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Einigungsstelle

8 Minuten Lesezeit

Die Einigungsstelle ist nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) eine innerbetriebliche Schlichtungsstelle zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat.

Durch eine freiwillige, nicht erzwingbare Betriebsvereinbarung ist nach § 76 Abs. 1 BetrVG die Bildung einer ständigen Einigungsstelle möglich.

Die Einigungsstelle ist außerdem ein „Organ der Betriebsverfassung”, das erst gebildet wird, wenn es der Anlass erfordert.

Was Sie zum Thema Einigungsstelle wissen müssen, erfahren Sie in diesem Artikel.

Zwei Personen geben sich die Hand

Zweck der Einigungsstelle

Arbeitgeber und Betriebsrat sollen im Sinne des § 2 Abs. 1 BetrVG vertrauensvoll zusammenarbeiten. § 74 Abs. 1 und 2 BetrVG ist die ergänzende Vorschrift. Beide haben mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln und Meinungsverschiedenheiten beizulegen. Da Maßnahmen eines „innerbetrieblichen Arbeitskampfes” beiden Betriebspartnern untersagt sind (§ 74 Abs. 2 BetrVG), gibt es die Möglichkeit, erzwingbare und freiwillige Einigungsstellenverfahren durchzuführen (§ 76 Abs. 5 und 6 BetrVG).

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Ratgeber Betriebsratsvorsitzende

Errichtung einer Einigungsstelle

  • wird die Einigungsstelle auf Antrag tätig; Anrufung durch den Arbeitgeber oder den Betriebsrat (§ 76 Abs. 5 BetrVG),
  • ruft der Betriebsrat die Einigungsstelle an, so ist ein Betriebsratsbeschluss erforderlich,
  • die anrufende Seite schlägt den unparteiischen Vorsitzenden vor. Dies sind
    i. d. R. Personen, die nicht dem Betrieb angehören und kein persönliches oder wirtschaftliches Interesse an dem Betrieb haben. In der Praxis sind dies meist Arbeitsrichter,
  • die anrufende Seite schlägt die Anzahl der Beisitzer vor und benennt die Beisitzer der eigenen Seite (interne, BR-Mitglieder und/oder externe, z.B. Rechtsanwalt, Gewerkschaftssekretär), die Beisitzer der Gegnerseite werden von ihr benannt,
  • Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über den unparteiischen Vorsitzenden sowie über die Anzahl der Beisitzer notwendig,
  • keine Einigung – Entscheidung durch das Arbeitsgericht
    (§ 76 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BetrVG).

Einigungsstellenverfahren

  • wird die Einigungsstelle auf Antrag tätig; Anrufung durch den Arbeitgeber oder den Betriebsrat (§ 76 Abs. 5 BetrVG), der Vorsitzende leitet die Einigungsstelle; im Rahmen der gemeinsamen mündlichen Beratung ist die anrufende Partei beweisführungspflichtig,
  • in vielen Fällen kommt es nach der Sitzung der Einigungsstelle zu einer Einigung, die durch eine Betriebsvereinbarung schriftlich niedergelegt wird und somit das Einigungsstellenverfahren beendet,
  • andernfalls muss eine Entscheidung im Rahmen eines "Spruches" der Einigungsstelle gefunden werden,
  • kommt im ersten Abstimmungsgang (ohne Beteiligung des Vorsitzenden) keine Mehrheit zustande, hat der Vorsitzende bei einer weiteren Beschlussfassung Stimmrecht,
  • der Beschluss (Spruch) der Einigungsstelle ist schriftlich niederzulegen und den Betriebsparteien unverzüglich zuzuleiten.

Hinweis: Arbeitgeber und Betriebsrat haben die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Beschlusses, diesen gerichtlich überprüfen zu lassen, z.B. Ermessensüberschreitung der Einigungsstelle. Bis zu einer evtl. Aufhebung des Einigungsstellenspruchs durch das Arbeitsgericht ist der Spruch der Einigungsstelle durchzuführen, ggf. per einstweiliger Verfügung
(LAG Berlin, 06.12.1984 4 TaBV 2/84).

