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Mitbestimmung des Betriebsrats

Autor:
Aytug Tuncel
34 Minuten Lesezeit

Die Mitbestimmung des Betriebsrats gibt den Arbeitnehmern die rechtliche Möglichkeit, mitzureden, wenn es um betriebliche Belange geht.

Sie haben in Übereinstimmung mit dem Arbeitgeber die Möglichkeit, Ungerechtigkeiten oder besondere Härten im Arbeitsalltag abzuwenden.

Agiert der Arbeitgeber ohne die Zustimmung des Betriebsrats, ist sein Handeln ungültig.

In diesem Artikel erfahren Sie alles, was Sie als Betriebsrat zum Thema Mitbestimmungsrechte wissen sollten.

Mitbestimmung des Betriebsrats

Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG

Die Gestaltungsmöglichkeiten des Betriebsrats sind unterschiedlich stark ausgeprägt. Dies ergibt sich aus der Überschrift des vierten Teils des Betriebsverfassungsgesetzes. Dort spricht das Gesetz von der „Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer“. Im täglichen Sprachgebrauch wird oft nur von den „Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats“ gesprochen. Dabei stellen die überwiegenden Rechte des Betriebsrats aus dem BetrVG Informations- und sonstige Beteiligungsrechte dar.

Die größten Gestaltungsmöglichkeiten hat der Betriebsrat im Rahmen der echten Mitbestimmung.

Hier darf der Arbeitgeber die von ihm geplanten Maßnahmen nur mit Zustimmung des Betriebsrats durchführen. Dabei gilt ein Schweigen des Betriebsrats nicht als Zustimmung. Vielmehr muss der Betriebsrat die vom Arbeitgeber beabsichtigten Maßnahmen genehmigen. Der Betriebsrat muss einen Beschluss fassen, in dem er der geplanten Maßnahme zustimmt.

Die echten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats sind durch das Einigungsstellenverfahren geschützt. Dieses muss zwingend durchgeführt werden, falls eine Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber nicht zustande kommt. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt dann die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und ist dabei bindend. Da diese Formulierung nahezu wortlautgetreu im Gesetzestext zu finden ist:

„Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat“,

fällt es nicht schwer, die echten Mitbestimmungsrechte von sonstigen Mitwirkungspflichten zu unterscheiden, so zum Beispiel in § 87 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz.

Folgende Infografik gibt Ihnen einen schönen Überblick:

Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats auf einer Infografik anschaulich dargestellt

Mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten

Fragen der Ordnung des Betriebs und Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb

Hiervon betroffen sind Maßnahmen, die die allgemeine Ordnung im Betrieb und/oder das Verhalten der Arbeitnehmer regeln sollen. Der Arbeitgeber kann in die Rechte der Arbeitnehmer über die konkrete Arbeitsausführung hinaus eingreifen. Zudem kann er deren Verhalten und die Ordnung einseitig bestimmen. Dies ergibt sich aus § 106 Satz 2 Gewerbeordnung. Begrenzt wird dieses Recht des Arbeitgebers lediglich durch Bestimmungen im Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung und dem „billigen Ermessen“. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der dem Arbeitgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum einräumt. Um insbesondere die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter zu schützen, stehen dem Betriebsrat Mitbestimmungsrechte zu.

Mitbestimmungspflichtig sind z. B.

  • Anwesenheitskontrollen, egal ob handschriftlich oder mittels technischer Einrichtungen, vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG,
  • Betriebsausweise, Form und Nutzung,
  • Arbeitskleidung, beachte Schutz-, Dienst- oder Berufskleidung,
  • Alkoholverbote, beachte Unfallverhütungsvorschriften. Wegen Alkoholtests beachte § 75 BetrVG, Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers.
  • Rauchverbote, beachte Rauchverbote gem. Unfallverhütungsvorschriften. Nach § 32 Arbeitsstättenverordnung ist in Pausen-, Liege- und Bereitschaftsräumen der Nichtraucherschutz durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen.
  • Krankengespräche, soweit sie das Arbeitsumfeld des Arbeitnehmers betreffen und nicht in seine Persönlichkeitssphäre eingreifen.
  • Torkontrollen, damit sind vor allem Taschenkontrollen oder Zufallskontrollen gemeint, da auch diese Maßnahmen unzulässigerweise in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifen, (besteht ausreichend dringender, begründeter Tatverdacht?).

Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit

Dieses Mitbestimmungsrecht hat den Zweck, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit auch ihrer Freizeit und ihrem Privatleben zu schützen. Dies betrifft auch die Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Werktage.

Hierbei sind die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes und/oder der Tarifverträge zu beachten. Soweit ein Regelungsspielraum besteht, kann der Betriebsrat innerhalb solch einer Regelung mitbestimmen. Zum Beispiel beim Ausgleich für Nachtarbeit, Freizeit oder Entgeltzuschlag (BAG, 26.08.1997, 1 ABR 16/97 u. a. zu § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz).

Mitbestimmungspflichtig sind:

  • Einführung, Abbau und Ausgestaltung von Schichtarbeit,
  • Dienstpläne und Rufbereitschaft, zu Dienstplänen (EuGH, 03.10.2000, AZ: C-303/98); Bereitschaftsdienst gleich Arbeitszeit,
  • Gleitarbeitszeit,
  • Teilzeitarbeit, bzgl. der innerbetrieblichen Gestaltung,
  • Variable Arbeitszeit, Arbeit auf Abruf, KAPOVAZ = kapazitätsorientierte, variable Arbeitszeit, nach § 12 Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge, Fragen der innerbetrieblichen Ausgestaltung,
  • Lage und Dauer der Pausen, beachte § 4 Arbeitszeitgesetz,
  • Sonn- und Feiertagsarbeit, soweit eine erforderliche behördliche Genehmigung vorliegt, die jedoch im Allgemeinen die Mitbestimmung des Betriebsrats nicht einschränkt,
  • usw.
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Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit

In Ergänzung des Mitbestimmungsrechtes bezüglich des Beginns und Endes der täglichen Arbeitszeit wird hier bestimmt, dass auch die vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit zum Beispiel durch Kurzarbeit oder die Verlängerung dieser durch die Anordnung von Überstunden mitbestimmungspflichtig ist.

Die betriebsübliche Arbeitszeit ist die regelmäßig betriebliche Arbeitszeit, zu der die Arbeitnehmer beschäftigt werden. Von dieser Regelung ist die „vorübergehende“ Veränderung betroffen. Sie liegt dann vor, wenn die Verkürzung oder Verlängerung von absehbarer Dauer ist, der Zeitraum ist mitbestimmungspflichtig.

Überstunden liegen vor, wenn über die Arbeitszeit, die nach dem Tarifvertrag oder nach dem Einzelarbeitsvertrag zu leisten ist, hinaus gearbeitet wird. Soweit flexible Arbeitszeiten vereinbart wurden, ist eine Überstunde dann gegeben, wenn der Rahmen überschritten wird, der für die regelmäßige Arbeitszeit vereinbart oder festgelegt wurde.

