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Bundesteilhabegesetz (BTHG)

Autor:
Thorsten Blaufelder
6 Minuten Lesezeit

Seit dem 01.01.2020 gilt das neue Bundesteilhabegesetz (BTHG) in der dritten Reformstufe. Das „Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen” bringt insgesamt große Veränderungen mit sich.

Für Ihre Arbeit als Schwerbehindertenvertretung bedeutet das einen weitreichenden Wandel.

Alles, was Sie als Schwerbehindertenvertreter in den Betrieben und Arbeitsstätten jetzt wissen müssen, haben wir Ihnen hier in leichter Sprache zusammengefasst:

Personen lesen sich das Bundesteilhabegesetz durch

Was ändert sich? - Zusammenfassung

Mit dem Bundesteilhabegesetz wurden viele neue rechtliche Regelungen in Kraft gesetzt. Die Rechte für Schwerbehindertenvertreter haben sich maßgeblich geändert, denn Menschen mit Behinderungen haben nun mehr Möglichkeiten und sollen besser am Arbeitsleben teilhaben können. Dafür bekommen sie genau die Unterstützung, die sie aufgrund ihrer Behinderung brauchen.

Ziel des Gesetzes ist, die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen zu verbessern und die individuelle Unterstützung zu fördern.

Die Vertretungsrechte der Schwerbehindertenvertreter werden somit vom Gesetzgeber gestärkt.

Reformschritte

Die praktische Umsetzung beginnt mit neuen Leistungen zur Teilhabe für Menschen mit Behinderungen, die jetzt nicht mehr in den Bereich der Sozialhilfe fallen. Die Veränderungen werden schrittweise bis zum Jahr 2020 in Kraft treten. Insgesamt erfolgt die Umsetzung der Reform in mehreren Stufen.

Schritt 1

Für Bezieher der Eingliederungshilfe bzw. Hilfe zur Pflege wurde die Höhe des Einkommensfreibetrages geändert. Dieser Schritt trat schon am 01.01.2017, mit den Änderungen des Schwerbehindertenrechts und den ersten Schritten zur Verbesserung in der Einkommens- und Vermögensberücksichtigung, ein.

Schritt 2

Bis zum 01.01.2018 soll die Weiterentwicklung der Bereiche des Rehabilitations- und Teilhaberecht am Arbeitsleben umgesetzt werden. Mit der Einführung des neuen zweiten Teils wird die reformierte Eingliederungshilfe festgesetzt. Die bisherigen Regelungen im Teil 2 (Schwerbehindertenrecht) sind künftig im Teil 3 zu finden.

Schritt 3

Mit der Reformstufe 3 wird ab dem 01.01.2020 die Trennung von Leistungen der Eingliederungshilfe von existenzsichernden Leistungen eingeführt. Die Regelungen zum Eingliederungshilferecht werden aus dem Kanon der sozialhilferechtlichen Vorschriften entnommen und als eigenständige Teilhabeleistung in Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) eingeordnet. Die Eingliederungshilfe wird sich ab 2020 ausschließlich auf Fachleistungen konzentrieren. Beispiele hierfür sind Assistenzleistungen, Leistungen zur Mobilität oder Hilfsmittel. Existenzsichernde Leistungen, das heißt Lebensunterhaltskosten oder Unterkunftskosten, sollen durch die Sozialhilfe (SGB XII) oder die Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) finanziert werden. Darüber hinaus werden die Freibeträge bei Einkommen und Vermögen weiter erhöht. Der Vermögensfreibetrag steigt auf rund 50.000 Euro. Dieser Betrag bezieht sich lediglich auf Personen, die nur Leistungen der Eingliederungshilfe in Anspruch nehmen und nicht gleichzeitig auf Leistungen zum Lebensunterhalt oder auf Hilfen zur Pflege angewiesen sind. Das Partnereinkommen und –vermögen wird nicht mehr herangezogen. Dies führt dazu, dass die Leistungsbezieher noch mehr von ihren Einkünften im Vergleich zum Status Quo behalten können. Bei Ehegatten und Partnern und bei hohem Einkommen kann die Entlastung höher ausfallen.

Schritt 4

In der letzten Reformstufe, die am 01.01.2023 in Kraft tritt, wird der Zugang zur Eingliederungshilfe neugestaltet. In diesem Zuge wird der leistungsberechtigte Personenkreis geändert.

Maßnahmen und Ziele

Frühzeitiges Handeln ist eine von vielen Maßnahmen, die Sie in Ihrem Amt als SBV verfolgen müssen. Durch das Wegfallen der gemeinsamen Servicestellen sind Sie, als Vertreter im Betrieb gefordert, sich fachlich weiter zu bilden.

Des Weiteren soll die Erwerbsfähigkeit (schwer-)behinderter Menschen aufrechterhalten werden. Ziel ist es, bereits vor Eintritt einer chronischen Erkrankung oder Behinderung durch geeignete präventive Maßnahmen entgegenzuwirken.
Reha-Anträge werden künftig leichter zu beantragen sein, da nur noch ein einziger erforderlich ist, um Reha-Leistungen bei verschiedenen Trägern zu erhalten.

Mehr selbst bestimmen und sich unabhängig beraten lassen, ist nicht nur Zukunftsmusik, sondern eintretende Realität mit dem Bundesteilhabegesetz. Dazu wird es vermehrt unabhängige Beratungsstellen geben, die Hilfe zur Selbsthilfe leisten und Menschen mit Behinderungen unterstützen, eigene Entscheidungen zu treffen.