Freiwilliges Einigungsstellenverfahren

Ein freiwilliges Einigungsstellenverfahren kann, in allen der Zuständigkeiten des Betriebsrats liegenden Angelegenheiten, durchgeführt werden, in denen das BetrVG keine verbindliche Entscheidung der Einigungsstelle vorsieht. Sie wird errichtet, wenn beide Betriebspartner damit einverstanden sind und dies gemeinsam beantragen. Haben sich beide Seiten im Voraus dem Spruch der Einigungsstelle unterworfen oder ihn nachträglich angenommen, so ersetzt er die Einigung zwischen den Betriebsparteien.

Erzwingbares Einigungsstellenverfahren

Als Betriebsrat können Sie bzw. Ihr Arbeitgeber auch nur bei Angelegenheiten, die der vollen Mitbestimmung unterliegen, auf die Bildung einer Einigungsstelle bestehen. In diesem Fall spricht man vom erzwingbaren Einigungsstellenverfahren. Das ist der Fall, wenn der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat ersetzen kann. Die Fälle sind im Gesetz geregelt, beispielsweise in § 87 Abs. 2 BetrVG: "Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit … nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat."

In folgenden Fällen ist nur der Arbeitgeber antragsberechtigt

Im folgenden Fall ist nur der Betriebsrat antragsberechtigt

In folgenden Fällen genügt der Antrag eines der Betriebspartner

Erweiterung der Zuständigkeit

Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen (§ 102 Abs. 6 BetrVG). Bestehen Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung einer Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats, so kann die Einigungsstelle entscheiden (vgl. Schaub, ArbRHandbuch, § 232, Rn. 16, 9. Auflage).

Besonderheit

Soll ein Interessenausgleich nach § 112 Abs. 2 Satz 2 BetrVG vereinbart werden, kann ein Einigungsstellenverfahren erzwungen werden, was die Errichtung und Tätigkeit der Einigungsstelle betrifft. Allerdings ist eine von der Einigungsstelle getroffene Entscheidung nur verbindlich, wenn sich beide Betriebspartner im Voraus oder nachträglich der Entscheidung unterworfen haben (vgl. Fitting § 76, Rn. 91, 23. Auflage).

Die erfolgreiche Verhandlung

Für eine erfolgreiche Verhandlung ist, wie so häufig, die richtige Vorbereitung entscheidend. Denn wer sich auf ein wichtiges Gespräch mit dem Arbeitgeber nicht vorbereitet, muss damit rechnen, seine Interessen nicht durchsetzen zu können.

Was sollten Sie als Betriebsrat im Vorfeld durchdenken?

  1. Was will der Betriebsrat erreichen?
    Klären Sie im Gremium, welches die optimale Lösung für Sie als Betriebsrat wäre. Definieren Sie Ihren Verhandlungsspielraum. Das heißt: Überlegen Sie sich, wo Sie gegebenenfalls Kompromisse eingehen können.
  2. Was will der Arbeitgeber?
    Denken Sie auch darüber nach, welche Ziele vermutlich Ihr Arbeitgeber verfolgen wird. Bereiten Sie entsprechende Gegenargumente vor.
  3. Gibt es Beweise?
    Überlegen Sie, welche Beweise Sie vorbringen können.
  4. Womit können Sie überzeugen?
    Benennen Sie konkret die Vorteile, die die von Ihnen als Betriebsrat favorisierte Lösung bringt.
  5. Wann folgt welches Argument?
    Verhandlungsstrategie ist unerlässlich und sollte von Ihnen erarbeitet werden. Wirklich überzeugende Argumente können aus taktischen Gründen bis zum Schluss zurückgehalten werden. Durch eine gezielte Anwendung von Kommunikationstechniken können Sie Ihrem Ziel näher kommen. Denn: Wer seine Sichtweise, Ideen und Vorschläge überzeugend einbringt, gewinnt andere für seine Vorschläge. Dabei ist die Behandlung von Einwänden des Arbeitgebers besonders wichtig.

Welche Methoden gibt es hierzu?