Ob ein Arbeitnehmer individualrechtlich verpflichtet ist Überstunden zu leisten, ergibt sich aus dem Einzelarbeitsvertrag oder einer Bestimmung im Tarifvertrag. In seltenen Fällen kann der Arbeitnehmer auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zur Ableistung von Überstunden verpflichtet sein.

Die Freiwilligkeit von Arbeitnehmern, Überstunden zu leisten, schließt die Mitbestimmung des Betriebsrats nicht aus, vgl. Fitting § 87 Rn. 144, 28. Auflage. Soweit die Voraussetzungen zur Anordnung von Überstunden und die Pflicht zur Ableistung dieser durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag vorliegen, hat der Betriebsrat mitzubestimmen.

Die gleichen Grundsätze gelten für die Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit.

Im Rahmen dieses Mitbestimmungsrechts wird der Betriebsrat bei der Entscheidung beteiligt, ob überhaupt Überstunden geleistet werden. Des Weiteren erstreckt sich die Mitbestimmung des Betriebsrats auf den betroffenen Personenkreis, die Dauer und die Verteilung des Überstundenvolumens auf einzelne Arbeitnehmer oder Abteilungen.

In der Praxis und der Literatur ist umstritten, ob der Betriebsrat Überstunden verwehren darf, um so Neueinstellungen zu erzwingen. Da sich die Mitbestimmung rein an der Arbeitszeit orientiert, ständige Überstunden aber nicht zu einer unzumutbaren Belastung der betroffenen Arbeitnehmer führen darf, sind die gegenseitigen Interessen (Arbeitgeber/Betriebsrat) abzuwägen. Auch dürfen Aspekte des Arbeits- und Gesundheitsschutzes (Burn-out-Syndrom) nicht außer Acht gelassen werden.

Keine Mitbestimmung hingegen besteht beim Abbau von Mehrarbeit. Haben sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die Ableistung von Überstunden geeinigt und ist diese nicht mehr nötig, kann der Arbeitgeber die Durchführung einseitig absagen. Es besteht somit kein „Überstundenrecht“ der Arbeitnehmer.

Beispiele der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten:

  • Einführung von Sonderschichten, z.B. samstags bei einer 5-Tage-Woche,
  • Überstunden von Teilzeitbeschäftigten,
  • Not- und Eilfälle; die Unterrichtung des Betriebsrats hat unverzüglich zu erfolgen, um die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu wahren,
  • Einführung von Kurzarbeit nach §§ 169 ff. SGB III; wird die Kurzarbeit früher als geplant und vereinbart beendet oder verringert, bedarf dies ebenfalls der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte

Der Betriebsrat hat gemäß diesem Absatz mitzubestimmen bezüglich der Umstände der Auszahlung der Arbeitsentgelte.

Mitbestimmungspflichtig im Rahmen dieser Vorschrift sind u. a.

  • Festlegung der Lohnzahlungszeiträume, beachte § 64 Handelsgesetzbuch,
  • Leistung von Abschlagszahlungen,
  • Bargeldlose Lohnzahlung, somit Übernahme von Kontoführungsgebühren.
  • Da o.a. Kriterien im allgemeinen durch Tarifverträge oder sonstige allgemein gebräuchliche Verfahrensweisen geregelt sind, hat Nr. 4 in der betrieblichen Praxis kaum noch Bedeutung.

Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Frage der Festlegung des Urlaubs sind in der Praxis von erheblicher Bedeutung. Es gilt hier verschiedenste Interessen zu berücksichtigen. Nämlich die des Arbeitnehmers, der Urlaub beantragt, dessen Kollegen und Kolleginnen und natürlich das Interesse des Arbeitgebers.

Hierbei ist ebenfalls zu beachten, dass es sich um mehrere Rechte des Betriebsrats handelt. Zum einen um die Vereinbarung allgemeiner Urlaubsgrundsätze im Rahmen einer Betriebsvereinbarung, der konkreten Aufstellung des jährlichen Urlaubsplans und schließlich der Streitbeilegung, für den Fall, dass ein Arbeitnehmer sich mit dem Arbeitgeber über die Gewährung des Urlaubs nicht einigt.

Das Mitbestimmungsrecht umfasst Fragen der zeitlichen Lage, der Erteilung des Urlaubs, nach welchen Grundsätzen die Urlaubsgewährung erfolgt und der Erstellung eines Urlaubsplans. Die Urlaubsdauer wird durch Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag vorgegeben und ist somit mitbestimmungsfrei.

Der Mitbestimmung unterliegen:

  • der Erholungsurlaub nach § 1 Bundesurlaubsgesetz,
  • der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte nach § 125 SGB IX,
  • der Bildungsurlaub nach entsprechenden Ländergesetzen,
  • Sonderurlaub von ausländischen Arbeitnehmern,
  • Urlaubssperren,
  • Betriebsurlaub, zeitliche Lage und Dauer,
  • Verteilung des Urlaubs innerhalb eines Kalenderjahres,
  • allgemeine Urlaubsgrundsätze; Richtlinien, nach denen Arbeitnehmern im Einzelfall Urlaub zu gewähren ist (Arbeitnehmern mit schulpflichtigen Kindern während der Schulferien usw.),

Einführung/Anwendung technischer Einrichtungen zur Überwachung der Arbeitnehmer

Inhalt des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats ist er hier die Erhebung von Daten durch technische Einrichtungen und die Datenverarbeitung soweit Sie zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung der Mitarbeiter dient. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass das Bundesarbeitsgericht den Wortlaut dahingehend erweitert, dass es genügt, dass eine technische Einrichtung zur Überwachung objektiv geeignet ist. Ein „bestimmt sein“ im Sinne einer Zweckbestimmung durch den Arbeitgeber ist nicht erforderlich.

Das Mitbestimmungsrecht nach Nr. 6 stellt in erster Linie einen präventiven Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer dar. Es besteht ein direkter Zusammenhang der Nr. 6 mit § 75 Abs. 2 BetrVG. Der Betriebsrat hat ein Mitbeurteilungs- und Mitgestaltungsrecht. Dadurch soll die Arbeitnehmerüberwachung auf ein zulässiges, unbedingt notwendiges, betriebliches Maß beschränkt werden.

Ohne Wissen der Benutzer darf keinerlei Vorrichtung zur qualitativen oder quantitativen Kontrolle verwendet werden.

Die Arbeitnehmerüberwachung muss durch eine „technische Einrichtung“ erfolgen. Eine Kontrolle z.B. durch Vorgesetzte unterliegt nicht der Mitbestimmung nach Nr. 6.

Betrifft solch eine Maßnahme auch das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer, kommt Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Betracht.

Mitbestimmungspflichtig ist u.a. die Einführung und Anwendung von

  • Filmkameras,
  • Telefonanlagen,
  • automatischen Zeiterfassungsgeräten, siehe auch Nr. 1,
  • Fahrtenschreibern, falls zur Kontrolle verwendet (außerhalb gesetzlicher Verpflichtung),
  • Betriebsdatenerfassungssystemen,
  • Software, die eine Aussage über das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers ermöglicht
  • usw.

Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten

Das Mitbestimmungsrecht betrifft Regelungen, die der Arbeitgeber aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften, z.B. Unfallverhütungsvorschriften, im Rahmen des gesetzlichen Arbeitsschutzes zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und zur Förderung des Gesundheitsschutzes zu treffen hat.