Damit eine bessere Teilhabe am Arbeitsleben gewährleistet werden kann, werden anstelle der Werkstattleistungen auch Lohnkostenzuschüsse und Unterstützung im Betrieb durch ein Budget für Arbeit ermöglicht. Die Teilhabe an Bildung ist zudem eine eigene Reha-Leistung und wird neu strukturiert, ergänzt und konkretisiert.
Menschen mit Behinderung haben künftig mehr von ihrem Einkommen: Das Bundesteilhabegesetz ermöglicht eine Eingliederungshilfe in Form von finanzieller Unterstützung für Personen, die wenig Einkommen erhalten und über ein geringes Vermögen verfügen. Die Eingliederungshilfe wird von den Leistungen zum Lebensunterhalt strikt getrennt und finanziert. Diese Leistung war bisher unter anderem abhängig von der Wohnsituation und musste größtenteils selbst oder mit vom (Ehe-)Partner finanziert werden.

Gemäß dem neuen Bundesteilhabegesetz hat die Schwerbehindertenvertretung einen Anspruch auf Unterstützung durch eine Bürokraft im adäquaten Umfang.
Vom Gesetzgeber sind die Beteiligungsrechte der SBV bei Kündigung (schwer-)behinderter Menschen bekräftigt worden. Ohne Anhörung der SBV ist eine Kündigung künftig unwirksam.

Ratgeber
Grund­la­gen­wis­sen für die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung

Dieser Ratgeber liefert Ihnen alle wichtigen Informationen und nützliche Praxis-Tipps rund um Ihr Amt als SBV. Er hilft Ihnen dabei, Ihren Arbeitsalltag erfolgreich zu meistern.

Neuerungen für Vertreter der SBV

Vertretungsregelung

Die Vertretung der Vertrauensperson durch ein stellvertretendes Mitglied war bisher nur unzureichend geregelt. Als mögliche Vertretungsgründe ausdrücklich genannt waren lediglich Abwesenheit oder die Wahrnehmung anderer Aufgaben. Aus diesem Grund wurde § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX neu gefasst. Ein Vertretungsfall liegt jetzt bei einer Verhinderung der Vertrauensperson vor. Daher ist eine Vertretung durch ein stellvertretendes Mitglied nun auch bei Befangenheit der Vertrauensperson gewährleistet.

Hinzuziehung von stellvertretenden Mitgliedern

Die Vertrauenspersonen konnten nach bisheriger Rechtslage höchstens zwei Stellvertreter zu bestimmten Aufgaben heranziehen. Ab einem Schwellenwert von 100 schwerbehinderten Arbeitnehmern im Betrieb bzw. der Dienststelle war die Hinzuziehung eines Stellvertreters möglich, ab 200 schwerbehinderten Arbeitnehmern waren zwei Stellvertreter vorgesehen. Für größere Unternehmen war diese Hinzuziehungsregel jedoch unzureichend. In § 178 Abs. 1 Satz 4, 5 SGB IX sind deshalb die Schwellenwerte für die Heranziehung von Stellvertretern neu geregelt. Eine Obergrenze existiert nicht mehr, es darf jeweils pro 100 schwerbehinderten Beschäftigten ein Stellvertreter herangezogen werden.

Freistellung der Vertrauensperson

Der Schwellenwert für die Freistellung der Vertrauensperson wird in § 179 Abs. 4 Satz 2 SGB IX von 200 regelmäßig beschäftigten schwerbehinderten Arbeitnehmern auf 100 herabgesetzt. Hierdurch soll der zunehmenden Belastung der Schwerbehindertenvertretung Rechnung getragen werden.

Erweiterter Schulungsanspruch

Der Schulungsanspruch für Stellvertreter der SBV stand bisher unter engen gesetzlichen Voraussetzungen. Die Einschränkung beim Schulungsanspruch des Stellvertreters der Vertrauensperson fällt weg, so dass für ihn der gleiche Anspruch auf Fortbildung besteht, wie für die Vertrauensperson selbst.

Eigenes Übergangsmandat

Wie auch beim Betriebsrat erhält die SBV ein eigenes Übergangsmandat bei betrieblicher Umstrukturierung in der gewerblichen Wirtschaft, wie zum Beispiel der Spaltung oder Zusammenlegung von Betrieben und Betriebsteilen in Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung oder einer Umwandlung.

In den Werkstätten für behinderte Menschen erlangen die Werkstatträte ebenfalls mehr Rechte. Zusätzlich soll die Position einer Frauenbeauftragten geschaffen werden, um geschlechtsspezifische Diskriminierung besser eindämmen zu können.

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Autor: Thorsten Blaufelder

Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder ist Fachanwalt für Arbeitsrecht, Mediator und Inhaber einer Kanzlei in Dornhan. Seine Schwerpunkte liegen in der Beratung und außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung von Arbeitnehmern und Betriebsräten. Darüber hinaus verfügt er über eine langjährige Erfahrung als Referent arbeits- und betriebsverfassungsrechtlicher Seminare. Seit dem Jahre 2010 ist er für die W.A.F. im Rahmen von Grundlagen- und Spezialschulungen im Einsatz und seit Herbst 2013 auch als Online-Seminar Referent tätig.
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