Beschäftigung, in der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können (Nr. 1),
  • bevorzugte Berücksichtigung bei betrieblichen Bildungsmaßnahmen (Nr. 2),
  • die Erleichterung außerbetrieblicher Bildung (Nr. 3),
  • behinderungsgerechte Einrichtung von Arbeitsräumen, Maschinen und Gerätschaften unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr (Nr. 4) sowie
  • Ausstattung der Arbeitsplätze mit den erforderlichen technischen Mitteln (Nr. 5).

Zudem ist die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen zu fördern (§ 164 Abs. 5 SGB IX).

Diese Ansprüche des Arbeitnehmers können häufig mit unterstützenden Leistungen der Rehabilitationsträger (Renten- und Krankenversicherung, Bundesagentur für Arbeit, Unfallversicherung/Berufsgenossenschaft) und des Integrationsamts an den Arbeitnehmer oder den Arbeitgeber unterstützt werden

Bei der Bemessung der Arbeitsvergütung der (schwer-)behinderten Arbeitnehmer aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis werden Renten und Leistungen, die wegen der Behinderung bezahlt werden, nicht berücksichtigt (§ 206 SGB IX).

(Schwer-)behinderte (jedoch nicht gleichgestellte) Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf einen Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr. Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers auf weniger oder mehr als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend (§ 208 SGB IX).

Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte

(Schwer-)behinderte und gleichgestellte Menschen haben einen besonderen Kündigungsschutz.

Nach § 168 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines (schwer-)behinderten Menschen durch den Arbeitgeber nach wie vor der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts.

Dies gilt sowohl für die ordentliche (fristgerechte) als auch für die außerordentliche, fristlose Kündigung.

Eine vom Arbeitgeber ohne diese Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Das Integrationsamt soll bei einer ordentlichen Kündigung innerhalb von einem Monat nach Eingang des Antrags entscheiden. Entscheidet es nicht innerhalb dieser Frist, gilt die Zustimmung (noch) nicht als erteilt.

(Ausnahme: Zustimmung gilt als erteilt im Zusammenhang mit der Stilllegung von Betrieben oder Dienststellen
(§ 172 Abs. 1 S. 1 SGB IX) oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 172 Abs. 3 SGB IX)).

Achtung: Bei der außerordentlichen Kündigung gilt die Zustimmung nach Ablauf von zwei Wochen nach Antragstellung stets als erteilt.

Voraussetzung für den Kündigungsschutz ist der Nachweis der Schwerbehinderung oder Gleichstellung zum Zeitpunkt der Kündigung. Zu diesem Zeitpunkt muss die Schwerbehinderung/Gleichstellung also feststehen oder offenkundig sein.

Ist die Schwerbehinderung/Gleichstellung zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht festgestellt, kann sich der Arbeitnehmer dennoch auf den Sonderkündigungsschutz berufen, wenn er den Antrag mindestens drei Wochen vorher gestellt hat.

Und noch eine Frist müssen Arbeitnehmer beachten: Wurde eine Schwerbehinderung/Gleichstellung festgestellt, der Arbeitnehmer hat diese dem Arbeitgeber jedoch noch nicht mitgeteilt – wozu er auch nicht verpflichtet ist – muss der Arbeitnehmer dies jedoch innerhalb von ebenfalls drei Wochen nach Erhalt der Kündigung nachholen, um seinen Sonderkündigungsschutz nicht zu verlieren.

Schwerbehindertenausweis

Ist es sinnvoll, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen?

Schwer erkrankte oder (schwer-)behinderte Menschen können beim zuständigen Versorgungsamt einen Antrag nach dem Sozialgesetzbuch IX (§ 152 SGB IX) stellen. Sie erhalten dann einen Grad der Behinderung (GdB) zuerkannt und gelten ab einem GdB von mindestens 50 als schwerbehindert im Sinne des SGB IX.