Dabei geht es um die Frage, welche von verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitgeber wählt, wenn er aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu handeln hat. Ob der Arbeitgeber Maßnahmen zu treffen hat, ist nicht mitbestimmungspflichtig. Diese Pflicht ergibt sich aus den jeweiligen Arbeitsschutzvorschriften. Betriebsrat und Arbeitgeber sind im Rahmen dieses Mitbestimmungsrecht zur gemeinsamen Ausfüllung der gesetzlichen Rahmenvorschriften gehalten und haben sich auf eine Lösung zu einigen. Soweit verschiedene Möglichkeiten zum Schutz der Arbeitnehmer vor Gesundheitsschäden bestehen, ist regelmäßig das Mitbestimmungsrecht bei der Auswahl der Maßnahme des Betriebsrats gegeben.

Die Mitbestimmung ist nicht über den öffentlich-rechtlichen Gesundheitsschutz hinausreichend, sondern innerhalb der Regelungen als ausfüllend anzusehen.

Eine Konkretisierung bestehender Rahmenvorschriften ist möglich.

Dies betrifft die Mitbestimmung bei

  • der Umsetzung der gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse,
  • der menschengerechten Gestaltung der Arbeit,
  • der Durchführung von Unfallverhütungsvorschriften,
  • der Durchführung des Arbeitsschutzgesetzes und des Arbeitssicherheitsgesetzes, beachte auch § 89 BetrVG,
  • der Zusammenarbeit mit Berufsgenossenschaft und Gewerbeaufsicht, Amt für Arbeitsschutz.

Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen des Betriebes

Eine Sozialeinrichtung definiert sich dadurch, dass den Arbeitnehmern des Betriebs unabhängig von dem eigentlichen Arbeitsentgelt materielle und/oder ideelle Vorteile gewährt werden. Die Leistungen müssen dann nach allgemeinen Richtlinien gewährt und Zweck und Leistung der Einrichtung müssen auf eine gewisse Dauer gerichtet sein.

Die Errichtung, Dotierung, Änderung und Schließung einer Sozialeinrichtung nach Nr. 8 ist mitbestimmungsfrei.

Die Rechtsform der Sozialeinrichtung unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats. Gleiches gilt für die Organisation der Einrichtung, z.B. durch Geschäftsordnung.

Ebenso mitbestimmungspflichtig ist die Verwaltung der Sozialeinrichtung.

Mitbestimmungspflichtig sind u. a.

  • Betreiben einer Sozialeinrichtung (Rechtsform), z.B. eigener Betriebsteil oder eingetragener Verein,
  • Sozialfonds,
  • Kantinen, soweit vom Arbeitgeber selbst betrieben, unterliegen z.B. Öffnungszeiten und Preise der Mitbestimmung,
  • Werksbusverkehr, soweit vom Arbeitgeber selbst betrieben,
  • Kindergärten und Erholungsheime, usw.

Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die an Arbeitnehmer vergeben werden

Ob der Arbeitgeber vorhandenen Wohnraum als Werkmiet-Wohnungen nutzen will, entscheidet er mitbestimmungsfrei. Der Mitbestimmung unterliegen auch nicht die Werkdienst-Wohnungen, die dem Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsverhältnisses überlassen werden, z.B. Hausmeister, vgl. Fitting § 87, Rn. 379, 28. Auflage.

Auch den zu begünstigenden Personenkreis legt der Arbeitgeber einseitig fest.

Mitbestimmungspflichtig ist

  • die Zuweisung von Wohnräumen (Werkmietwohnungen) an Arbeitnehmer oder betriebsfremde Personen wie auch an leitende Angestellte. Werden Wohnungen nur an leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG vermietet, besteht kein Mitbestimmungsrecht.
  • die Kündigung von Wohnräumen, Ausnahme bei leitenden Angestellten oder betriebsfremden Personen,
  • die Festlegung der Nutzungsbedingungen, z.B. Hausordnung,
  • sowie die Änderung der Nutzungsbedingungen.

Fragen der betrieblichen Lohngestaltung

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG können nahezu als umfassend betrachtet werden, vgl. Fitting § 87 Rn. 408, 28. Auflage, vgl. auch MünchArbR. Matthes, § 341, Rn. 1, 2. Auflage.

Die Mitbestimmung des Betriebsrats dient der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und Transparenz und soll die Arbeitnehmer vor einseitiger Festlegung durch den Arbeitgeber schützen. Die Mitbestimmung bezieht sich nicht auf die Höhe des Entgelts.

Nach dem Bundesarbeitsgericht soll durch dieses Mitbestimmungsrecht die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges und die Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit gesichert und Verteilungsgerechtigkeit hergestellt werden. Gegenstand des Mitbestimmungsrechtes ist daher nicht die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts, sondern die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsform (BAG, Urteil vom neunten 20. Januar 2008,3 AZR 42/06).

Im Rahmen dieses Mitbestimmungsrechts ist wie bei sämtlichen Tatbeständen der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten der Tarifvorbehalt dringend zu beachten. Bei Tarifverträgen kommt es hierbei alleine darauf an, ob der Arbeitgeber tarifgebunden ist (BAG, Beschluss vom 24. zweiten 1987,1 ABR 18/85). Gemäß dem Bundesarbeitsgericht ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, auch nicht tarifgebundene Arbeitnehmer in Tariflohngruppen einzugruppieren und dabei den Betriebsrat gemäß § 99 Betriebsverfassungsgesetz zu beteiligen, wobei die Arbeitnehmer keinen Anspruch auf den Tarif haben (BAG Beschluss vom 18. Oktober 2011,1 ABR 25/10).

Lohn sind hierbei alle Leistungen des Arbeitgebers, die er als Gegenleistung für die von den Arbeitnehmern erbrachten Arbeitsleistungen gewährt; auf die Bezeichnung kommt es nicht an (BAG, Beschluss vom 16.9.1986, GS1/82).

Die grundsätzlichen Entlohnungsfragen sind wie bereits ausgeführt jedoch in vielen Fällen durch Tarifvertrag geregelt. Fehlt es an solchen Regelungen, kann der Betriebsrat ein „innerbetriebliches Lohn- und Gehaltsschema“ mitbestimmen. In der Rechtsprechung und Literatur finden sich weitere zahlreiche Beispiele, u.a.

  • „Gehaltsbänder“ für AT-Angestellte,
  • Provisionen,
  • Akkordentlohnung, Prämienentlohnung,
  • Erschwerniszulagen,
  • Gratifikationen, wie z.B. Treueprämien, Weihnachtsgelder, Anwesenheitsprämien, Jubiläumsgelder und dgl.,
  • Gewinn- und Ergebnisbeteiligungen,
  • Übernahme von Fahrtkosten usw.

vergleiche Fitting § 87 Rn. 414, 28. Auflage, vgl. auch MünchArbR. Matthes, § 341, Rn. 9 bis 14, 2. Auflage.

Der Mitbestimmung unterliegen die Einführung der Lohnform, die Ausgestaltung, die Anwendung, die Änderung und die Abschaffung.