  1. Einwand aufgreifen
    Greifen Sie den Einwand auf und gehen Sie in Ihrer Argumentation darauf ein. Damit zeigen Sie Ihrem Gesprächspartner, dass Sie einen Einwand ernst nehmen.
  2. Ja-aber-Methode
    Stimmen Sie einem Einwand zunächst rhetorisch zu, um Ihre Zustimmung sofort danach zu widerrufen. Das zeigt Ihre Kompromissbereitschaft.
  3. Mit einer Frage reagieren
    Überraschen Sie den Arbeitgeber mit einem unvorhergesehenen Einwand.
  4. Einwand vorwegnehmen
    Wenn Sie mit einem Einwand Ihres Gesprächspartners rechnen, bietet es sich an, diesen vorwegzunehmen.

Wirkung des Spruchs der Einigungsstelle

Die Einigungsstelle entscheidet im Rahmen der Mitbestimmung endgültig (§ 76 Abs. 5, Satz 1 BetrVG). Das heißt, der Spruch ist für Sie und Ihren Arbeitgeber verbindlich.

Einigung auf ein Einigungsstellenverfahren

Auch in allen nicht-mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten können Sie grundsätzlich eine Einigungsstelle bilden. Allerdings müssen Sie sich dazu mit Ihrem Arbeitgeber über die Entscheidung im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens einigen (§ 76 Abs. 6 BetrVG). Deshalb ist dieses sogenannte freiwillige Einigungsstellenverfahren wesentlich schwieriger in Gang zu bringen.

Im Unterschied zum erzwingbaren Einigungsstellenverfahren sind Sie und Ihr Arbeitgeber in diesem freiwilligen Einigungsstellenverfahren nicht automatisch an die Entscheidung gebunden. Eine Bindungswirkung tritt nur ein, wenn Ihr Arbeitgeber und Sie sich dem Spruch im Voraus unterworfen haben (§ 76 Abs. 6, Satz 2 BetrVG).

Anrufung des Arbeitsgerichts

Sowohl Arbeitgeber als auch Betriebsrat haben das Recht, den Spruch der Einigungsstelle von den Gerichten überprüfen zu lassen. Stellt das Gericht in so einem Fall fest, dass die Einigungsstelle die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens überschritten hat, wird es die Entscheidung der Einigungsstelle für unwirksam erklären. Ersetzen dürfen die Richter den Einigungsstellenspruch aber nicht. In diesem Fall müsste die Einigungsstelle die Arbeit erneut aufnehmen.

Kosten der Einigungsstelle

Hinweis: Die Kostenübernahme nach § 76a BetrVG trifft ausschließlich den Arbeitgeber, unabhängig vom Verhandlungsergebnis. Die innerbetrieblichen Beisitzer, z.B. Betriebsratsmitglieder, erhalten keine Vergütung, sind aber nach
§ 37 Abs. 2 BetrVG unter Fortzahlung ihrer Vergütung von der Arbeit freizustellen. Dies gilt auch für Sitzungszeiten außerhalb der Arbeitszeit. Fallen Fahrt- und Übernachtungskosten an, sind diese ebenfalls zu erstatten.

Die Vergütung des Einigungsstellenvorsitzenden und der externen Beisitzer regelt § 76a Abs. 3 BetrVG. Die Vergütung des Einigungsstellenvorsitzenden bestimmt sich entweder nach vertraglicher Absprache mit dem Arbeitgeber oder, falls diese fehlt, nach den Grundsätzen der §§ 315, 316 BGB. Bemessungskriterien sind u. a. erforderlicher Zeitaufwand, Schwierigkeit der Streitigkeit und Verdienstausfall (vgl. Fitting § 76a, Rn. 19, 23. Auflage).

Die Vergütung der externen Beisitzer ist niedriger zu bemessen,
in der Regel 70% der Vergütung des Einigungsstellenvorsitzenden
(vgl. Fitting § 76a, Rn. 25, 23. Auflage).

Die Einschaltung eines Rechtsanwalts

In nahezu sämtlichen Einigungsstellenverfahren können Sie als Betriebsrat einen Rechtsanwalt hinzuziehen. In jedem Fall gilt das dann, wenn die Einigungsstelle zur Klärung komplexer Rechtsfragen eingeschaltet wurde. Die dadurch entstehenden Kosten trägt ebenfalls Ihr Arbeitgeber. Das gilt allerdings nur, wenn die Beauftragung aufgrund des komplexen Sachverhalts und des mangelnden juristischen Sachverstands Ihres Gremiums erforderlich war.

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