Wichtig: Der Schwerbehindertenausweis sagt nichts über die berufliche Leistungsfähigkeit oder gar den Wert eines Menschen aus, sondern bezieht sich auf die Auswirkungen einer Behinderung in allen Lebensbereichen.

(Schwer-)behinderten Menschen deren Behinderung anerkannt ist, stehen bestimmte Nachteilsausgleiche zu. Durch diese Nachteilsausgleiche soll etwas von den Nachteilen wett gemacht werden, die sSie in Beruf und Gesellschaft möglicherweise in Kauf nehmen müssen.

Nachteilsausgleich mit Schwerbehindertenausweis

  • Besonderer Kündigungsschutz (besteht darin, dass das Integrationsamt (IA) einer Kündigung zustimmen muss. Das Integrationsamt kann bei allen Problemen mit dem Arbeitsplatz eingeschaltet werden),
  • Zusatzurlaub von 5 Arbeitstagen
  • Herabsetzung der Altersgrenze für das flexible Altersruhegeld der gesetzlichen Rentenversicherung auf das vollendete 65. Lebensjahr* (ein vorzeitiger Bezug ab dem 62. Lebensjahr ist mit Abzügen möglich); weitere Voraussetzung sind 35 Jahre Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung,
  • Steuerfreibetrag (die Höhe ist abhängig vom GdB),
  • Förderung der Beschäftigung durch besondere Pflichten der Arbeitgeber (Ausgleichsabgabe, Gleichbehandlungsgrundsatz),
  • Begleitende Hilfen im Arbeitsleben (finanzielle Hilfen an Arbeitgeber, Wiedereingliederungshilfe, Hilfsmittelfinanzierung etc., z.B. durch Agentur für Arbeit, Rentenversicherungsträger, Integrationsamt).

* Vertrauensschutz genießt, wer bis zum 16.11.1950 geboren wurde und am 16.11.2000 (schwer-)behindert, berufs- oder erwerbsunfähig war.

Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis

Bestehen weitergehende gesundheitliche Beeinträchtigungen, so werden vom Versorgungsamt sog. Merkzeichen (z.B. "G" für eine Gehbehinderung) in den Schwerbehindertenausweis aufgenommen. Abhängig von der Behinderung, können dann weitere Nachteilsausgleiche in Anspruch genommen werden (beim "G" z.B. die sog. Freifahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln). Weitere Merkzeichen sind z.B.: "aG": Außergewöhnlich gehbehindert, "RF": Rundfunk- und Fernsehgebührenbefreiung, "H": Hilflos, "Bl": Blind.

Nach dem Heilungsbewährungszeitraum erfolgt die Zurückstufung des GdBs. Treten neue Behinderungen auf oder verschlechtern sich bestehende Gesundheitsstörungen, so kann jederzeit ein Neufeststellungsantrag gestellt werden. Dann kann sich der Grad der Behinderung erhöhen, die Gültigkeit wird verlängert, und/oder Merkzeichen werden in den Schwerbehindertenausweis eingetragen.

Möglicherweise wird auch ihr Arbeitgeber entlastet. Falls dieser die Quote zur Beschäftigung (schwer-)behinderter Menschen nicht erfüllt, kann dieser bis zu 260 € monatlich an Ausgleichsabgabe einsparen.

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Überstunden bei Schwerbehinderung

(Schwer-)behinderte Menschen und ihnen Gleichgestellte (von der Agentur für Arbeit) werden auf Ihr Verlangen von Mehrarbeit freizgestellt (§ 207 SGB IX).

Was ist Mehrarbeit?

Mehrarbeit ist diejenige Arbeit, die über die normale gesetzliche Arbeitszeit hinausgeht. Gesetzlich festgelegt ist eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden (§ 3 Arbeitszeitgesetz).

Neben Arbeitern und Angestellten können auch Beamte Freistellung von Mehrarbeit verlangen. (§ 72 BBG oder dementsprechende länderrechtliche Regelungen).