Zahlungen, mit denen Auslagen und besondere Aufwendungen abgegolten werden sollen, unterliegen nicht der Mitbestimmung nach Nr. 10, wie z.B. eine innerbetriebliche Reisekostenordnung.

Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze

Die Mitbestimmung nach Nr. 11 greift bei allen Entgeltformen, bei denen eine unmittelbare Beziehung zwischen Leistung und Entgelt besteht, vergleiche Fitting § 87 Rn. 498, 28. Auflage.

Bei der Entlohnung nach Akkordsystemen unterscheidet man zwischen Geldakkord und Zeitakkord.

Der Betriebsrat bestimmt beim Geldakkord die Entgeltfestsetzung pro Stück mit. Beim Zeitakkord bestimmt der Betriebsrat die Festsetzung des Zeit- und Geldfaktors mit.

Am wichtigsten ist die Feststellung der Normalleistung pro Stunde. Man spricht vom sog. Akkordrichtsatz, der üblicherweise in Tarifverträgen festgelegt ist. Ist dies der Fall, unterliegt er nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Werden Zeitstudien erstellt, so ist der Betriebsrat zu beteiligen, obwohl dies in aller Regel nur Vorbereitungshandlungen sind. Der Betriebsrat soll Zeitaufnahmen, die zu einer leistungsorientierten Entlohnung führen sollen, ggf. auf ihre Richtigkeit und Nachvollziehbarkeit prüfen können.

Sind durch einen Tarifvertrag Erholungs- und Verteilzeiten vorgesehen, scheidet ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus. Fehlt es an solch einer Regelung oder kommen Tarifverträge nicht zur Anwendung, besteht ein umfassendes Mitbestimmungsrecht.

Ergibt sich der Geldfaktor nicht aus einem Tarifvertrag, so unterliegt er der Mitbestimmung des Betriebsrats. Dies hat zur Folge, dass in diesen Fällen der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Lohnhöhe hat.

Die Vergütung von Warte- und Ausfallzeiten unterliegt ebenfalls der Mitbestimmung des Betriebsrats soweit sie nicht in einem Tarifvertrag vereinbart sind, vgl. MünchArbR. Matthes § 341, Rn. 83, 2. Auflage.

Die gleichen Grundsätze gelten bei (Leistungs-)Prämien.

Bei Provisionen ist der Geldfaktor mitbestimmungsfrei, da Provisionen nicht zu den leistungsbezogenen Entgelten nach Nr. 11 gehören, vgl. Fitting § 87, Rn. 535, 28. Auflage und MünchArbR. Matthes, § 341 Rn. 84, 2. Auflage. Unstrittig besteht jedoch ein enger Zusammenhang von der Leistung des Arbeitnehmers zum Entgelt.

Gleichwohl besteht Mitbestimmung nach Nr. 10.

Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen

Die Mitbestimmung des Betriebsrats erfasst hier die sog. Verbesserungsvorschläge. Es handelt sich hierbei u. a. um Verbesserungen technischer oder organisatorischer Art sowie Verbesserungen der Arbeitssicherheit und des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.

Sie sind abzugrenzen von Erfindungen gem. § 2 Arbeitnehmererfindungsgesetz.

Ob ein Arbeitgeber Verbesserungsvorschläge verwerten und „prämieren“ will, liegt in seinem Ermessen. Nimmt er jedoch einen Verbesserungsvorschlag gem. § 3 Arbeitnehmererfindungsgesetz an und verwertet ihn, so hat er dem Arbeitnehmer nach § 20 Arbeitnehmererfindungsgesetz eine angemessene Vergütung zu zahlen.

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach Nr. 12 betrifft,

  • die Einführung eines betrieblichen Verbesserungsvorschlagswesens im Rahmen allgemeiner Regelungen,
  • den begünstigten Personenkreis,
  • Verfahren über Einreichung und Behandlung der Verbesserungsvorschläge,
  • Prüfung und Bewertung, Besetzung eines Ausschusses,
  • Bemessungsgrundsätze der Prämie, nicht die Höhe im Einzelfall,
  • Aufteilungsgrundsätze, bei Einreichung durch mehrere Arbeitnehmer,

Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit

Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt

Die Einführung von Gruppenarbeit bleibt als alleinige Organisationsentscheidung des Arbeitgebers mitbestimmungsfrei. Allerdings ist der Betriebsrat nach § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zu unterrichten und die Maßnahmen sind zu beraten. Es kann auch eine Anwendung des § 111 BetrVG in Betracht kommen. Auch weitere Beteiligungen des Betriebsrats können ausgelöst werden, wie z.B. §§ 92, 96 bis 98 usw.

Hat sich der Arbeitgeber entschieden, Gruppenarbeit im Rahmen von z. B TQM, KVP, Lean Production oder Lean Management einzuführen, so bestimmt der Betriebsrat über die Grundsätze der Durchführung mit, z.B. Zeitpläne, Qualifikationsmaßnahmen, Prinzipien der Team-Leitung, usw.

Ausgestaltung von mobiler Arbeit

Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG betrifft die inhaltliche
Ausgestaltung der mobilen Arbeit. Dazu gehören zum Beispiel Regelungen

• über den zeitlichen Umfang mobiler Arbeit
• über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in Bezug auf mobile Arbeit
• über den Ort, von welchem aus mobil gearbeitet werden kann und darf
• zu konkreten Anwesenheitspflichten in der Betriebsstätte des Arbeitgebers
• zur Erreichbarkeit
• zum Umgang mit Arbeitsmitteln der mobilen Arbeit oder
• über einzuhaltende Sicherheitsaspekte.

Das Mitbestimmungsrecht bildet einen Auffangtatbestand für alle Regelungen, mit denen
mobile Arbeit ausgestaltet werden kann. Bereits bestehende Mitbestimmungsrechte gelten
unverändert.

Formen der Mitbestimmung

Dem Betriebsrat stehen zur Erfüllung seiner Pflichten gemäß § 87 BetrVG verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Neben der Betriebsvereinbarung gibt es weitere Formen der betrieblichen Absprache zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, die als „Regelungsabrede“ bezeichnet werden.

Diese kommen wir eine Betriebsvereinbarung zustande, also durch Vereinbarung, ohne dass eine bestimmte Form erforderlich ist. Der Betriebsrat kommt seinen Mitbestimmungsrechten/Pflichten durch den Abschluss einer Regelungsabrede zwar nach, diese hat allerdings keinerlei normative Wirkung. Das bedeutet, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der Regelungsabrede keine Rechte geltend machen können.

Somit ist in allen Fällen des § 87 Abs. 1 Nr. 1 bis 12 BetrVG der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu empfehlen. Sie stellt eine wesentlich bessere Rechtssicherheit dar. Mit Ausnahme von Auslegungsstreitigkeiten können Rechtsansprüche besser begründet werden. Der Betriebsrat kann die Durchführung und Einhaltung einer Betriebsvereinbarung gerichtlich erzwingen.

Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat über die Ausgestaltung eines mitbestimmungspflichtigen Tatbestands nicht, kann jede Seite die Einigungsstelle anrufen.

