Schulungsanspruch
für die Schwerbehindertenvertretung

Vertrauenspersonen der (schwer-)behinderten Arbeitnehmer eines Betriebes benötigen eine umfassende
Schulung. Es ist wichtig, dass diese auf denjenigen Gebieten hinreichende Kenntnisse erhält, die sie zur Ausübung ihres vertrauensvollen Amtes benötigt.

Schulungsanspruch als Schwerbehindertenvertretung

Gesetzlicher Schulungsanspruch für die SBV

Der Gesetzgeber hat in § 179 Abs. 4 Satz 3 bestimmt, dass Vertrauenspersonen der (schwer-)behinderten Arbeitnehmer ein Recht auf Schulungen haben. Sie werden dafür bezahlt von ihrer beruflichen Tätigkeit befreit. Voraussetzung hierfür ist, dass die in dem Seminar vermittelten Kenntnisse für die Arbeit der SBV erforderlich sind.

Gilt der Schulungsanspruch auch für das stellvertretende Mitglied der SBV?

Gemäß § 179 Abs. 4 Satz 3 SGB IX hat der erste Stellvertreter das gleiche Recht zur Teilnahme an Fortbildungen wie die Vertrauensperson. Laut § 179 Abs. 4 Satz 3 SGB IX erhalten auch die weiteren Stellvertreter einen eigenen gesetzlichen Schulungsanspruch, wenn sie nach § 178 Abs. 1 Satz 5 SGB IX zur Wahrnehmung von SBV-Aufgaben herangezogen werden.

Schulungsanspruch für ein Mitglied des Betriebsrats

Auch für ein Mitglied des Betriebsrats sind Schulungen über Kenntnisse des Schwerbehindertenrechts grundsätzlich im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich. Denn eine bessere Eingliederung (schwer-)behinderter Arbeitnehmer gehört auch zu den Aufgaben des Betriebsrats, unabhängig davon, ob es im Betrieb eine Schwerbehindertenvertretung gibt oder nicht (vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG und § 176 SGB IX). Voraussetzung ist nur, dass im Betrieb (schwer-)behinderte Menschen beschäftigt sind.

Was heißt „erforderlich“?

Inwiefern ein Seminar Kenntnisse vermittelt, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung essenziell sind, ist im Einzelfall zu entscheiden.

Generell gibt es zwei Voraussetzungen:

  • Das in der Schulung vermittelte Wissen wird für die Erfüllung der anstehenden Aufgaben benötigt.
  • Die Vertrauensperson verfügt (noch) nicht über entsprechende Kenntnisse.

Eine Schulung für die Schwerbehindertenvertretung ist nicht nur dann erforderlich, wenn dort unmittelbar behindertenbezogene Themen vermittelt werden; sie muss lediglich einen konkreten Bezug zu den Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung aufweisen (LAG Hessen, Beschluss vom 12.10.2006, Az. 9 TaBV 57/06).

Welche Kenntnisse sind erforderlich?

Um das Amt der Schwerbehindertenvertretung ordnungsgemäß auszuüben, benötigt die SBV Kenntnisse über ihre Aufgaben, Rechte und Pflichten sowie Kenntnisse zur Betreuung und Eingliederung (schwer-) behinderter Menschen. Des Weiteren braucht die SBV Grundlagen-Kenntnisse im Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht sowie Grundwissen aus dem SGB zum Recht (schwer-)behinderter Menschen. Weitere wichtige Themen sind die Zusammenarbeit mit dem Betriebs- oder Personalrat und Wissen in den Bereichen der Arbeitssicherheit und dem betrieblichen Gesundheitsschutz.

Wer entscheidet, ob ein Seminar erforderlich ist?

Die Vertrauensperson selbst entscheidet darüber, ob ein Seminarbesuch erforderlich ist. Obwohl die Vertrauensperson einen eigenen Beurteilungsspielraum hat, kann sie sich nicht nur nach ihren subjektiven Wünschen richten. Sie muss sich in die Situation eines unbefangenen Beurteilers versetzen und die Interessen des Betriebs zum einen und die Interessen der (schwer-)behinderten Kollegen zum anderen gegenüberstellen.

Hängt die Schulungsteilnahme von der Anzahl der (schwer-)behinderten Menschen im Betrieb ab?

Werden in einem Betrieb nur wenige (schwer-)behinderte Menschen beschäftigt, können sich genau dieselben Fragen zur SBV stellen. Deshalb hängt die Erforderlichkeit einer Schulung nicht von der Anzahl der (schwer-) behinderten Menschen in einem Betrieb ab (AG Köln, Urteil vom 25.11.2008, Az. 14 Ca 6811/07)

Wie oft und wie lange dürfen Schwerbehindertenvertreter Schulungen besuchen?

Weder die Dauer noch die Anzahl der Schulungen sind vom Gesetzgeber begrenzt. Ausschlaggebend sind die Kenntnisse, die gebraucht werden, um die anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erledigen zu können. Besonders für neu gewählte Vertrauenspersonen sind zu Beginn ihrer ersten Amtsperiode mehrere Schulungen erforderlich, um das für die Tätigkeit der SBV notwendige Wissen zu erwerben.

Wer trägt die Kosten der Seminarteilnahme?

Der Arbeitgeber hat die Kosten, die aus der Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehen, zu tragen (§ 179 Abs. 8 Satz 1 SGB IX). Neben der Seminargebühr zählen dazu auch die Fortzahlung des Arbeitsentgelts, die erforderlichen Reisekosten sowie die Kosten für Unterkunft und Verpflegung.

Bei der Teilnahme an Seminaren muss die Schwerbehindertenvertretung zwar den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Dies bedeutet aber nicht, dass sie verpflichtet wäre, die preiswerteste Seminarvariante auszuwählen. Bei der Wahl zwischen einer qualitativ höherwertigen Schulungsveranstaltung mit höheren Kosten und einer weniger guten mit geringeren Kosten ist im Interesse einer sachgerechten Schulung im Zweifel der qualitativ höherwertigen Schulung der Vorzug zu geben, vorausgesetzt, dass sich deren Kosten nicht in einem unangemessenen Rahmen bewegen (vgl. BAG, Beschluss vom 17.11.2010, Az. 7 ABR 113/09).

Was passiert bei Streitigkeiten über die Seminarteilnahme?

Sollte der Arbeitgeber den Schulungsanspruch infrage stellen, so hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht, die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme nach § 179 Abs. 4 SGB IX und somit die Kostenübernahme in einem Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht klären zu lassen.

Übrigens: Die W.A.F. akzeptiert auch dann die Seminarteilnahme, wenn der Arbeitgeber die Kostenübernahme in Frage stellt. Wir gehen trotz der rechtlichen Unsicherheit mit den Seminar- und Hotelkosten in Vorlage. Bei Fragen berät Sie unser Experten-Team gerne unter 08158 99720.