Auch Teilzeitbeschäftigte sind grundsätzlich vor Mehrarbeit geschützt. Teilzeitbeschäftigt ist ein Arbeitnehmer, dessen regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kürzer ist als die vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Betriebsangehöriger.

Wann liegt Mehrarbeit vor?

Wann Mehrarbeit bei einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer vorliegt, ist durch einen Vergleich mit der Arbeitszeit entsprechender vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer im Betrieb zu ermitteln; Mehrarbeit liegt nicht bereits in der Überschreitung der vereinbarten persönlichen Teilarbeitszeit. Der Arbeitgeber kann Mehrarbeit anordnen, soweit dies arbeitsvertraglich, durch Betriebsvereinbarung oder aufgrund des Tarifvertrages zulässig ist.

Diese Anordnung bedarf der Zustimmung des Betriebsrats (gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Die SBV ist unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor Entscheidung anzuhören (gem. § 178 SGB IX).

Ordnet in diesem Rahmen der Arbeitgeber Mehrarbeit an, hat der (schwer-)behinderte Arbeitnehmer sie grundsätzlich zu leisten, sofern er nicht eine Befreiung von der Mehrarbeit verlangt.

Der (schwer-)behinderte Mensch muss sein Verlangen nach Freistellung von Mehrarbeit nicht begründen, aber ausdrücklich und möglichst frühzeitig erklären. Das Verlangen ist so rechtzeitig zu stellen, dass sich der Arbeitgeber darauf einstellen kann. Jedenfalls darf er der Arbeit nicht ohne Freistellungsverlangen einfach fernbleiben oder den Arbeitsplatz nach Ende der regelmäßigen arbeitstäglichen Arbeitszeit verlassen.

Allerdings muss auch der Arbeitgeber vorher die Schwerbehindertenvertretung rechtzeitig informieren, damit sich auch der (schwer-)behinderte Mensch auf die Mehrarbeit einstellen kann.

Streitigkeiten zwischen (schwer-)behinderten Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber über die Zulässigkeit der Anordnung oder Ablehnung von Mehrarbeit sind vor dem Arbeitsgericht auszutragen; bei Beamten ist das Verwaltungsgericht anzurufen.

Besteht der Streit zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat bzw. dem Personalrat, so ist er im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht oder dem Verwaltungsgericht auszutragen.

Das Gleiche gilt beim Rechtsstreit zwischen dem Arbeitgeber und der Schwerbehindertenvertretung.

Auch Teilzeitbeschäftigte sind grundsätzlich vor Mehrarbeit geschützt. Teilzeitbeschäftigt ist ein Arbeitnehmer, dessen regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kürzer ist als die vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Betriebsangehöriger.

Zusatzurlaub für Schwerbehinderte

Anspruchsgrundlage zum Zusatzurlaub

§ 208 Abs. 1 SGB IX: Menschen mit einer für das ganze Kalenderjahr anerkannten Schwerbehinderung erhalten einen Zusatzurlaub von 5 Tagen. Die Urlaubstage kommen zum Grundurlaub dazu, der den (schwer-)behinderten Beschäftigten laut Arbeits- oder Tarifvertrag bzw. nach gesetzlichen Bestimmungen ohnehin zusteht.

Anteiliger Urlaubsanspruch

Besonderheiten gelten gemäß § 208 Abs. 2 SGB IX dann, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres besteht (z.B. Anerkennung als (schwer-)behinderter Mensch ab dem 15.07.).
In diesen Fällen hat der (schwer-)behinderte Mensch (nur) für jeden vollen Monat der im Beschäftigungsverhältnis vorliegenden Schwerbehinderteneigenschaft einen Anspruch auf ein Zwölftel des regelhaften Zusatzurlaubs (im obigen Beispiel also für 5 Monate).
Entstehen bei dieser Berechnung Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, so werden sie auf volle Urlaubstage aufgerundet.
Der so ermittelte Zusatzurlaub ist ebenfalls dem allgemeinen Erholungsurlaub hinzuzurechnen.