Für alle Fälle des § 87 Abs. 1 Nr. 1 bis 13 BetrVG steht dem Betriebsrat ein Initiativrecht zu.

Werden Verhandlungen über einen Mitbestimmungstatbestand nach § 87 Abs. 1. aufgenommen und fehlt es dem Betriebsrat an erforderlicher Sachkunde, die auch im Rahmen der arbeitgeberseitigen Information nicht erreicht werden kann, kann nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber ein Sachverständiger hinzugezogen werden (§ 80 Absatz 3 BetrVG).

Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Richtig spannend für neu gewählte Betriebsräte ist die Mitbestimmung bei sozialen Angelegenheiten. Die soziale Mitbestimmung ist ein Kernstück des Betriebsverfassungsgesetzes.
Hierbei gibt es verschiedene Vorschriften, die festlegen, wie ein Betriebsrat an betrieblichen Maßnahmen beteiligt werden muss. So gibt es für ihn Mitbestimmungs-, Mitwirkungsrechte sowie das Recht auf Anhörung/Information.
Bei allen Punkten der sozialen Mitbestimmung hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht. Das heißt, der Arbeitgeber muss sich mit dem Betriebsrat einigen. Diese Einigung muss dann in einem Vertrag schriftlich festgehalten werden. Diesen Vertrag nennt man Betriebsvereinbarung. Er muss sowohl vom Betriebsratsvorsitzenden als auch vom Arbeitgeber unterschrieben werden.

Welche Themen gehören zur sozialen Mitbestimmung?

Die wichtigsten Fälle der „sozialen Mitbestimmung“ sind:

  • Die Betriebsordnung
  • Überstunden und Kurzarbeit
  • Urlaub
  • Technische Überwachungseinrichtungen
  • Arbeits- und Gesundheitsschutz
  • Ausgestaltung von Sozialeinrichtungen
  • Betriebswohnungen
  • Betriebliche Lohngestaltung
  • Leistungsentgelt
  • Betriebliches Vorschlagswesen

Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat in einer Sache nicht oder kommt es nicht zu Verhandlungen, können der Arbeitgeber oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, die dann für beide Seiten verbindlich entscheidet.

Das Initiativrecht des Betriebsrats:

Bei allen oben genannten mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten kann der Betriebsrat von sich aus „initiativ“ werden und zum Beispiel beschließen, dass er eine Kleiderordnung oder einen Betriebsurlaub will. Das heißt, er muss nicht warten, bis der Arbeitgeber solche Verhandlungen anstößt. Der Betriebsrat erstellt eine Betriebsvereinbarung zum Thema und bittet den Arbeitgeber diesen zu unterschreiben. Folgt der Arbeitgeber diesem Wunsch, ist die Angelegenheit für den Betriebsrat erledigt. Die Betriebsvereinbarung ist dann ab sofort für alle Arbeitnehmer und für den Arbeitgeber verbindlich.
Hat der Arbeitgeber jedoch eigene Vorstellungen zum Thema, muss er mit dem Betriebsrat verhandeln. Weigert er sich zu verhandeln oder kommen die Verhandlungen nicht zu einem Abschluss, können beide Seiten die Einigungsstelle anrufen, die dann entscheidet. Diese Entscheidung wird dann ebenfalls in Form einer Betriebsvereinbarung verbindlich.
Die Einleitung dieses Verfahrens und damit verbunden die Aufforderung an den Arbeitgeber zu verhandeln, sollten aus Beweisgründen schriftlich geschehen.

Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat über einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand, so muss das in einem schriftlichen Vertrag – der Betriebsvereinbarung – festgehalten werden. Diese wird dann vom Arbeitgeber und vom Betriebsratsvorsitzenden unterschrieben. Wird dann eine solche Betriebsvereinbarung von einem Partner gekündigt (mit der Regelkündigungsfrist von 3 Monaten) so ist nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht etwa gleich Schluss mit der Vereinbarung. Sie wirkt nach. Und zwar so lange, bis die Betriebsvereinbarung durch eine neue ersetzt wird.

Gute Vorbereitung: Das A und O einer effektiven Mitbestimmung

Einen wichtigen Punkt sollten Sie bei der sozialen Mitbestimmung immer im Hinterkopf haben:

Betriebsvereinbarungen auf Basis der sozialen Mitbestimmung, zum Beispiel zur Betriebsordnung oder zur Arbeitszeit, sind keine kurzfristigen Angelegenheiten. Solche Vereinbarungen gelten oft über viele Jahre unverändert weiter. Umso wichtiger ist es, dass der Betriebsrat in solche Verhandlungen gut vorbereitet geht. Am vernünftigsten ist es, wenn der Betriebsrat mit seiner Gewerkschaft oder mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht vor den Verhandlungen zum Thema Kontakt aufnimmt und sich beraten oder gar schulen lässt. Auch der Besuch einer ein- oder zweitägigen Schulung zum jeweiligen Thema, so zum Beispiel „Erstellung einer Betriebsvereinbarung für ein Jahresarbeitszeitkonto“, führt dazu, dass der gesamte Betriebsrat fit für die folgenden Verhandlungen ist.

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

In Betrieben mit Betriebsrat kann der Arbeitgeber „personelle Maßnahmen“ nicht mehr alleine entscheiden. Er muss den Betriebsrat beteiligen. Solche personellen Angelegenheiten sind:

  1. Einstellungen
  2. Eingruppierungen
  3. Umgruppierungen
  4. Versetzungen
  5. Kündigungen

Bei Kündigungen hat der Betriebsrat ganz andere Möglichkeiten als bei den anderen Angelegenheiten:

Entgegen dem Wortlaut handelt es sich bei dem § 99 Betriebsverfassungsgesetz nicht um ein echtes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Der Betriebsrat hat im Rahmen dieser Vorschrift weder ein Initiativrecht, noch kann er die Einigungsstelle anrufen. Der Betriebsrat kann allerdings die Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme verweigern und eine Entscheidung des Arbeitsgerichtes damit erzwingen.

Ausnahmen bestätigen die Regel

Es gibt zwei Ausnahmefälle, die von den Grundsätzen oben abweichen:

In Kleinbetrieben: Das Betriebsverfassungsgesetz versteht darunter Betriebe, in denen in der Regel weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind. In einem solchen Betrieb existiert (wenn überhaupt) nur ein einköpfiger Betriebsrat. Hier hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht bei Versetzungen und bei Ein- und Umgruppierungen. Der Chef kann diese Angelegenheiten allein entscheiden. Die Ausnahme von der Ausnahme: Alle Arten von Kündigungen muss er vom Betriebsrat absegnen lassen.

In Tendenzbetrieben: Unter Tendenzbetrieben versteht man Betriebe, die überwiegend karitativ (Altenheime, Krankenhäuser), politisch (politische Parteien), koalitionspolitisch (Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände), erzieherisch (Bildungseinrichtungen), wissenschaftlich (Forschungsinstitute) oder künstlerisch (Theater, Musikverlage) tätig sind. In diesen „Tendenzbetrieben“ hat der Betriebsrat bei allen fünf personellen Maßnahmen kein Mitbestimmungsrecht. Diese Ausnahme gilt aber nur bei so genannten „Tendenzträgern“ und wenn die personelle Maßnahme (Versetzung, Kündigung) aus Tendenzgründen vollzogen werden soll. Wer in einem Betrieb ein solcher „Tendenzträger“ ist, darüber kann man trefflich streiten. Ein kluger Arbeitgeber beteiligt den Betriebsrat auch in Tendenzbetrieben bei allen personellen Maßnahmen. Damit minimiert er sein prozessuales Risiko. Diese erweiterte Mitbestimmung kann in einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat verbindlich geregelt werden.

Zustimmung des Betriebsrats zu Einstellungen und Kündigungen

In allen Betrieben ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, vor dem Vollzug einer Einstellung, Versetzung oder Um- und Eingruppierung die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Diese zwingende Regel kann nicht umgangen werden. Wird eine solche Maßnahme ohne die nötige Zustimmung des Betriebsrats vollzogen, ist sie rechtlich unwirksam.
Keine der vier Maßnahmen ist also möglich, wenn die Zustimmung des Betriebsrats nicht vorliegt. Wenn der Arbeitgeber trotzdem die Einstellung oder Versetzung bzw. die Ein- oder Umgruppierung vollziehen will, bleibt ihm nur der Weg zum Arbeitsgericht. Im Rahmen eines Zustimmungsersetzungsverfahrens muss er beantragen, dass das Gericht die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats ersetzt.
Bei Kündigungen ist es etwas anders. Hier hat der Arbeitgeber vor der beabsichtigten Kündigung nur ordnungsgemäß anzuhören. Der Betriebsrat kann seinerseits der Kündigung widersprechen oder er kann Bedenken äußern, vgl. § 102 Abs. 2, 3 BetrVG.

Möglichkeiten des Betriebsrats

  • bei Einstellungen, Versetzungen, Ein- und Umgruppierungen: Zustimmung verweigern
  • bei Kündigungen: Widersprechen oder Bedenken äußern

Der Informationsanspruch

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat vor jeder personellen Maßnahme unterrichten (auch bei Tendenzträgern). Das bedeutet konkret:

Er muss dem Betriebsrat Auskunft über denjenigen Arbeitnehmer geben, den er zur Einstellung oder Versetzung vorgesehen hat. Außerdem muss er die erforderlichen Unterlagen, im Fall einer Einstellung die Bewerbungsschreiben aller Bewerber, alle vorliegenden Zeugnisse und eine Auswertung von Personalfragebögen, und seine Personalplanung zur Verfügung stellen und den Betriebsrat über die Auswirkungen der geplanten Einstellung oder Versetzung aufklären. Der Betriebsrat muss anhand dieser Dokumente erkennen können, welche Folgen die Einstellung oder Versetzung auf den betroffenen Arbeitnehmer und/oder andere Arbeitnehmer im Betrieb hat.
Vor der Beschlussfassung benötigt der Betriebsrat Informationen über den in Aussicht gestellten Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung.

Einstellung, Versetzung oder Ein- und Umgruppierung: Der Antrag an den Betriebsrat

Der Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, vor dem Ausspruch einer Einstellung oder Versetzung die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Das gleiche gilt bei Ein- und Umgruppierungen.
Dies geschieht mit einem Antrag an den Betriebsrat. Dieser Antrag ist nicht an eine bestimmte Form gebunden und kann schriftlich oder mündlich gestellt werden. Verbunden mit diesem Antrag müssen alle Informationen an den Betriebsrat weitgegeben werden, die ihn in die Lage versetzen, einen Beschluss zu treffen.

Die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Neben der Regelung der Arbeitsbedingungen und der Mitbestimmung bei Personalentscheidungen ist die wirtschaftliche Mitbestimmung ein sehr wichtiges Thema für Betriebsräte. Wenn dann noch das Unternehmen wirtschaftliche Probleme hat oder wenn über Rationalisierungs- oder Umstrukturierungsmaßnahmen nachgedacht wird, gewinnt dieses Mitbestimmungsrecht enorm an Gewicht.
Die wirtschaftliche Mitbestimmung ist oft ein „ungeliebtes Kind“ der Betriebsräte und wird in der Praxis daher vernachlässigt. Da sich neu gewählte Betriebsräte in der Regel erst in einem zweiten Schritt mit dieser Materie befassen, soll das Thema hier daher nur gestreift werden.
Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei so genannten Betriebsänderungen. Darunter versteht man im Wesentlichen:

  1. die Stilllegung des ganzen Betriebs oder eines wesentlichen Teil des Betriebes
  2. den Umzug der Firma von A nach B
  3. die Fusion mit anderen Betrieben
  4. die Einführung einer neuen Betriebsorganisation
  5. die Einführung grundlegend neuer Fertigungsverfahren

Mit allen diesen Änderungen können wesentliche Nachteile für die Belegschaft einhergehen. In Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern muss der Arbeitgeber die geplante Betriebsänderung daher mit dem Betriebsrat beraten.

Der richtige Zeitpunkt für die Mitbestimmung

Der Arbeitgeber muss sich mit dem Betriebsrat beraten, bevor die verbindlichen unternehmerischen Entscheidungen gefasst werden. Die Beteiligung des Betriebsrats muss zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem es noch möglich ist, Einfluss auf die Entscheidung zu nehmen. Hat der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft den Umzug eines Betriebs von A nach B bereits beschlossen, macht ein Gespräch mit dem Betriebsrat keinen Sinn mehr – der Betriebsrat wäre hier dann zu spät eingeschaltet worden.

Achtung:

Der Betriebsrat kann eine unternehmerische Entscheidung zwar nicht verhindern, aber er kann die Umsetzung der Maßnahme mitgestalten und deren Folgen für die Arbeitnehmer abmindern.

Bestreitet der Arbeitgeber, dass es sich bei einer wirtschaftlichen Maßnahme um eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung handelt und dass der Betriebsrat mitzureden hat, bleibt für den Betriebsrat nur der Weg zum Arbeitsgericht. In einem so genannten Beschlussverfahren kann der Betriebsrat dann vom Arbeitsgericht feststellen lassen, ob es sich um eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung handelt oder nicht.

Handelt es sich um eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung, hat der Betriebsrat zwei Hauptinstrumente in der Hand, nämlich:

und

Mitbestimmungstatbestände

Gesetzliche VorschriftInhalt
§ 38 Abs. 2 BetrVGFreistellung der Betriebsratsmitglieder.
§ 39 Abs. 1 BetrVGZeit und Ort der Betriebsratssprechstunden.
§ 85 Abs. 2 BetrVGEntscheidung über die Berechtigung der Beschwerde einer Arbeitnehmers.
§ 87 Abs. 1 BetrVG

Soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht:

  • Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
  • Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
  • vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betrieblichen Arbeitszeit;
  • Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
  • Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans, sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
  • Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
  • Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
  • Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
  • Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
  • Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
  • Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
  • Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
  • Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift lieg vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt.
  • Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informationstechnik und Kommunikationstechnik erbracht wird.
§ 91 BetrVGMilderung oder zum Ausgleich der Belastung der Arbeitnehmer bei Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung, die den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen.
§ 94 BetrVGEinführung von Personalfragebogen und für persönliche Angaben in schriflichten Arbeitsverträgen, die allgemin für den Betrieb verwendet werden sollen, sowei für die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze.
§ 95 BetrVGRichtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen. In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat die Aufstellung von Richtlinien und über die bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkte verlangen.
§ 97 Abs. 2 BetrVGEinführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung.
§ 98 Abs. 4 BetrVGDurchführung von betrieblichen Bildungsmaßnahmen.
§ 109 BetrVGReichtweite der Auskunftsverpflichtung gegenüber dem Wirtschaftsausschuss.
§ 112 BetrVGAufstellen eines Sozialplans.