Der Anspruch nach § 208 SGB IX ist ein Mindestzusatzurlaub. Sehen gesetzliche, tarifliche oder betriebliche Regelungen (Betriebsvereinbarung) einen längeren Zusatzurlaub vor, so gelten diese Sonderregelungen zugunsten der (schwer-)behinderten Beschäftigten (§ 208 Abs. 1 Satz 2 SGB IX).

Bei einer Gleichstellung besteht demgegenüber kein Anspruch auf Zusatzurlaub (§ 151 Abs. 3 SGB IX).

Bemessung des Zusatzurlaubs

Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des vollzeitbeschäftigten (schwer-)behinderten Arbeitnehmers auf mehr oder weniger als 5 Arbeitstage in der Woche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend. Arbeitet er z.B. an 4 Tagen in der Woche, stehen ihm auch nur 4 Tage Zusatzurlaub zu. Verteilt sich die Wochenarbeitszeit auf z.B. 6 Tage, beträgt der Zusatzurlaub ebenfalls 6 Tage. Auch bei Teilzeitarbeit von (schwer-)behinderten Arbeitnehmern ist die Verteilung ihrer Arbeitszeit auf die Wochentage maßgeblich (z.B. 3 Arbeitstage pro Arbeitswoche = 3 Tage Zusatzurlaub). Die Urlaubsdauer ist aber stets auf eine Arbeitswoche begrenzt.

Geltung der allgemeinen Urlaubsgrundsätze

Ansonsten gelten die allgemeinen Urlaubsgrundsätze, d.h. der Zusatzurlaub folgt dem Grundurlaub hinsichtlich seines Entstehens (z.B. Wartezeit/Teilurlaub bei nicht voll erfülltem Urlaubsjahr; Urlaubsjahr = Kalenderjahr), der Gewährung (z.B. bei Lehrern in der unterrichtsfreien Zeit), seines Erlöschens und des Abgeltungsanspruchs nach Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis.

Die wichtigsten allgemeinen Urlaubsgrundsätze

Der Arbeitnehmer erhält den Anspruch auf den vollen gesetzlich vorgeschriebenen Erholungsurlaub erstmalig nach 6-monatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses (§ 4 Bundesurlaubsgesetz = 6-monatige Wartezeit).
Beginnt das Arbeitsverhältnis in der zweiten Hälfte des Kalenderjahrs, kann der Arbeitnehmer die erforderliche Wartezeit nicht mehr erfüllen.
In diesem Fall steht dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Teilurlaub zu (§ 5 Abs. 1a – c BUrlG). Dies bedeutet 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Beschäftigungsverhältnisses.
In den Folgejahren entsteht der gesetzliche Erholungsurlaub dann jeweils am Jahresanfang.
Ein bereits entstandener Anspruch auf Vollurlaub wird gesetzlich dann zu einem Teilurlaub verringert, wenn der Beschäftigte innerhalb der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Auch in diesem Fall des Teilurlaubs wird gezwölftelt.

Für (schwer-)behinderte Arbeitnehmer, deren Schwerbehinderung während des gesamten Kalenderjahres anerkannt ist, gelten diese allgemeinen Grundsätze zum Teilurlaub ebenso für den Zusatzurlaub.

Beispiele:

Der (schwer-)behinderte Mensch tritt am 01.10. in den Betrieb ein.

Er scheidet am 31.03. aus dem Betrieb aus.

In beiden Fällen erwirbt er, vorbehaltlich einer günstigeren tariflichen Regelung (vgl. § 13 Abs.1 BUrlG), nur einen anteiligen Grundurlaub. Auch der diesem Grundurlaub hinzuzurechnende Zusatzurlaub steht dann nur anteilig zu.
Eine Besonderheit gilt insoweit wiederum für diejenigen (schwer-)behinderten Menschen, deren Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres besteht. Ihr ohnehin bereits gezwölftelter Zusatzurlaub (siehe oben) darf nicht noch einmal nach den allgemeinen Regeln des § 5 BUrlG gemindert werden, auch wenn das Beschäftigungsverhältnis, z.B. wegen Ausscheidens in der ersten Jahreshälfte, nicht das ganze Kalenderjahr über besteht (§ 208 Abs. 2 Satz 3 SGB IX).