Die Mitbestimmung beim Streik, Arbeitskampf

Während eines Arbeitskampfs unterliegen Ihre Mitbestimmungsrechte als Betriebsrat, die die Arbeitskampffreiheit Ihres Arbeitgebers beeinträchtigen würden, gewissen Einschränkungen. Ihre Mitbestimmungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen wie Einstellungen, Versetzungen und Entlassungen entfallen teilweise sogar gänzlich, soweit sie etwas mit dem Streik zu tun haben. Ihre Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten sind während der Zeit ebenso beschränkt.

Beispiel: Will Ihr Arbeitgeber den Betrieb trotz eines Streiks aufrechterhalten und stellt er Ersatzkräfte für die streikenden Mitarbeiter ein, muss er Sie bei der Einstellung entgegen der sonstigen gesetzlichen Regelungen nicht beteiligen. Geht es aber um eine Einstellung, die auch ohne den Streik vorgenommen worden wäre und die primär mit dem Streik nichts zu tun hat, bleiben die Beteiligungsrechte bestehen.

Rahmenbedingungen der Mitbestimmung

Betroffen sind von dieser Regelung formelle und materielle Arbeitsbedingungen. Die in § 87 BetrVG aufgeführten Angelegenheiten werden als „zwingende Mitbestimmung“ bezeichnet (vgl. Fitting § 87 Rn. 1, 28. Auflage).

Die aufgezählten Tatbestände mitbestimmungspflichtiger Angelegenheiten ist abschließend, vgl. MünchArbR., Matthes, § 332 Rn. 6, 2. Auflage.

Besteht eine gesetzliche oder tarifliche Regelung scheidet ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus. Bei den gesetzlichen Regelungen muss es sich um zwingendes gesetzliches Recht handeln, z.B. Nachtarbeitsverbot für Jugendliche. Lässt das Gesetz verschiedene Handlungsmöglichkeiten zu, kommt Mitbestimmung in Betracht, z.B. Mitbestimmung über Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, vgl. BAG, 25.01.2000, 1 ABR 3/99.

Ergeht eine behördliche Anordnung bleiben die Mitbestimmungsrechte bestehen, wobei aufgrund evtl. bestehender öffentlich-rechtlicher Vorschriften eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts erfolgen kann.

Besteht eine tarifliche Regelung, so entfaltet sie zwingende Wirkung, wenn der Arbeitgeber an den Tarifvertrag gebunden ist. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber Mitglied im zuständigen Arbeitgeberverband ist, Partner eines Haustarifvertrags ist oder ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wurde.

Ist in einem Tarifvertrag eine Angelegenheit abschließend geregelt und ergibt sich darüber hinaus ein Regelungsbedarf, so entsteht ein Mitbestimmungsraum, z.B. bei fehlender Regelung bzgl. der Definition und der Gehälter von AT-Angestellten, vgl. BAG, 1 ABR 5/95.

Wirkt ein Tarifvertrag nur nach, soll die zwingende Wirkung nicht bestehen, vgl. MünchArbR., Matthes, § 332 Rn. 15, 2. Auflage.

Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG besteht auch in „Eilfällen“, so dass einseitig vom Arbeitgeber durchgeführte Maßnahmen unwirksam sein dürften. Ausnahmen können nur in „absoluten Notfällen“ möglich sein, wie z.B. Brand- oder Wetterkatastrophen. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat unverzüglich über seine Anordnungen in Kenntnis zu setzen.

Die Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG können nicht durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung eingeschränkt oder gar ausgeschlossen werden, vgl. Fitting § 87, Rn. 5, 28. Auflage.

Die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 BetrVG bezieht sich auf kollektive Tatbestände. Dies betrifft Fälle, von denen mehrere Arbeitnehmer des Betriebes betroffen sind. In Einzelfällen scheidet eine Mitbestimmung des Betriebsrats aus. Ausnahme, es ergibt sich ein kollektiver Bezug, z.B. ein Mitarbeiter beginnt früher mit der Arbeit (Überstunden), um anderen Mitarbeitern die Weiterarbeit zu ermöglichen.

Der Betriebsrat hat im Rahmen des § 87 Abs. 1 BetrVG ein Initiativrecht.

Der Betriebsrat kann im Rahmen der gesetzlichen Vorschrift Maßnahmen, die den Arbeitnehmern dienen, beim Arbeitgeber beantragen und mit ihm verhandeln.

Dies gilt für bereits bestehende wie für neu einzuführende Regelungen. Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen, entscheidet die Einigungsstelle.

Zustimmungsverweigerung

Verstoß gegen Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Unfallverhütungsvorschriften:

Entscheidend für das Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats ist, dass die Maßnahme als solches gegen § 99 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG verstößt.

Beispiele:

Die Auswahlrichtlinien

Bestehen in einem Betrieb Auswahlrichtlinien nach § 95 Abs. 1 und 2 BetrVG 1972 und verstößt die geplante Maßnahme gegen diese, kann der Betriebsrat die Zustimmung zur geplanten Maßnahme verweigern, unabhängig davon, ob diese aufgrund einer freiwilligen Betriebsvereinbarung bestehen oder ob sie der Betriebsrat verlangen konnte.

Der Personalüberhang

Bei Einstellungen, die getätigt werden sollen, um einen Personalüberhang zu schaffen, der später dazu führt, dass bereits im Betrieb Beschäftigte gekündigt werden, kann der Betriebsrat von seinem Zustimmungsverweigerungsrecht Gebrauch machen (§ 99 Abs. 2 Ziff. 3).

Bei Versetzungen kann der Betriebsrat die Zustimmung verweigern, wenn die Versetzung dazu führen soll, dass der versetzte Arbeitnehmer oder ein anderer dadurch seinen Arbeitsplatz verliert.

Soll ein Arbeitnehmer versetzt werden und entsteht dadurch in der Abteilung (häufiger) Überstundenbedarf, so kann dies zu einer Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats führen.

Wird ein Arbeitnehmer nach seiner Wahl in den Betriebsrat in eine andere Abteilung mit anderen Tätigkeitsschwerpunkten versetzt, so liegt darin eine verbotene Benachteiligung, die den Betriebsrat zur Zustimmungsverweigerung berechtigt, BAG 27.05.1982, 6 ABR 105/97.

Soll ein externer Bewerber eingestellt werden, obwohl gleichzeitig ein gleichgeeigneter befristet Beschäftigter im Betrieb für die Stelle in Frage käme und er entsprechendes Interesse zeigt, so kann der Betriebsrat hierin ggf. eine Zustimmungsverweigerung begründen.

Die Versetzung

Der unmittelbar von der Maßnahme betroffene Arbeitnehmer kann benachteiligt werden, ohne dass dies aus betrieblichen oder in seiner Person liegenden Gründen gerechtfertigt ist. Dieser Fall tritt vorwiegend bei Versetzungen auf (§ 99 Abs. 1 Ziff. 4). Dies kann z.B. der Fall sein, wenn

  • Schichtzulagen entfallen,
  • (wesentlich) längere Anfahrtswege zur Arbeitsstätte zu erwarten sind,
  • äußere Arbeitsbedingungen sich verschlechtern; Lärm, Schmutz und dgl.,
  • (erhebliche) Gesundheitsbeeinträchtigungen zu befürchten sind, usw.

Unabhängig von persönlichen Gründen kommt es entscheidend auf die betrieblichen Notwendigkeiten an.

Die innerbetriebliche Stellenausschreibung

Hat der Betriebsrat gem. § 93 BetrVG eine innerbetriebliche Stellenausschreibung verlangt oder gibt es eine entsprechende Betriebsvereinbarung und ist der Arbeitgeber dieser Anforderung nicht nachgekommen, so hat der Betriebsrat ein Zustimmungsverweigerungsrecht. Dies wird sich in der Praxis in der Regel auf Einstellungen beziehen.

Die unterbliebene Ausschreibung ist allein als Grund ausreichend um die Zustimmung zu verweigern.

Die Diskriminierung

Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der in Aussicht genommene Bewerber, z.B. durch rassistisches, diskriminierendes Verhalten, den Betriebsfrieden stört. Kann der Betriebsrat durch konkrete Argumentation eine zu befürchtende Verletzung der in § 75 Abs. 1 BetrVG aufgeführten Grundsätze darlegen, so berechtigt ihn dies zur Zustimmungsverweigerung.

Bloße Annahmen, vage Verdachtsmomente oder Gerüchte reichen nicht aus. Es sind auf den Einzelfall bezogene konkrete Tatsachen erforderlich, BAG 26.01.1988, 1 AZR 531/86.

Zustimmungsverweigerung, Mitteilung an den Arbeitgeber

Hat der Betriebsrat im Rahmen einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung eine Zustimmungsverweigerung gem § 99 Abs. 1 Ziff. 1 bis 6 BetrVG beschlossen, so hat er diese binnen einer Woche dem Arbeitgeber schriftlich mitzuteilen.

Das Schreiben muss vom Betriebsratsvorsitzenden bzw. dem Vorsitzenden des zuständigen Ausschusses unterschrieben sein. Arbeitgeber und Betriebsrat können generell oder im Einzelfall eine Fristverlängerung vereinbaren.

Holt der Betriebsrat innerhalb der Wochenfrist noch Auskünfte ein, so hemmt dies die Frist nicht.

Die Wochenfrist beginnt jedoch erst mit vollständiger Information des Arbeitgebers an den Betriebsrat bzgl. der geplanten Maßnahme zu laufen. Unterlässt der Arbeitgeber die Unterrichtung, so läuft die Wochenfrist nicht und er darf die Maßnahme nicht durchführen.

Das Zustimmungsersetzungsverfahren

Hat der Betriebsrat die Zustimmung zu einer Maßnahme nach § 99 Abs. 1 BetrVG binnen Wochenfrist schriftlich verweigert, so kann der Arbeitgeber nach § 99 Abs. 4 BetrVG beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats beantragen. Er darf die Maßnahme nicht durchführen.

Ausnahme: § 100 BetrVG, vorläufige personelle Einzelmaßnahme.

Dieser Ausnahmetatbestand kommt nur zur Anwendung, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Maßnahme keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung stehen.

Beispiel:

In der Lohnbuchhaltung sind kurzfristig Mitarbeiter erkrankt. Um die rechtzeitige Erstellung der Lohn- und Gehaltsabrechnungen zu gewährleisten, sind kurzfristige Einstellungen oder Versetzungen notwendig, BAG 07.11.1977, 1 ABR 55/75.

Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Unterrichtung des Betriebsrats, so ist ein Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers abzuweisen, BAG 15.04.1986, 1 ABR 55/84.

Ersetzt das Arbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrats, so kann der Arbeitgeber die Maßnahme durchführen. Wird die Zustimmungsersetzung nicht erteilt, so muss der Arbeitgeber eine bereits durchgeführte Maßnahme rückgängig machen.

Hat der Arbeitgeber z.B. einen neu eingestellten Arbeitnehmer nicht unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Betriebsrats bzw. der Zustimmungsersetzung durch das Arbeitsgericht beschäftigt und muss er die Maßnahme rückgängig machen, so kann der betroffene Arbeitnehmer evtl. Schadensersatz geltend machen.

Praxis-Tipp

Einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers bzgl. o. a. Regelung sind unwirksam. Der Arbeitgeber kann nur mit Zustimmung des Betriebsrats handeln und entscheiden, vgl. Fitting § 87 Rn. 578, 28. Auflage.

Verstößt der Arbeitgeber gegen das zwingende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, kann dieser die Unterlassung verlangen, evtl. sogar per einstweiliger Verfügung.

Der Betriebsrat kann verlangen, dass die Maßnahme rückgängig gemacht wird, vgl. BAG, 16.06.1998, 1 ABR 68/97 zu § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG 1972, Maßnahmen zur Unfallverhütung.

Wird die Rechtsstellung der Arbeitnehmer durch einseitige Arbeitgebermaßnahmen, die das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht beachten, verschlechtert, so sind sie unwirksam, z.B. die einseitige Anordnung von Überstunden durch den Arbeitgeber ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats; die Arbeitnehmer können die Leistung der Überstunden verweigern, vgl. Fitting § 87, Rn. 605, 28. Auflage.

Der Betriebsrat kann seine Mitbestimmungsrechte nicht in der Weise ausüben, dass er dem Arbeitgeber das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffnet, siehe Fitting § 87 Rn. 578, 28. Auflage.

Dies dürfte bedeuten, dass der Betriebsrat, der seine Mitbestimmungsrechte nicht wahrnimmt, d.h. seinen gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkommt, ggf. eine grobe Pflichtverletzung nach § 23 Abs. 1 BetrVG begeht. Es kommt dabei auf die einzelnen Umstände der Mitbestimmungsunterlassung an.

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Autor: Aytug Tuncel

Herr Aytug Tuncel ist seit 2004 zugelassener Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht (seit 2011) mit Kanzleisitz in Kiel. Seit 2007 ist Herr Rechtsanwalt Tuncel auch als Referent für Betriebsratsschulungen tätig. Der Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit liegt neben dem Vertragsrecht insbesondere in der bundesweiten Betreuung und Beratung von Betriebsräten. Hierzu gehört neben der Beratung auch die Vertretung in arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren und in Verfahren vor der Einigungsstelle. Neben der Mitbestimmung nach dem BetrVG liegt ein weiterer Fokus in der Beratung der Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten (Mitbestimmungsgesetz).
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