Entstehung und Geltendmachung des Anspruchs auf Zusatzurlaub

Das Anrecht auf den Zusatzurlaub entsteht ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung. Das Vorliegen der Schwerbehinderung muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber jedoch durch den Schwerbehindertenausweis nachweisen.
Wenn das Versorgungsamt oder die nach Landesrecht zuständige Behörde über einen Anerkennungsantrag nicht im Jahr der Antragstellung entscheidet, kann der Anspruch auf Zusatzurlaub für dieses Jahr nur dadurch gesichert werden, dass der Arbeitnehmer den Zusatzurlaub von seinem Arbeitgeber ausdrücklich fordert (geltend macht). Allein der Hinweis, er habe einen Anerkennungsantrag gestellt, reicht dazu nicht aus.

Übertragbarkeit des Zusatzurlaubs (§ 208 Abs. 3 SGB IX)

Wird die Schwerbehinderteneigenschaft rückwirkend festgestellt, entsteht auch ein rückwirkender Anspruch auf Zusatzurlaub. Hat sich das Verfahren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft allerdings mehrere Jahre hingezogen, kann nur noch der für das abgelaufene letzte Kalenderjahr rückwirkend entstandene Zusatzurlaub beansprucht werden.

Außerdem muss dieser Urlaub im laufenden Kalenderjahr bis zum Ende des Übertragungszeitraums genommen werden (vgl. auch § 7 Abs. 3 BUrlG).
Die Länge des Übertragungszeitraums ergibt sich regelmäßig aus den Tarifverträgen. Auch für die Übertragung des Zusatzurlaubs aus dem Vorjahr im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ist Folgendes zu bedenken: Die Ungewissheit über die Anerkennung der Schwerbehinderung ist kein Grund zur automatischen Übertragung eines möglichen Zusatzurlaubsanspruchs in das nächste Kalenderjahr bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums. Die Übertragung eines möglicherweise zustehenden Zusatzurlaubs muss vielmehr auch in diesen Fällen beim Arbeitgeber geltend gemacht werden.

Zusatzurlaubsanspruch bei Verlust der Schwerbehinderteneigenschaft

Der Anspruch auf Zusatzurlaub besteht, solange die Schwerbehinderteneigenschaft fortdauert. Bei einer Herabstufung auf einen Grad der Behinderung von weniger als 50 besteht Anspruch auf Zusatzurlaub auf jeden Fall bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides, mit dem die Verringerung festgestellt wurde (§ 199 Abs. 1 SGB IX).

Wurde ein Zusatzurlaub geltend gemacht und nur deshalb nicht gewährt, weil die Schwerbehinderteneigenschaft noch nicht endgültig anerkannt war, bleibt der Anspruch (aus § 208 SGB IX) auch dann erhalten, wenn der Grundurlaub mit Ablauf des Übertragungszeitraumes erloschen wäre (sog. Ersatzurlaubsanspruch). Kann der gesetzliche Zusatzurlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden, ist er finanziell abzugelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG).

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Autor: Frank Birkefeld

Frank Birkefeld ist seit 2000 als Rechtsanwalt im Arbeits- und Sozialrecht tätig. Er war Geschäftsführer eines großen Sozialverbandes sowie Unternehmensjurist. Herr Birkefeld referiert seit mehreren Jahren auch im Bereich der Fortbildung von Betriebsräten und Arbeitnehmervertretungen. Er berät und vertritt Betriebsräte und Arbeitnehmer auf allen Gebieten des kollektiven und individuellen Arbeitsrechts.
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